Exquisite Fabrics – Traditional Weaving and Embroidery Patterns in China

Autor/en: Gao Chunming
Verlag: Shanghai Fine Art Publisher – Better Link Press
Erschienen: Shanghai – New York 2010
Seiten: 652
Ausgabe: Seidenband im Schmuckschuber
Preis: USD 250.–
ISBN: 978-1-60220-001-2
Link: www.anttiquecc.com
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2011

Besprechung:
Während die „Elgin-Marbles“ in der Kunstgeschichte ein stehender Begriff sind, spricht niemand von den „Elgin-Silks“. Und doch gibt es zwischen den vom 7. Earl of Elgin nach London gebrachten Marmorfriesen des Parthenon und dem sensationellen Auftauchen kaiserlicher chinesischer Seiden in Europa einen Zusammenhang. Der Sohn jenes vielleicht berühmtesten Kunsträubers der Geschichte, John Bruce der 8. Earl of Elgin, war im zweiten chinesischen Opiumkrieg britischer Hochkommissar für China und zwang China mit Waffengewalt zu erheblichen Zugeständnissen. Nachdem aber der chinesische Kaiser Xiangfeng mit dem Vollzug des Vertrages von Lord Elgin beauftragte Abgesandte hinterhältig gefangen gesetzt, gefoltert und hingerichtet hatte, ordnete Elgin im Oktober 1860 eine Strafexpedition an, die den legendären kaiserlichen Sommerpalast vollständig plünderte und in Schutt und Asche legte. Durch diesen aus heutiger Sicht barbarischen Akt kamen zum ersten Mal kaiserliche Textilien außer Landes und dem Westen zur Kenntnis. Natürlich waren chinesische Textilien zu jener Zeit bereits seit langem bekannt und wegen ihrer ästhetischen und technischen Qualität begehrt aber dabei handelte es sich in der Regel um für den Export hergestellte Auftragsarbeiten. Die komplexe und geheimnisvolle Symbolik der kaiserlichen Textilien, also der offiziellen und der informellen Roben des Kaisers und seiner Familie, aber auch der Roben eines Heeres von Staatsbeamten aller Rangstufen bis hin zu den Einrichtungstextilien des Palastes, gab dem Kunstmarkt Rätsel auf und so kann das Jahr 1860 auch als der Beginn der Entschlüsselung der Sprache chinesischer Textilien bezeichnet werden. Das nun von Gao Chunming vorgelegte vollständige Bilderlexikon der komplexen und hochentwickelten Sprache chinesischer Textilien kann man wohl als vorläufigen End- und Höhepunkt dieser Entwicklung bezeichnen, denn besser kann man es eigentlich nicht machen. Weit über eintausend technisch und farblich einwandfreie Wiedergaben von Originaltextilien, Gewebe und Stickereien, von der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v.Chr) bis heute, geordnet nach Motiven und Themen, lassen kaum Wünsche und Fragen offen. Nehmen wir als Beispiel den vielleicht wichtigsten oder jedenfalls umfangreichsten thematischen Bereich dieser Bildersprache, die Tiere und ihre mythischen Entsprechungen. Alleine dem Drachen und seinen Verwandten – der sich im Laufe der Jahrtausende zum wichtigsten Symbol der chinesischen Nation entwickelte – ist ein ganzes Kapitel mit weit über 100 Bildbeispielen gewidmet. Es folgt mit vergleichbarem Umfang der mythische Vogel Phönix mit verschiedenen Abwandlungen, um dann mit all den fliegenden Wesen fortzufahren, die sich zwischen Himmel und Erde tummeln. Adler, Kraniche, Reiher, Pfauen, Enten, Spatzen, Schwalben, Wachteln, Tauben, Elstern, Lerchen, Wildgänse, Möwen, Hühnervögel und nicht zuletzt der Kuckuck finden sich meist in mehreren Varianten aus ganz verschiedenen Zeiten, zusammen mit Erklärungen, in welchem Zusammenhang und mit welcher Bedeutung ihre Darstellungen auf Textilien verwendet wurden. Auch die erdverhafteten Tiere beginnen mit einer Reihe mythischer oder Fabeltiere, wie Kylin, Bixie, Tranlu, Xiexhi und dem drachenähnlichen Dounin, um dann mit all den nützlichen und glückverheissenden Tieren wie Löwe, Tiger, Elefant, Leopard, Pferd, Ziege, Schwein, Hirsch, Hase, Kaninchen, Rind, Maus und Eichhörnchen ein weiteres Kapitel zu füllen. Mit dem Kapitel der Fische und Insekten, darunter Karpfen und Goldfische, Fledermaus, Spinne und Frosch, Libellen, Krabben und allerlei weiterem, schwirrenden, kriechenden und krabbelnden Getier und schließlich dem breiten Thema der Schmetterlinge endet dann die Vorstellung von gewebten und gestickten Wesen aus dem Tierreich. Ähnlich reiche Kapitel sind den Pflanzen und Blumen gewidmet – Päonien, Chrysanthemen und Lotos mögen hier als Beispiele genannt werden -, den figürlichen Mustern mit der Darstellung des Kaisers und der Kaiserin, himmlischen Wesen bis hin zu narrativen und Opernszenen und schließlich religiösen Mustern, unter denen das Swastika, die acht Unsterblichen und die verschiedenen Systeme buddhistischer Symbole breiten Raum einnehmen. Das schier unendliche Feld geometrischer Designs von Diamantmustern aus der Zeit der Zhou-Dynastie (1046-256 v.Chr.) bis zu den phantasiereichen Brokatmustern der Ming- (1368-1644) und der Qing-Dynastie (1644-1911) wird in einem Kapitel behandelt, bevor dann ein besonders typisches chinesisches Thema den Reigen beschließt, nämlich das der allegorischen Muster, bei dem die Kombination verschiedener Symbole und Wesen dem mit diesem Textil Beschenkten, Glück, ein langes Leben, Gesundheit, viel Söhne und auch sonst allerlei Positives verheißen soll. Dem Beginn dieses Reigens vorangestellt sind drei essayistische Kapitel, in denen der Autor die Entwicklung der Techniken des Webens und Stickens in China darstellt, vor allem aber eine gründliche Einführung und Erklärung gibt, wie sich schon früh, ausgehend von der besonderen sozialen Struktur der chinesischen Gesellschaft, einem patriarchalisch geprägten Klan-System, eine verständliche und durch textile Gestaltung sichtbare Symbolsprache für Status und Rang des Betroffenen und für seine Beziehungen zu der ihn umgebenden Umwelt herausgebildet hat. Die mit dem technischen Fortschritt (Web- und Sticktechnik, Entdeckung von Färbedrogen) und vor allem mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung sich ändernden Muster und deren Bedeutungswandel über den Lauf der Jahrtausende werden erläutert und helfen, die Sprache der Textilien zu lesen und zu verstehen. Doch im Vordergrund stehen natürlich die Muster und wir staunen über den schier unglaublichen Reichtum der aus archäologischen Funden stammenden Beispiele aus frühen Zeiten, aus den Dynastien der Streitenden Reiche und der Han-Kaiser, vor allem aber aus der Zeit der Tang-Dynastie (618-907), eine Zeit, die sich vor allem durch zauberhafte, natürliche und in reicher Farbpalette ausgeführte Tierdarstellungen auszeichnet und in der der ganze Kosmos der chinesischen Symbolsprache bereits vollkommen präsent scheint. Und nicht minder staunen wir über die Literaten-Dynastie der Song (969-1279), in der unendlich feine Bilder von Vögeln und Pflanzen naturgetreu mit der Nadel „gemalt“ wurden. Die aus diesem Staunen sich aufdrängende Neugier, wo alle diese textilen Kostbarkeiten gefunden wurden, wo sie verwahrt werden, Fragen auch nach ihren Maßen und ihrer genauen textilen Struktur, bleiben leider unbeantwortet. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, auch diese Informationen in den fast 11 Pfund Buch noch unterzubringen, vielleicht gar unter Einsparung dessen, was nach chinesischem Geschmack an dekorativem Beiwerk für ein repräsentatives Buch unverzichtbar scheint. Doch abgesehen von diesem Zuviel an Design ist neben seinem reichen Inhalt auch die handwerkliche Qualität dieses Lexikons der textilen Symbolsprache Chinas einwandfrei, ein Buch also, das man immer wieder und gerne zur Hand nehmen wird. (Vertrieb für Europa: Antique Collectors´ Club Ltd., Woodbridge Suffolk, Email: info@antique-acc.com)

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