Visions of Nature – The Antique Weavings of Persia

Autor/en: James D. Burns
Verlag: Umbrage Editions
Erschienen: New York 2010
Seiten: 384
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 225,–
ISBN: 978-1-884167-23-2
Link: www.hali.com
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2012

Besprechung:
Die 7,2 Millionen Euro, die ein gut erhaltener persischer Vasenteppich aus dem 17. Jahrhundert am 10. April 2010 bei Christie´s erzielte, mögen das kaum wiederholbare Ergebnis eines Bietgefechts arabischer Öl- und Erdgasmultis gewesen sein. Die Höhe des Erlöses ist aber auch eine Bestätigung der Tatsache, dass persische Teppiche aus den Manufakturen der Safawiden als ein Höhepunkt dieser Kunstform gelten. Beschränkte sich aber der Besitz solcher Kostbarkeiten im 16. und 17. Jahrhundert in Europa auf die Creme der Gesellschaft, so bewirkten Industrialisierung und neuer Reichtum im Verein mit den Exportbemühungen der Qajaren-Dynastie im späten 19. und bis ins 20. Jahrhundert eine Renaissance persischer Knüpfkunst. Die im Auftrage westlicher Einkäufer in Heriz, Bidjar, Saruk und Keshan geknüpften Einrichtungsteppiche für europäische und amerikanische Villen und Stadtwohnungen erreichten zwar längst nicht mehr das Niveau früherer Jahrhunderte, führten aber doch dazu, der der Name „Perser“ zum Synonym für den Orientteppich schlechthin wurde. Doch was war dazwischen, also in der Zeit seit dem Untergang des Safawidenreiches am Anfang des 18. Jahrhunderts (1722) und dem späten 19. Jahrhundert, als der Westen den Teppich wiederentdeckt hatte? Cecil Edwards vertrat in seinem 1953 erschienenen Standardwerk zum persischen Teppich des 19. und 20. Jahrhundert die Auffassung, dass in jener dunklen, politisch wechselhaften und wirtschaftlich unstabilen Zeit das Knüpfhandwerk nahezu ganz zum Erliegen gekommen war. Es widerspricht aber jeder Logik, so kontert der Sammler James D. Burns, dass die dörflichen und städtischen Weber Persiens eine seit Jahrhunderten oder gar seit prähistorischen Zeiten gewachsene Tradition, und sei es auch nur vorübergehend, eingestellt haben. Das Buch seiner Sammlung ist denn auch der beste Beleg für das kontinuierliche Fortbestehen alter Knüpftraditionen in allen Regionen und in allen Volksschichten Persiens. Jim Burns, erfolgreicher Anwalt aus Seattle, hat in mehr als fünfzig Jahren eine in ihrer Breite und Tiefe repräsentative wie auch in der Qualität einzigartige Sammlung persischer Teppiche und Flachgewebe aus dieser von der Teppichwissenschaft bisher vernachlässigten Zeit im 18. und 19. Jahrhundert aufgebaut. Einen ersten Teil dieser Sammlung, die Teppiche der Kurden, hat Burns bereits im Jahre 2002 publiziert (Antique Rugs of Kurdistan, London 2002), darunter die farbenprächtigen und qualitativ hochwertigen Teppiche aus Sauj Bulagh, einer Region um die gleichnamige kurdische Stadt (heute Mahabad) an den nordöstlichen Ausläufern des Zagros-Gebirges. Das neue Buch im identischen großzügigen Format und wiederum nobler Gestaltung und Ausstattung knüpft mit dem ersten Kapitel über Nordwest-Persien oder Azerbaijan (Täbris, Heris, Bakschaich, Shasevan) genau hier an, um dann mit den weiteren Abschnitten eine Teppichreise zu beginnen, die im Uhrzeigersinn in den Norden (Rascht, Veramin, Khorassan, Belutsch-Stämme), in den Süden (Afschar, Kirman, Yazd), den Südwesten (Kamseh-Konföderation, Qashqa´i, Luren), den Westen (Bachtiaren, Hamadan, Malayer) und schließlich in das Zentrum des Landes (Isfahan, Joshogan, Keshan) führt. Bereits diese Aufzählung der Knüpfzentren und Regionen macht deutlich, dass hier ein Kompendium persischer Webkunst vorliegt, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. 130 ganzseitig in ausgezeichneter Farb- und Druckqualität wiedergegebene Teppiche, Flachgewebe sowie einige weitere Textilien, fast alle nicht für den Export sondern zum eigenen Gebrauch gewebt, zeigen ein verblüffend weites Spektrum unterschiedlichster Muster und Designvarianten. Burns hat sich nicht, wie das viele Sammler tun, auf einen bestimmten Stamm oder einen Typ von Geweben beschränkt; seine Sammlung umfasst gleichermaßen nomadische, meist kleinformatige Gebrauchstextilien, wie etwa die Webtaschen der Shasevan, dörfliche Arbeiten meist mittleren Formats aber auch Luxusteppiche aus städtischen Manufakturen. Und gerade unter diesen, schon wegen ihrer Größe nur selten in Sammlungen anzutreffenden Teppichen, sind wahre Meisterwerke zu entdecken, etwa der in das späte 17. Jahrhundert datierte, durch seine glühenden Farben und das großzügige Arabeskenmuster gleichermaßen begeisternde Blütenteppich aus Azerbaijan, der aus der Bernheimer-Sammlung stammende Gartenteppich aus Khorassan und ein Khan-Teppich der Qashqa´i, beide mit knapp 5 Metern Länge gewiss für machtvolle Auftraggeber bestimmt. Alle Objekte stammen aus jener bereits zitierten Zeit vom Ende der Safawidendynastie bis zur exportorientierten Renaissance der Teppichproduktion am Ende des 19. Jahrhunderts, in der aus politischen und ökonomischen Gründen keine fremden Einflüsse das Design der Teppiche bestimmten. Mehr als in den höfischen Teppichen der Safawidenzeit und erst recht mehr als in der Exportware aus späterer Zeit spiegeln daher die kraftvollen Muster das gestalterische Erbe ihrer Schöpfer, sind „Visionen der Natur“, was dem Buch seinen Namen gab. „Visions of Nature“ ist damit – ebenso wie seinerzeit das Buch über kurdische Teppiche – ein äußerst wertvolles Dokument zum persischen Teppich, das eine Lücke füllt. Es füllt sie umso mehr als Burns in seinem Bestreben, sowohl typische als auch ungewöhnliche Stücke und bevorzugt die jeweils Besten ihrer Gruppe zu finden, eine Sammlung aufgebaut hat, wie sie in dieser Form und Zusammenstellung kein zweites Mal geschaffen werden könnte. Hinzu kommt ein reicher Schatz an Wissen und Erfahrung, ein mehr als 50 Jahre währendes leidenschaftliches Streben nach Erkenntnis und vor allem auch die Fähigkeit, den ethnischen, historischen und politischen Kontext, in dem diese Teppiche entstanden sind, lebendig darzustellen. Dieses reiche Wissen und der perfekte und selbstbewusste Umgang mit Sprache kommt auch den Beschreibungen der einzelnen Teppiche zugute. So ist es vergnüglich und lehrreich zugleich, diese ganz subjektiv gehaltenen aber dennoch exakten Beschreibungen jedes der Objekte zu lesen, die mit Hinweisen auf Vergleichsstücke, auf die Literatur und oft auch auf die Herkunft und Geschichte des Teppichs Fenster zur Sammlung und zur Person des Sammlers öffnen. Jim Burns Buch über eine wenig bekannte und bisher kaum erforschte Periode persischer Knüpftradition ist damit zugleich ein Beleg dafür, welch wichtige Beiträge engagierte Sammler für die Teppichwissenschaft zu leisten vermögen. Den etwas leichtfertigen Umgang mit den Ergebnissen der Altersbestimmung mittels der C-14-Methode – eine Altersangabe wie etwa „1690 plus/minus 15 Jahre“, wie man sie bei dem Blütenteppich aus Aserbaijan findet, gibt die Methode bekanntlich gerade für diesen Zeitraum nicht her – wird man Jim Burns daher gerne nachsehen.

Das Buch ist auch über den Book-Shop von HALI zu beziehen.

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