Passionen einer eleganten Dame – Asiatische Textilien der Sammlung Hammonds

Autor/en: Walter Bruno Brix, Alan Kennedy
Verlag: Dietrich Reimer Verlag
Erschienen: Berlin 2013
Seiten: 162
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 24,95
ISBN: 978-3-496-01476-8
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2013

Besprechung:
Es ist schwer zu entscheiden, was hier mehr fesselt, die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau und ihr Leben als Pianistin, Diplomatengattin und Sammlerin auf drei Kontinenten, oder prachtvolle japanische Textilien aus drei Jahrhunderten, der Kern ihrer Kunstsammlung, die zusammen mit einer Geschichte der japanischen Seidenweberei das eigentliche Thema dieses Buches sind. So soll denn, wie schon der Titel dieses Buches verheißt, beides hier zur Sprache kommen. Magdalene Clara Schmidt wurde 1903 in Dortmund geboren, studierte Musik, wurde eine bekannte Pianistin und begleitete ihren Ehemann, den Diplomaten Erich Boltze auf seiner diplomatischen Mission als Gesandter und Botschafter in China und Japan. Vor allem in den Jahren 1937 bis 1946 als das Ehepaar zunächst in Peking und später in Tokio lebte und Magdalene Clara Boltze zahlreiche Reisen in China, Japan, Korea und der Mongolei unternahm, erwarb sie mit erlesenem Geschmack und sicherem Gespür Objekte zur Ausstattung der repräsentativen Diplomatenvillen, die sich rasch zu einer Sammlung ostasiatischer Kunst formten. Mit ihrem zweiten Mann, dem amerikanischen Geologen George Scott Hammonds lebte sie seit 1947 in Dallas/Texas, kehrte aber bereits in den fünfziger Jahren nach Deutschland zurück, bewohnte eine Villa in Baden Baden und war aktiv förderndes Mitglied der Festspiele von Bayreuth, wo sie von der Presse auch schon einmal zur bestgekleideten Dame der Saison gekürt wurde. Musik, Mode und das Sammeln – von ihr selbst mehr als das Einrichten ihrer wechselnden Wohnsitze verstanden – waren Margarete Clara Hammonds große Leidenschaft und es ist bei diesem Dreiklang von Interessen und ihrer Lebensgeschichte gut zu verstehen, dass sie sich für japanische Textilkunst begeisterte, für höfische, bürgerliche und buddhistische Gewänder, die aus den kompliziertesten und attraktivsten Geweben fernöstlicher Handwerkskunst hergestellt wurden. Es war Margarete Hammonds Wunsch, ihre Sammlung von ca. 300 Objekten, die genannten Textilien, aber auch chinesische Bronzen, Möbel und Malerei, Lacke und japanische buddhistische Skulpturen erhalten zu wissen und so wurde nach ihrem Tod im Jahre 1995 die Stiftung MCH, Sammlung Hammonds, errichtet mit dem Zweck, die Sammlung zu erhalten und zu ergänzen, vor allem aber junge Eleven ostasiatischer Kunst durch Stipendien zu fördern. Ganz im Sinne dieses Stiftungszwecks wurde die Sammlung japanischer Textilien nebst einigen anderen Objekten dem Berliner Museum für Asiatische Kunst als Dauerleihgabe übergeben, welches diese großzügige Gabe nun mit einer Ausstellung (bis zum 9. Juni 2013) und einem schönen Katalog würdigt. Clarissa Gräfin von Spee, Kuratorin im Britischen Museum in London, erzählt Magdalene Hammonds interessantes Leben im fernen Osten, in den USA und in Deutschland, garniert diese lesenswerte Geschichte mit Bildern der Sammlerin und alten Fotos von den Stationen ihres Lebens, gibt einen mit Abbildungen versehenen Überblick über die Breite und die Höhepunkte der Sammlung und erläutert schließlich die aktive Arbeit der Stiftung, die nicht nur eine bedeutende Lackdose der Westlichen Han-Dynastie erwerben konnte, sondern sich seit Ende der 90er Jahre auch für moderne chinesische Malerei engagiert. Der Erwerb von rund vierzig Bildern der Sammlung Victoria Contag verdient es, hier hervorgehoben zu werden. Auch der attraktive Blickfang von Ausstellung und Katalog, vier prachtvolle Gewänder des japanischen No-Theaters aus dem 18. Jahrhundert, gehören zu den Neuerwerbungen der MCH-Stiftung, die ganz besonders dem Interesse von Margarete Hammonds entsprochen haben, da sie einen von der Sammlung bisher nicht abgedeckten Bereich japanischer Textilien ausfüllen. Neben diesen No-Kostümen werden Damengewänder der Hofaristokratie, des Schwertadels und des gehobenen Bürgertums des 19. Jahrhunderts gezeigt, zahlreiche Obi (Gürtel) aus dem 19. und 20 Jahrhundert, die die Musterentwicklung der Gewebe aufzeigen und schließlich buddhistische Textilien. Eine breite Auswahl von 14 Kesa aus dem 18. bis zum 20. Jahrhundert, rechteckigen, von Buddhas Flickengewand abgeleiteten Umhängen japanischer Mönche, demonstrieren die überragende Webkunst japanischer Kunsthandwerker, denen es gelang, das ärmliche patchwork des Buddhagewandes in kostbarster Goldfadenweberei nachzubilden. So genannte Ohi, Stolen zur Ergänzung der Kesa und große Altartücher sowie einige chinesische Textilien aus der Qing-Dynastie vervollständigen das Ensemble asiatischer Textilkunst. Jedes Teil ist von Walter Bruno Brix, dem Künstler, Textilwissenschaftler und Spezialisten für ostasiatische Textilien, dem auch die vollständigen Strukturanalysen sämtlicher Exponate zu danken sind, sorgfältig beschrieben. Den einführenden Essay über die Geschichte gewebter Textilien in Japan schrieb Alan Kennedy. Es ist, in der deutschen Übersetzung von Walter Bruno Brix, das Beste zu diesem Thema, das es in deutscher Sprache zu lesen gibt. Ebenso wie in vielen Bereichen japanischer Kultur, man denke nur an Porzellan oder Lack, wäre die Entwicklung der Webtechnik von Luxustextilien ohne die Einflüsse aus China und Korea kaum denkbar. Aber auch hier ist das Entlehnen und Kopieren nur der Anfang eines Prozesses, an dessen Ende ein ganz eigener japanischer Stil und eine technische Perfektion erreicht ist, die das Vorbild weit in den Schatten stellt. Es ist ein nationaltypisches Muster, das sich in allen Epochen japanischer Geschichte wiederholt und das mit dieser Ausstellung und ihrem Katalog vorzüglich dokumentiert wird, sowohl für die Edo-Zeit, als sich Japan vom Rest der Welt abschottete, wie auch für die Meji-Zeit seit der Mitte des 19. bis ins 20. Jahrhundert.

Print Friendly, PDF & Email