Katalog der ICOC XII in Stockholm

Autor/en: Anette Granlund (Hrsg)
Verlag: ICOC XII Stockholm Committee
Erschienen: Stockholm 2012
Seiten: 222
Ausgabe: Harcover
Preis: 395 schwedische Kronen
ISBN: keine ISBN
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2013

Besprechung:
Die im mehrjährigen Turnus und in der Regel im Wechsel zwischen europäischen und US-amerikanischen Veranstaltungsorten stattfindenden Konferenzen zum Thema alter und antiker orientalischer Teppiche – The International Conference on Oriental Carpets, kurz ICOC – sind in der Teppichwelt das Ereignis schlechthin und ein internationaler Treffpunkt hunderter Sammler, Liebhaber, Wissenschaftler und Händler. Speziell zu diesen Anlass organisierte Ausstellungen, interessante wissenschaftliche Vorträge, Empfänge, eine stets mit ausgesuchten und verführerischen Raritäten bestückte Messe internationaler Händler und das Wiedersehen mit Teppichfreunden aus aller Welt lassen die Besucher während der Konferenztage kaum zu Atem kommen. Nachhaltig Bleibendes sind neben den Erinnerungen der Teilnehmer und ihren vielleicht auf der Messe erworbenen Kostbarkeiten die später in den OCTS (Oriental Carpet & Textile Studies) publizierten Vorträge und das stets vom lokalen Veranstalter herausgegebene Katalogbuch aller anlässlich der Konferenz ausgestellten Teppiche und Textilien. Die Reihe der mittlerweile bei der Ordnungsziffer VII angekommenen OCTS und die Katalogbücher der Konferenzen von Mailand/Florenz, Washington, Istanbul und Philidelphia – um hier nur einige zu nennen – zählen zu den wichtigen Standard- und Nachschlagewerken der Teppichliteratur, sind aber regelmäßig über den normalen Buchhandel nicht zu beziehen. Dies ist ausreichend Anlass, hier auf das Katalogbuch der letzten ICOC hinzuweisen, welche im Juni 2011 in Stockholm stattgefunden hat. Da das Buch nicht wie vorgesehen zur Konferenz, sondern erst ein Jahr danach erschienen ist, kann man fast vermuten, dass dieses bisher auch kaum beworbene und wenig bekannte Buch zu einer Seltenheit der Teppichliteratur werden wird. Ist schon das ein Grund, dieses Buch zu erwerben, so ist der schöne Inhalt ein weiterer und natürlich der weitaus wichtigere. Nach dem Vorwort der Herausgeberin und dem Abdruck der den Kongress eröffnenden, launigen Einführungsrede des bekannten ehemaligen schwedischen Außenministers, internationalen Diplomaten und bekennenden Teppichsammlers Hans Blix, eröffnet der berühmte Marby-Teppich den Reigen der Exponate. Dieser nach seinem Fundort in einer einsamen Dorfkirche in Südschweden benannte und vermutlich im 14. Jahrhundert in Anatolien geknüpfte Teppich wurde bereits dutzendfach in zahlreichen Teppichbüchern dokumentiert, doch noch nie hat man ihn so schön, seitengroß und farbgetreu vor dunklem Hintergrund in der Literatur bewundern können. Es folgt, doppelseitengroß mit Detailabbildungen und einer eingehenden Beschreibung von Friedrich Spuhler der große, spektakuläre safawidische Seidenteppich aus dem Königlichen Palast in Stockholm. Fast noch spektakulärer weil weltweit einzigartig ist ein wahrhaft königlicher Mantel, der aus einem mit großen Figuren gemusterten persischen Samt wohl aus der Zeit von Shah Abbas (r.1642-1666) gefertigt wurde. Er ist ein Geschenk des russischen Zaren an die schwedische Königin Christina (r.1644-1654) und er ist einem Zustand, als sei er gerade eben vom Coutourier fertig gestellt worden. 5 seitengroße Bilder versuchen, der überwältigenden Schönheit dieser Rarität gerecht zu werden. Weit weniger bekannt als diese klassischen Stücke ist der Teppichschatz aus dem Schloss Skokloster, von dem ein Paar gut erhaltener, so genannter „Polenteppiche“ – benannt nach polnischen Adelspalästen, wo sie zuerst gefunden wurden -, nicht weniger als sieben „Siebenbürger“ – das sind frühe anatolische, für den Export nach Europa bestimmte Teppiche, die sich in großer Zahl in den Kirchen Siebenbürgens erhalten haben -, ein Medaillon-Ushak und ein indo-persischer Teppich, allesamt aus dem 17. oder frühen 18. Jahrhundert und damals bereits für das Schloss erworben, von Alberto Boralevi und von Inger Olovsson (Polenteppiche) vorgestellt werden. Ein weiterer Polenteppich aus dem Hallwyl-Museum – ein großbürgerliches Stockholmer Stadtpalais aus der Zeit um 1900 mit originaler Einrichtung und vielen Teppichen (vgl. die Besprechung des Kataloges, hier zu finden unter dem Stichwort „Hallwyl Collection“) – besticht durch seine für diese Polenteppiche ungewöhnlich farbfrische Erhaltung. Ein bedeutendes und großes türkisches Zelt des 17. Jahrhunderts erinnert schließlich an den schwedischen Beitrag zum Sieg über das osmanische Heer vor Wien im Jahre 1683. Zentraler und wichtigster Teil des Kataloges sind dann aber die Beiträge in Wort und Bild zu skandinavischen Teppichen und Textilien des 17. bis 20. Jahrhunderts. Einer norwegischen Tapisserie des 17. Jahrhunderts, die in vier, durch geometrisch gestaltete Bordüren und ein Schriftband getrennten Szenen die Anbetung des Christuskindes durch die drei Heiligen Könige und dann Caspar, Melchior und Balthasar jeweils einzeln zu Pferde darstellt, einer Gruppe früher Rya, locker geknüpfter, langfloriger Schlafteppiche des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts und einigen Beispielen der schwedischen Textilkünstlerin Marta Maas-Fjetterström, einer schwedischen Vertreterin der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung und des zentraleuropäischen Jugendstils, folgt eine repräsentative, knapp 30 Beispiele umfassende Sammlung volkstümlicher schwedischer Flachgewebe, Tapisserien, Knüpfarbeiten und Stickereien des 18. und frühen 19. Jahrhunderts aus privaten Sammlungen. Diese außerhalb Schwedens nur wenig bekannte Textilkunst beeindruckt durch ihre Vielfalt, ihren unverwechselbaren Stil und die ästhetische und technische Qualität. Bemerkenswert und vorbildlich ist hier die fast jedem Stück zugeordnete, exakt einen Ausschnitt von einem qdm zeigende Fotografie der Rückseite in Originalgröße. Das Buch schließt mit zwei Dutzend orientalischer Teppiche aus schwedischen Privatsammlungen, ein Potpourri der Knüpfkunst von Westanatolien bis nach Beludschistan, das von dörflichen und nomadischen Teppichen des 17. und 18. Jahrhunderts bis zu persischen Manufakturarbeiten des frühen 20. Jahrhunderts reicht. Dass in einem Buch dieser Art Strukturanalysen jedes einzelnen Stückes und Literaturhinweise nicht fehlen, bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Die vorbildliche Präsentation von über 80 Teppichen und Textilien mit zahlreichen ergänzenden Illustrationen tröstet darüber hinweg, dass eine bemerkenswerte Ausstellung zentralasiatischer Knüpfarbeiten und Stickereien keine Aufnahme in das Buch fand.

Das Buch kann zum Preis von SEK 395,00 zuzüglich Porto und Verpackung bei Anette Granlund, anette.granlund@bukowskis.com, bestellt werden.

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