….. skill of the hand, delight of the eye – Ottoman Embroideries in the Sadberk Hanim Museum Collection

Autor/en: Hülya Bilgi, Idil Zanbak
Verlag: Sadberk Hanim Museum
Erschienen: Istanbul 2012
Seiten: 382
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: 150 türkische Pfung
ISBN: 978-975-6959-62-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2013

Besprechung:
Die Stickerei dürfte eine der ältesten dekorativen Künste der Menschheit sein und sie reicht wohl bis in die späte Steinzeit zurück. Erhaltene Belege gibt es dafür nicht aber der mehrfache archäologische Nachweis, dass die Erfindung der Nadel spätestens in die Zeit um 3000 v.Chr. zu datieren ist, sollte als mittelbarer Beweis ausreichen. Vom bloßen Zusammennähen von Fellen oder ersten Geweben bis zur Verstärkung und Verzierung solcher Nähte und schließlich auch der durch diese Nähte verbundenen Flächen war kein weiter Weg. Das Schmuckbedürfnis des Menschen tat ein Übriges, um die Stickerei im Lauf der Jahrtausende zu einer der variabelsten und vielfältigsten textilen Techniken zu entwickeln. Vorreiter und Bewahrer dieser textilen Kunst waren häufig nomadisch oder halbnomadisch lebende Völker und Stämme, deren materielle Kultur weit mehr als in sesshaften Kulturen durch flexible und Platz sparende Textilien geprägt war. Damit findet auch die Verbreitung, Qualität und außerordentliche Wertschätzung der Stickerei im osmanischen Reich ihre Erklärung. Sie ist ein Erbe der nomadischen Herkunft der Osmanen, ein Erbe der turkstämmigen Völker, die aus der Tiefe Zentralasiens kamen und die auf ihrem unaufhaltsamen Weg nach Westen schließlich Konstantinopel eroberten und das mächtige osmanische Reich gründeten. Die Kunst und die materielle Kultur dieses osmanischen Reiches zu sammeln, zu bewahren und zu präsentieren ist Aufgabe und Ziel des sei 1980 bestehenden privaten Sadberk Hanim Museums in Istanbul, das von Dezember 2012 bis zum 30. Juni 2013 eine Auswahl aus seinem reichen Bestand osmanischer Stickereien zeigt und dies mit einem prachtvollen Katalog dokumentiert. Diese Stickereien sind neben den weiteren Sammlungsschwerpunkten wie archäologischen Objekten, Kalligraphie, Glas, Keramik und Kostümen und anderen Zeugnissen türkisch-osmanischer Kunst der eigentliche Kern des Museums, das aus der Sammlung von Sadberk Koҫ (1908-1973), der Frau des türkischen Industriellen, Mäzens und Gründers des Museums, Vehbi Koç (1901-1996), hervorgegangen ist und ihren Namen trägt. Ausstellung und Katalog zeigen 167 Arbeiten vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Die Auswahl (aus einem Sammlungsbestand von knapp 2000 Stück), die von großen bestickten Geweben des 17. Jahrhunderts, Tüchern zum Abdecken des Turbans, Barbierschürzen, Kissen, Servietten und Handtüchern bis zu Souvenierartikeln des 19. Jahrhunderts wie Brieftaschen, Sultansportraits und gestickten Ansichten Istanbuls reicht, macht deutlich, wie umfassend Stickereien das Leben im osmanischen Reich, von der Repräsentation bei Hofe bis zum normalen Tagesablauf des städtischen oder dörflichen Bürgers geprägt haben. Sie zeigen die stilistische Entwicklung vom so genannten „klassischen“ Stil der frühen Zeit, der noch ganz dem Formen- und Musterkanon der Blütezeit des osmanischen Reichs im 16. Jahrhundert entspricht, über die sich unter dem Einfluss des europäischen Barock und Rokoko seit dem 18. Jahrhundert sich wandelnden Sujets und Materialien bis zum immer stärkeren Einsatz von Gold- und Silberfäden in den Stickereien des 19. Jahrhunderts. Und schließlich sehen wir an den gezeigten Beispielen den Unterschied zwischen der „leichten“, von Frauen in häuslicher Arbeit aber auch in höfischen Werkstätten ausgeführten Stickerei, wofür hier die beliebten Servietten und Handtücher genannt seien, und der „schweren“ Stickerei auf Satin, Samt oder Leder, wie sie für die Vorhänge der Kaaba, für Sättel, Zelte und militärische Ausrüstung angewandt wurde, eine Arbeit, die Männern vorbehalten war. Der Katalog enthält zwei ausführliche einleitende Essays über die Kunst der Stickerei im osmanischen Reich und über Entstehung und Bestand dieser außergewöhnlichen Sammlung im Sadberk Hanim Museum. Das hier eingeflossene Quellenmaterial von der Auswertung höfischer Archive aus dem Topkapi Palast bis zu den Berichten ausländischer Reisender, etwa von Lady Montagu, über die reiche Ausstattung türkischer Haushalte mit Stickereien und den unermüdlichen Fleiss, mit dem türkische Mädchen ihre bestickte Aussteuer vorbereiteten, macht den Katalog zu einem lesenswerten Buch über osmanische Stickerei. Prachtvoll und zur dringenden Kaufempfehlung für jeden Sammler und Liebhaber dieser textilen Kunst aber wird er durch die Art und Weise, wie die einzelnen Stücke beschrieben und abgebildet sind. Jedes einzelne Exponat ist mit exakten Strukturangaben versehen, also mit der Angabe der verwendeten Materialien, der angewandten Sticktechniken und der vorkommenden Farben, wobei die üblichen Farbbezeichnungen noch durch die Ordnungsziffern des Pantone Matching System ergänzt werden. Der Clou aber sind die fast jeder Stickerei zugeordneten, seitengroßen Detailabbildungen in natürlicher Größe. Das matte, schwere Papier und die hervorragende Druck- und Farbqualität kommen dem Original so nahe, wie überhaupt möglich. Im Gegensatz zur allgemein üblichen Darstellung solcher Arbeiten in der Literatur wird durch diese Abbildungsqualität begreiflich, dass Stickerei eine dreidimensionale Kunst ist, die ihre Faszination aus dem räumlichen Neben- und Übereinander unterschiedlicher Materialien, Techniken und Farben bezieht. Ein Kompliment dem Sadberk Hanim Museum für diese hervorragende Publikation

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