Anatolian Carpets from the Collection of the Brukenthal National Museum in Sibiu

Autor/en: Stefano Ionescu, Beata Biedronska Slota, Alexandru Gh. Sonoc
Verlag: National Museum Danzig
Erschienen: Danzig 2013
Seiten: 196
Ausgabe: Hardcover
Preis: nicht mitgeteilt
ISBN: 978-83-63185-64-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2013

Besprechung:
Nach Ausstellungen in Rom (2005), Berlin (2006) und Istanbul (2007) ist eine Auswahl anatolischer Teppiche des 16. bis 18 Jahrhunderts aus Siebenbürgen noch bis zum 16. Februar 2014 im Nationalmuseum in Danzig zu sehen. Die Wahl eines polnisches Museums als Ausstellungsort dieses einmaligen Teppichschatzes aus dem Besitz der evangelisch lutherischen Kirche in Rumänien kommt nicht von ungefähr, spielt doch Polen als Namen gebende Nation für eine wichtige Gruppe klassischer Teppiche in der Teppichwissenschaft eine nicht unbedeutende Rolle. Mit den so genannten „Polenteppichen“ sind hier allerdings nicht die vorwiegend im 18. Jahrhundert in einigen polnischen Manufakturen geknüpften Teppiche gemeint, sondern die von polnischen Königen und Adelshäusern im frühen 17. Jahrhundert in Kashan oder Isfahan in Auftrag gegebenen und oft mit Adelswappen versehenen Teppiche aus der Zeit von Schah Abbas. Ein solcher im Jahre 1878 auf der Pariser Weltaustellung gezeigter Wappenteppich aus fürstlich polnischem Besitz führte damals zu der irrigen Annahme einer polnischen Herkunft und zur „sinnlosen“ (Erdmann) Bezeichnung dieser Teppichgattung, die sich gleichwohl bis heute gehalten hat. Etwa 200 dieser überaus kostbaren, mit Gold- und Silberfäden broschierten Teppiche mit ihrer ganz spezifischen, meist elegant und pastellartig verblassten Farbigkeit sind heute bekannt; einer der schönsten ist im Museum Czartoryski in Krakau zu sehen. Darüber hinaus ist die polnische Affinität zum Orientteppich am bedeutenden Teppichbestand im Königsschloss und im National Museum in Krakau und nicht zuletzt an der Existenz eines Teppichmuseums im Königspalast in Warschau abzulesen. Die in Danzig gezeigte Auswahl von 24 Teppichen aus der Sammlung des Brukenthal Museums in Sibiu, dem vormaligen Hermannstadt, ist repräsentativ für den weltweit einzigartigen Bestand von knapp 400 kleinformatigen Teppichen in Siebenbürgen, die in westanatolischen Knüpfzentren spätestens seit dem 16. Jahrhundert für den Export in den Westen geknüpft wurden. Die Auswahl reicht von einem Teppich mit „Holbein“-Muster, einem Lottoteppich, weißgrundigen Vogel-Uschak und Selendi-Teppichen bis zu den verschiedenen Mustervarianten der „Siebenbürger“ Teppiche mit einfachen, Doppel- und säulenflankierten Nischen. Sozusagen außer Konkurrenz wird als Zugabe auch ein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von dem berühmten rumänischen Teppichfälscher Teodor Tuduc geknüpfter „Cintamani“-Teppich gezeigt und ermöglicht es dem Besucher, selbst zu urteilen, wie so viele Museen, Sammler und Experten auf diese Fälschungen hereinfallen konnten. Der zweisprachige (polnisch/englisch) Katalog zeigt nicht nur alle Exponate in seitengroßen Farbbildern, sondern enthält mit zwei ausführlichen Essays kompetenter Fachautoren eine gründliche Einführung in die Materie. Alexandru Sonoc, künstlerischer Direktor des Brukenthal Museums, erzählt die Geschichte der Teppichsammlung. Seit dem frühen 19. Jahrhundert, als Baron Samuel von Brukenthal seine Sammlungen und seinen Palast der evangelisch-lutherischen Kirche in Hermannstadt widmete, ist dieses Museum der wichtigste Ort der Bewahrung und Pflege sächsischer Kunst und Kultur in Siebenbürgen. Teppiche spielten freilich zu dieser Zeit noch keine Rolle. Erst im späten 19. Jahrhundert begann man die Bedeutung von Teppichen als Kulturgut zu erkennen; seither verwahrt das Museum die in der lutherischen Kirche von Hermannstadt und in einigen kleineren Kirchen in der Umgebung erhaltenen Teppiche. Stefano Ionescu schließlich, der seit vielen Jahren unermüdlich für die Bewahrung, Restaurierung, Erforschung, Publikation und Ausstellung dieses Teppichschatzes bemüht ist und auf dessen Initiative auch die Ausstellung in Danzig zurückgeht, fasst zusammen, was man heute über die Geschichte und Entstehung dieser kirchlichen Sammlungen weiß. Es ist ein einzigartiges Phänomen, dass sächsische Bürger und Händler nach dem Bildersturm der Reformation damit begannen, ihre nun schmucklosen Kirchen, deren Wände, Emporen und Chorgestühle mit bunten, ornamental gemusterten Teppichen aus dem Orient zu schmücken, und es ist ebenso einzigartig, dass sich diese Teppiche bis heute in dieser Zahl und meist perfektem Zustand erhalten haben. Nur der bewahrenden und der Tradition verpflichteten Funktion der Kirche ist es zu danken, dass von dem am Ende des 19. Jahrhunderts auf 600 Teppiche geschätzten Bestand nur etwa ein Drittel der Begehrlichkeit der Märkte und den Kriegswirren des 20. Jahrhunderts zum Opfer fiel. So gehören die anatolischen Teppiche der evangelisch lutherischen Kirche in Siebenbürgen, mögen sie im Brukenthal Museum verwahrt werden oder, wie etwa in der Schwarzen Kirche in Kronstadt (heute Brasov), als festliche Dekoration das Kircheninnere schmücken, zu den ältesten, stabilsten und außerordentlichsten Teppichsammlungen der Welt. Aufnahmen dieser Siebenbürger Wehrkirchen und ihrer ungewöhnlichen Ausschmückung vermitteln schließlich einen Eindruck, wie sich dieser Schatz heute an Ort und Stelle repräsentiert und machen Lust auf eine Teppichreise nach Siebenbürgen.

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