The Sultan´s Garden – The Blossoming of Ottoman Art

Autor/en: Walter B. Denny, Sumru Belger Krody
Verlag: The Textile Museum
Erschienen: Washington D.C. 2012
Seiten: 192
Ausgabe: Hardcover und Softcover
Preis: USD 100,00 (Hardcover), 50,00 (Softcover)
ISBN: 978-0-87405-036-3 (Hardc.), 978-0-87405-037-0 (Softc.)
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2013

Besprechung:
Es war in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als eine Gruppe junger Türkei-Freaks den Reiz und die Ästhetik anatolischer Kelims entdeckten. Angetan hatten es ihnen vor allem die oft mit Haken versehenen, großflächigen abstrakt-geometrischen Muster der bald als Kultkelims bezeichneten Flachgewebe. Es lag nahe, hinter diesen rätselhaften Motiven eine über ihre Ästhetik hinausgehende Bedeutung zu vermuten und so fanden die Theorien des britischen Archäologen James Mellaart über den neolithischen Ursprung dieser Kelimmuster einen fruchtbaren Boden. Mellaart hatte in den frühen 60er Jahren in Anatolien etwa 50 Kilometer südöstlich von Konya die steinzeitliche Stadtsiedlung Catal Hüyük ausgegraben, die etwa in die Zeit um 6000 v.Chr. datiert werden konnte. Es waren die von ihm dort entdeckten Wandzeichnungen von Göttinnen, Leoparden und Vögeln, die Mellaart und nach ihm viele Experten in den Kelimmustern des 18. und 19. Jahrhunderts wieder zu entdecken glaubten und die Theorie von dem in den Kelims weiterlebenden Muttergöttinnenkult begründeten. Auch das dekorative und in vielen Regionen Anatoliens in mancherlei Variationen in Kelims gefundene elibelinde-Muster wurde wegen Ähnlichkeiten mit Wandgestaltungen aus Catal Hüyük als die Darstellung einer Göttin und von anderen auch als Symbol der Wiedergeburt interpretiert. Starke Zweifel an diesen Theorien hat es immer gegeben aber kaum ein Wissenschaftler hat so deutlich wie Walter Denny zum Ausdruck gebracht, dass die bloße Ähnlichkeit von Mustern ein sehr schwaches Argument ist, wenn , wie hier, eine Zeitspanne von rund achttausend Jahren zur Debatte steht. In ihrem, eine Ausstellung im Washingtoner Textile Museum (bis zum 10. März 2013) begleitenden Buch zeigt nun das Autorenteam Walter Denny und Sumru Krody in Wort und Bild und völlig überzeugend, dass das elibelinde-Muster nichts anderes ist als die stilisierte Darstellung einer osmanischen Nelke. Es gäbe auch nicht ansatzweise einen kunsthistorischen Anhaltspunkt oder auch nur die Spuren eines Beweises dafür, dass das elibelinde-Motiv irgendeine prähistorische Gottheit, sei sie weiblich oder männlich, zum Vorbild hat. Die stilisierte osmanische Nelke im anatolischen Kelim ist vielmehr ein schönes Beispiel dafür, wie sich der am osmanischen Hof um die Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelte florale Stil bis in die bäuerlichen und nomadischen Gesellschaften des ganzen Reiches verbreitet und über Jahrhunderte, ja sogar bis heute, Kunst und Kunsthandwerk geprägt hat. Ausstellung und Buch haben sich zum Ziel gesetzt, Ursprung, Entwicklung und Verbreitung dieses osmanischen Floralstils seit dem Jahr 1550 mit wichtigen und schönen Beispielen aus der Textilkunst darzustellen. Zu sehen sind fünf Dutzend Gewebe, Stickereien, Kelims und Teppiche, die das Standardrepertoire dieses floralen Stils, Nelken, Tulpen, Hyazinthen und Rosen in ihrem ganzen Variationsreichtum präsentieren. Frühe mit Gold- und Silberfäden durchwirkte Stoffe von höfischen Webstühlen in Istanbul, Samte aus Bursa, ein zauberhaftes Teppichfragment aus Kairo, gestickte Decken und Wandbehänge aus dem 17. Jahrhundert, Teppiche aus Karapinar und Konya, Yastiks und zum Gebet bestimmte Kelims und Teppiche von Ladik bis Ostanatolien bis hin zu Beispielen des floralen osmanischen Stils von der griechischen Inseln, Indien und Polen, alles Objekte aus den Beständen des Textile Museum und einiger privater Sammlungen, bilden ein sehenswertes Kaleidoskop dieses zu seiner Zeit so revolutionären floralen Stils. Doch nicht nur die gezeigten Beispiele, auch der einführende Text hält, was die Autoren versprechen. Natürlich gab es Vorläufer dieser stilistischen Revolution. Von chinesischen Vorbildern inspirierte Blattranken mit Lotosblüten, florale Illuminationen von Miniaturen und italienische Samte mit Blumenmustern, wie man sie auf manchen Renaissance-Portraits bewundern kann, wiesen zwar schon den Weg, aber die Hinwendung zur naturalistischen Blumendarstellung kam dann um 1550 unvermittelt plötzlich und ist wohl vor allem zwei Personen zu verdanken. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Rüstem Pascha brachte es nicht nur zum Großwesir und Schwiegersohn von Sultan Suleiman dem Prächtigen (1529-1566), sondern auch zu großem Reichtum. Er ordnete die Staatsfinanzen und war Mäzen des genialen Hofkünstlers Kara Memi. Illuminationen von der Hand Kara Memis, vor allem aber der in Iznik hergestellte und von ihm dekorierte Fliesenschmuck von Rüstem Paschas Privatmoschee in Istanbul sind erste und glänzende Beispiele dieses neuen osmanischen Hofstils, der sich dank der Patronage von Rüstem Pascha rasch und in praktisch allen Medien der Kunst und des Kunsthandwerks durchsetzte und in Textilien und Teppichen seine vielleicht deutlichste und nachhaltigste Ausprägung fand. Die mehr oder weniger rasche Verbreitung des neuen floralen Stils in allen Gesellschaften und allen Regionen des osmanischen Reiches werden ebenso behandelt, wie der Einfluss dieses Stils auf europäische Produktionen. Drei Seidenschärpen mit naturalistischen Blumenbuketts, wie sie in polnischen Manufakturen im 18. Jahrhundert nach persischen und osmanischen Vorbildern gewebt wurden, stehen dann auch konsequent am Ende dieser opulenten Schau. Es versteht sich, dass jedes der vorgestellten Stücke mit einer detaillierten Struktur- und Materialanalyse von Sumru Krody versehen ist, dass ein ausführlicher Index das Buch auch zum Nachschlagewerk macht und dass eine Bibliographie zum weiteren Studium osmanischer Textilkunst einlädt.

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