Womens Costume of the Late Ottoman Era from the Sadberk Hanim Museum Collection

Autor/en: Lale Görünür
Verlag: Vehbi Koc Foundation – Sadberk Hanim Museum
Erschienen: Istanbul 2010
Seiten: 300
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: USD 80.–
ISBN: 978-975-6959-35-0
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2010

Besprechung:
Wie sich die Könige und Fürsten längst vergangener Reiche und Dynastien kleideten, wissen wir meist nur aus Bildern und Beschreibungen, denn die Originale erlitten in der Regel das Schicksal jeglicher Bekleidung. Sie wurden getragen, verschlissen, dem Verfall preisgegeben und im besten Fall einer Zweitverwertung, zum Beispiel in kirchlichen Paramenten, zugeführt. Doch von diesem Normalschicksal majestätischer Kleidungsstücke gibt es eine bedeutende Ausnahme: Beim Tode eines osmanischen Sultans wurden seine Kleider sorgfältig gebündelt, mit Etiketten versehen und fortan im Hofschatz verwahrt. Diesem, schon von Mehmed II (reg. 1451-1481) eingeführten Brauch ist es zu verdanken, dass das Topkapi Serai Museum in Istanbul über 1.500 Bekleidungsstücke und Accessoires osmanischer Sultane, darunter alleine 500 Kaftane und dazugehörende Untergewänder besitzt. Sie sind ein einzigartiges Dokument nicht nur der Kunst der Seidenweber von Bursa und Istanbul, sondern auch der Prachtliebe orientalischer Herrscher und des einzigartigen, durch große florale Muster und klare, leuchtende Farben geprägten osmanischen Dekorationsstils, der im 16. und 17. Jahrhundert seine Blütezeit hatte. Frauengewänder hingegen sind in diesem Bestand nur wenige zu finden, denn eine Sultanin, deren Kleider man achtungsvoll verwahrt hätte, hat es nie gegeben. Die wenigen Frauen- und Mädchenkleider in diesem Staatsschatz sind aus späterer Zeit, überwiegend aus dem 18. Jahrhundert und zeigen bereits eine Abkehr vom osmanischen Stil. Einflüsse aus dem Iran und aus Europa ließen die Muster kleinteiliger werden, Streifen kamen in Mode und die Verzierung mit Goldstickerei gewann an Bedeutung. Exakt bis in die gleich Zeit, also bis ins 18. Jahrhundert, reichen die frühesten Frauengewänder der Sammlung des Sadberk Hanim Museums zurück, die derzeit (bis zum 7. November) in einer Ausstellung zum 30-jährigen Jubiläum dieses Museums zu sehen sind. Der Kern dieser Sammlung von Frauengewändern, die einschließlich der Accessoires wie Schuhe, Schirme, Fächer, Taschen und dergleichen etwa 1.200 Stücke umfasst, geht auf die Sammeltätigkeit von Sadberk Hanim, der Frau des türkischen Industriellen und Gründers des Museums Sadberk Koç zurück. Sadberk Hanim hat schon früh damit begonnen, Bekleidung und Stickerei zu sammeln und vermöge ihrer gesellschaftlichen Stellung konnte sie eine repräsentative Sammlung prachtvoller und bestens erhaltener Frauengewänder der türkischen, gehobenen Gesellschaft vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert zusammentragen. Der schöne Katalog präsentiert in perfekten Aufnahmen auf schwarzem Grund 81 Gewänder und Schuhe und dokumentiert vor allem die etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende, fast dramatische zu bezeichnende Entwicklung, wie sich das orientalische Gewand unter dem zunehmenden Einfluss europäischer Mode wandelt, um sich schließlich von dieser fast nicht mehr zu unterscheiden. Das traditionelle osmanische Kostüm, der knöchellange und vorne offene, über einem Untergewand getragene Entari, wurzelt in alter zentralasiatisch-türkischer Tradition. Nicht der raffinierte Schnitt macht das Wesen dieser Bekleidung aus, sondern Stoffmuster, Farben und Stickerei, Ornament und Verzierung. Mit dem zunehmenden europäischen Einfluss im 19. Jahrhundert und dem stark zunehmenden Tourismus wandelte sich das Bild. Europäische Geschäfte für Mode und Accessoires eröffneten Filialen in Beyoglu, und unter vermögenden Türkinnen wurde die Einkaufsreise nach Paris en vogue. Das Korsett hielt Einzug in die türkische Modewelt und die Nähmaschine, die das osmanische Reich etwa 1870 erreichte, beschleunigte diesen Prozeß. Anfang des 20. Jahrhunderts war in der besseren Gesellschaft in Istanbul und in anderen städtischen Zentren der Türkei das auf die Figur geschnittene Schneiderkostüm zur Regel geworden. Einen im Katalog durch zahlreiche hervorragende Beispiele bestens dokumentierten Übergang bilden die durch schwere Gold- und Silberstickerei verzierten Roben aus dunklem Samt, eine Spätform osmanischer Textilkunst, wie man sie auch von anderen Arbeiten, etwa von Wandbehängen und anderen Textilarbeiten kennt. Dieser optische Reigen durch zwei Jahrhunderte türkischer Kostümkunde wird von einem einführenden Text begleitet, der neben türkischen Quellen, etwa dem berühmten Kostümalbum des osmanischen Hofmalers Levnî, vor allem die zahlreichen, von europäischen Reisenden seit dem 18. Jahrhundert veröffentlichten Reiseberichte und Kostümalben auswertet. Es waren in erster Linie europäische Frauen, die ausführlich und detailgetreu über die türkische Mode ihrer Zeit berichteten. Im 18. Jahrhundert war es Lady Montague, im frühen 19. Jahrhundert Julia Pardoe, in der Mitte des Jahrhunderts die Baronesse De Fontmagne und eine Mrs. Max Müller im ausgehenden 19. Jahrhundert. Alle vier hatten zu ihrer Zeit Zugang zu den Harems und befriedigten in Berichten und Briefen die westliche Neugier auf diese meist unzugänglichen Bereiche orientalischer Kultur. Ein weiterer Essay befasst sich mit der Entwicklung dieser bedeutenden privaten Sammlung von Kostümen aus der Spätzeit des osmanischen Reiches. Für Historiker, Kostümforscher, Modeschöpfer, Stickereibegeisterte und alle an schönen Textilien und Stoffen Interessierten verschafft der schöne Katalog einen anregenden Einblick in einen Teilaspekt aus der Spätzeit des osmanischen Reiches.

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