Schätze der Weltkulturen – The British Museum

Autor/en: Elisenda Vila Llonch
Verlag: Bundeskunsthalle, British Museum Press
Erschienen: Bonn London 2012
Seiten: 224
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 33,00
ISBN: keine Angabe
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2013

Besprechung:
Die Raritäten- und Kuriositätenkabinette sammelbesessener Fürsten, einst als unwissenschaftliches Sammelsurium belächelt, sind längst als Kunst- und Wunderkammern Bestandteil der Museumsfrühgeschichte geworden. Objekte aus solch wundersamen Sammlungen, Nautiluspokale, gefasste Straußeneier, Narwalzähne, Elfenbeinschnitzereien und vieles andere mehr, erfreuen sich auf dem aktuellen Kunstmarkt steigender Beliebtheit, und die seltenen, in ihrem Bestand weitgehend erhaltenen oder wieder hergestellten Kunst- und Wunderkammern wie das Grüne Gewölbe in Dresden, die Schätze Herzog Albrechts V auf der Burg Trausnitz oder die staunenswerten Objekte von Schloss Ambras bei Innsbruck sind jede Reise wert. Kaum bekannt, aber nach dieser Einleitung auch kaum verwunderlich ist, dass das erste staatliche und vielleicht auch das größte Museum der Welt aus einer solchen privaten, noch ganz dem Sammlungsgedanken der Spätrenaissance und des Barock verhafteten Raritätenkollektion hervorgegangen ist. Die Rede ist vom British Museum, das im Jahre 1753 durch einen Parlamentsakt gegründet wurde. Es war das Todesjahr von Sir Hans Sloane (1660-1753), einem prominenten britischen Wissenschaftler, Arzt, Botaniker und Reisenden, langjährigem Präsidenten der Royal Society und einem leidenschaftlichen Sammler, der seine etwa 80.000 Objekte, von Herbarien über Insekten und Fossilien bis hin zu Münzen, Gemälden, Antiquitäten und Kuriositäten aus aller Welt, von Peru bis China, gegen eine bescheidene, seinen beiden Töchtern zukommende Summe dem britischen Volk vermachte. Aus diesem Anfang ist durch weitere Schenkungen, Vermächtnisse, Ankäufe und gezielte staatliche Sammlungspolitik ein heutiger Bestand von fast 8 Millionen Objekten geworden, der in dem stattlichen Museumsgebäude an der Londoner Great Russel Street in mehr als 90 Besuchergalerien gegen freien Eintritt, wie das von Anfang an beschlossen war, besichtigt werden kann. Ein nur einigermaßen aufmerksamer Besucher benötigt Wochen, wenn nicht Monate, um dies alles zu sehen, geschweige denn zu erfassen. Und so fragt man sich, ob der Versuch der Bonner Bundeskunsthalle, mit einer Auswahl von 250 ausgesuchten Objekten das British Museum vorzustellen (bis zum 7. April), nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist? Nehmen wir ein Beispiel: Der Bestandskatalog des British Museum allein für chinesisches Porzellan der Ming-Dynastie (1368-1644) ist ein Buch mit 640 Seiten und mehr als 1100 Abbildungen. Für das alles steht in Bonn ein einziger, großer, mit einer Komposition von Melonenfrüchten und -Ranken in Blau/Weiß bemalter Teller aus der Zeit des Kaisers Yongle (1403-1424), eine Rarität natürlich, aber wie will sich damit der Zauber und Eindruck der erst vor einigen Jahren neu eingerichteten Galerie chinesischen Porzellans im British Museum vermitteln? Oder: Die eindrucksvollen Hallen des British Museum mit nicht enden wollenden Steinreliefs aus den Reichen der Assyrer, Phönizier und Achämeniden sind in der Bonner Kunsthalle durch einen recht kleinen (58 x 33 cm) Wachsoldaten aus Persepolis vertreten. Die Reihe solcher Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen, was indessen keineswegs als Kritik missverstanden werden darf. Natürlich können die in der Ausstellungsreihe „Große Sammlungen der Welt“ des Bonner Museums nunmehr präsentierten Schätze der Weltkulturen aus dem British Museum nicht den Besuch in London ersetzen, aber sie vermitteln durchaus eine eindrucksvolle Vorstellung von den dort im Laufe eines Vierteljahrtausends gesammelten Schätzen und deren wahrlich unglaublichen Vielfalt. So sieht man etwa die ältesten bekannten Zeugnisse menschlichen Erfindergeistes, Steinwerkzeuge aus Afrika, die eine Million Jahre und noch älter sind, ein einzigartiges Bronzerelief aus dem Königreich Benin des 16. Jahrhunderts, phönizischen Goldschmuck, zauberhafte Netsuke aus Japan, einen der schönsten Buddhas aus Gandhara, präkolumbianische Goldmasken, beschnitzte Schneemesser der Inuit aus Walrosselfenbein, einen bemalten Umhang aus Bisonleder nordamerikanischer Indianer und eine Portraitbüste des Homer aus dem alten Griechenland. Dass das British Museum damit eine fast nach Vollständigkeit strebende Sammlung von Kulturgut erster und repräsentativer Qualität für die gesamte Menschheit sein will und das auch tatsächlich ist, wird durchaus vermittelt. Lassen Sie sich also durch einen Besuch der Ausstellung in Bonn oder durch den Katalog auf den unverzichtbaren und zeitlich ausreichend bemessenen Besuch des British Museum in London einstimmen.

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