Filikli – Moreschini Collection

Autor/en: Chiara Battini
Verlag: asiaoccidentale und Pontecorboli Editore
Erschienen: Florenz 2009
Seiten: 120
Ausgabe: Broschur
Preis: € 32.–
ISBN: 978-88-88461-83-0
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2009

Besprechung:
Das Rätsel um den ersten Teppich werden wir wohl nie lösen. Das älteste bisher gefundene Teppichfragment stammt, radiokarbondatiert, etwa aus dem 6./5. Jahrhundert v.Chr und es lässt den Schluss auf eine sehr sehr viel ältere Tradition zu (Sammlung Katoen Natie). Was davor war ist ausschließlich Vermutung und Spekulation. Die Erfindung der Nadel etwa 20.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung gab den Menschen erstmals die Möglichkeit, Fellstreifen dauerhaft aneinanderzufügen und durch die Wahl unterschiedlicher Farben einfache Muster zu bilden. Waren das die ersten Teppiche? Dass Tierfelle Vorbild für die ersten textilen Teppiche waren ist nahe liegend und das usbekische Wort Dschulchir („Bärenfell“) für zottelige, urige Schlafteppiche mag hierfür eine Bestätigung sein. Doch der Weg vom Fellteppich zum ersten Teppich aus textilem Material war lang. Erst im 5.Jahrtausend v.Chr., so weiss man heute, führten genetische Veränderungen bei domestizierten Schafen und Ziegen zu einem längeren, verspinnbaren Wollvlies und es entwickelten sich die ersten nomadischen Hirtenkulturen. In diese Zeit könnten wohl auch die ersten Versuche datiert werden, Tierfelle aus versponnener Wolle zu kopieren. Die Entdeckung der Färbedrogen und die Entwicklung von Färbetechniken ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten und so mag das erste nomadische Produkt, das wir als Teppich bezeichnen können, von heute aus gesehen vielleicht 6.000 Jahre alt sein. Es besteht wohl keine Hoffnung, hierfür archäologische Beweise zu finden, jedoch haben wir allen Anlass zu der Annahme, dass sich die frühesten Techniken der Teppichherstellung in bis vor wenigen Jahren kaum beachteten, einfachen nomadischen Schlafteppichen bis heute erhalten haben. Die anatolischen Siirt, ostanatolische Zakatalas, die schon erwähnten Dschulchir aus Usbekistan und Afghanistan, Wangden-Dromtse und Tsutruk aus Tibet, persische Gabbehs, Tülü aus der Gegend um Karapinar und Obrok und schließlich die Filikli aus Zentralanatolien rechnen zu diesen zotteligen und langflorigen Produkten, die besser als jeder andere Knüpfteppich dazu geeignet sind, Schutz gegen die Feuchtigkeit des Bodens und die Kälte der Nacht zu gewähren. Das Neue hat nicht immer das Alte verdrängt und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich neben der immer mehr verfeinernden Knüpftechnik für kultische Zwecke oder einfach für wachsende Ansprüche auch einfache und ursprüngliche Methoden unverändert erhielten. Die Vielfalt der bei diesen einfachen Teppichen anzutreffenden Techniken, vor allem der Gebrauch unterschiedlicher Web- und Färbmethoden, lassen sie uns heute als wichtiges Studienobjekt für die vermutete Frühform des Teppichs erscheinen. Und es liegt im Zuge der Zeit, dass auch der ästhetische Reiz dieser einfachen Knüpferzeugnisse geschätzt wird (vgl. Brüggemann, „Die Macht den Einfachen“ in „Der Orientteppich“, Lübeck 2007) und dass sie Objekte der Sammelleidenschaft wurden. Einer dieser Sammler ist Giuseppe Moreschini aus Florenz. Seine eindrucksvolle Sammlung von etwa 40 Filikli, Perde und Tülü wird von der Florentiner Galeristin Chiara Battini in dem vorliegenden kleinen Katalog vorgestellt. Abgesehen davon, dass Literatur zu diesem Thema kaum existiert und jeder Beitrag zu begrüßen ist, unternimmt Battini als erste den wichtigen Versuch, Kriterien der einzelnen Gruppen zu beschreiben, um sie so voneinander abgrenzen zu können. Ganz im Vordergrund stehen hierbei die Filikli, die sich von den anderen Gruppen vor allem dadurch unterscheiden, dass Kette, Schuss – stets viele nebeneinander – und der langhaarige Flor einheitlich aus unversponnener, seidig glänzender Mohairwolle bestehen und dass erst der fertig geknüpfte Filikli als Ganzes im Farbbad gefärbt wird. Diese Monochromie, das dennoch vorhandene Wechselspiel von Farbnuancen und der Glanz der Wolle macht sie in den Augen der Autorin zu textilen Skulpturen. Obwohl sie alle erst im 20. Jahrhundert geknüpft wurden sind die Filiklis Zeugnisse einer in prähistorischer Zeit wurzelnden Tradition, Stammeskunst in puristischer Form und zugleich zeitlose Objekte, die in ihrer ästhetischen Kraft an Bilder von Mark Rothko denken lassen. Die Abwesenheit jeglichen Ornaments und die dadurch fast mythische Bedeutung der Farbe verleihen diesen textilen Objekten einen hohen künstlerischen Wert. Schließlich findet sich in dem Buch neben Kommentaren von Alberto Levi und Alberto Boralevi auch ein wichtiger Beitrag von Elena Tsareva über die historischen Wurzeln der Filiklis, die von ihr aufgrund archäologischer Artefakte bis zu den Sumerern und damit in das dritte Jahrtausend v.Chr. zurückverfolgt werden – quod erat demonstrandum. (Das Buch kann unmittelbar bezogen werden bei Pontecorboli Editore in Florenz, Fax: +39 055 5528456, Mail: info@pontecorboli.it.

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