Peruvian Featherworks – Art of the Precolumbian Era

Autor/en: Heidi King
Verlag: The Metropolitan Museum of Art – Yale University Press
Erschienen: New York – New Haven – London 2012
Seiten: 332
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: USD 60,00
ISBN: 978-0-300-16797-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2013

Besprechung:
Eine üppige Federstola, entworfen von Modezar Karl Lagerfeld für das Luxuslabel Chanel war einer der Höhepunkte der jüngsten Pariser Fashion Week und ist ein aktuelles Beispiel dafür, dass Federn auch in unserer modernen Zeit ihrer Schönheit wegen hoch geschätzt werden. Überall in der Welt und in allen Kulturen nutzen und nutzten die Menschen das bunte Kleid der Vögel, um sich damit zu schmücken oder sich der faszinierenden Ausstrahlung von Federn für Ritual und Kultus zu bedienen. Farbe und Vielfalt waren dabei abhängig von der jeweiligen Vogelpopulation. Der Federschmuck der Inuit und anderer arktischer Völker – es gibt ihn tatsächlich, denn die arktischen Regionen sind besonders reich an Vogelarten – unterscheidet sich beispielsweise deutlich von dem äquatorialafrikanischer Stämme. Besonderns bunt und farbenreich sind mit Federn geschmückte Kleidung und Kopfbedeckungen der Eingeborenen aus Ozeanien oder Neu-Guinea, wie man sie in vielen ethnographischen Museen sehen kann. Doch ob aus der Arktis, aus Afrika oder aus Ozeanien, die musealen Exponate weisen stets nur in die jüngere Vergangenheit. Federn sind vergänglich und nur wenig Federobjekte sind älter als einhundert Jahre. Eine Ausnahme aber gibt es. Der Gebrauch von Federn für Bekleidung, Kopfschmuck, Ornament und Ritualobjekte in einzigartiger Vielfalt, Farbenpracht und künstlerisch-handwerklicher Perfektion kann in dem südamerikanischen Andenstaat Peru jedenfalls bis ins zweite Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung nachgewiesen werden. Dafür gibt es zwei Gründe und beide haben mit den klimatischen Bedingungen zu tun: So gut wie alle präkolumbianisch-peruanischen Kulturen von den Paracas bis zu den Inka erstreckten sich von den extrem trockenen Wüstenregionen am Pazifik über das fruchbare Hochland und die hohen Berggipfel der Anden bis in die amazonischen Berg-, Regen- und Nebelwälder. Und so kommt es, dass Peru den größten Artenreichtum an Vögeln weltweit aufweisen kann. Über 1.800 Arten, mehr als in Nordamerika und Europa zusammen vorkommen, haben Ornithologen bis heute in Peru gezählt. Kein Wunder daher, dass präkolumbianische Federarbeiten, die sich in trockenen Wüstengräbern oder in Mumienbestattungen im Permafrost der Andengipfel erhalten haben zum Schönsten und Faszinierendsten zählen, was je aus Federn hergestellt wurde. Doch so schön und faszinierend sie auch sind, man weiß nur wenig über diese, aufgrund ihrer Grundstruktur den Textilien zugeordneten Kunstwerke. Im Gegensatz zu den trotz ihres hohen Alters recht häufigen und gut erforschten präkolumbianischen Web- und Stickarbeiten sind Federarbeiten aus jener Zeit selten. Und da sie fast nie aus kontrollierten archäologischen Grabungen stammen, umgibt sie viel Geheimnis. Literatur zur Kunst frühperuanischer Federtextilien ist daher dünn gesät, sieht man von dem 2005 in kleiner Auflage bei Textile Art Publications erschienenen, sehr teuren Prachtwerk von James W. Reid einmal ab. So kann das soeben erschienene, von der Südamerikaexpertin des Metropolitan Museum of Art in New York herausgegebene Buch über peruanische Federarbeiten aus präkolumbianischer Zeit mit Fug und Recht ab sofort als das maßgebende Standardwerk zu dieser außerordentlichen Kunstform bezeichnet werden. In einem ausführlichen, einleitenden Kapitel wird von der Autorin der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Forschung wiedergegeben und in weiteren Essays werden technische Details der Herstellung, insbesondere also die komplexe Verankerung der Federn im textilen Grundgewebe und Konservierungsfragen erörtert und vor allem eine Anzahl archäologischer Entdeckungen der letzten Jahre vorgestellt. Da es aus präkolumbianischer Zeit keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt, die nur am Gold der Inkas interessierten spanischen Konquistadoren keine Feldarbeit leisteten und in spanische Kunstkammern gelangte und als Kuriositäten bewunderten Beispiele dieser Kunst längst verfallen und verrottet sind, weiß man kaum mehr als die Objekte selbst erzählen. Die gesellschaftliche, spirituelle oder religiöse Funktion dieser wohl nur einer säkularen oder sakralen Oberschicht vorbehaltenen Luxustextilien bleibt offen. Sich aufdrängende Fragen, ob die Federn bestimmter Vögel, ob wiederkehrende Muster oder Dekore mythologische Bedeutung oder amuletthafte Funktion hatten, ob das Tragen von Federtuniken nur dem Luxusbedürfnis und der Repräsentation der Herrschenden diente oder an Rituale und rituelle Regeln gebunden war, werden wohl nie wirklich beantwortet werden können, eine gewiss bedauerliche Tatsache, die aber durch die ästhetische Qualität dieser Kunstwerke in den Hintergrund tritt. Fast 70 Beispiele dieser Federarbeiten aus peruanischen, US-amerikanischen, kanadischen und europäischen Museen, viele davon bisher noch nie publiziert, werden im Tafelteil abgebildet und von der Autorin beschrieben, zugeordnet und datiert. Die bildhaften oder abstrakten Kompositionen, die Kombinationen leuchtender starker Farben – neben vielen andern mit ihren Federn vertretenen Vogelarten sind hier die bunten, südamerikanischen Regenwaldpapageien besonders hervorzuheben -, sind diese Kreationen Vorboten dessen, was Jahrhunderte später „moderne Kunst“ genannt werden wird. Die anonymen Künstler präkolumbianischer Federarbeiten besaßen einen erstaunlichen Sinn für Design und für die Kombination von Farben und Flächen. Bildideen eines Paul Klee, Piet Mondrian, Marc Rothko und anderer mehr, sind hier bereits vorweggenommen. Die beinahe suggestive Kraft dieser Federbilder macht fast verständlich, dass die fanatischen spanischen Katholiken, die den Konquistadoren folgten, den Federkult als magischen Fetischismus und als Gefahr für den rechten Glauben verteufelten und alsbald Herstellung und Gebrauch von Federarbeiten untersagten. So fand eine mehrtausendjährige Tradition im 16. Jahrhundert ein jähes Ende. Was davor war, ist in dem Buch von Heidi King bestens dokumentiert.

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