Färberpflanzen – Anleitung zum Färben – Verwendung in Kultur und Medizin

Autor/en: Eberhard Prinz
Verlag: E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung
Erschienen: Stuttgart 2009
Seiten: 322
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 39,50
ISBN: 978-3-510-65258-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2010

Besprechung:
Der Zauber eines alten Teppichs ist schwer zu beschreiben. Die leuchtenden, harmonischen Farben, die Faszination der Zeichnung, die Schönheit der Musterkomposition und die geheimnisvolle, unergründliche Welt der Musterdeutung, alles zusammen trägt zum Zauber bei. Lässt man das Muster beiseite, bleiben die Farben. Mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass die wahrgenommenen Farben nur das vom Spektrum des Sonnenlichts oder einer anderen Lichtquelle von der verschieden eingefärbten Wolle des Teppichs reflektierte Restlicht ist, das über das Auge in unserem Gehirn den Sinneseindruck der Farben erzeugt, ist dieser Zauber noch nicht erklärt. Was also ist ursächlich für die wohltuende Sanftheit einer Farbe und die vom Zusammenspiel mehrerer Farben vermittelte Harmonie? Die Antwort ist klar: Es sind die aus der Natur gewonnenen Farbstoffe, die die vielfältigen Farben und Farbnuancen alter Teppiche ausmachen, das Ergebnis einer jahrtausendealten Färbekunst. Der überraschende und schier unendliche Reichtum dieser Naturfarben wurde, wie man heute weiß, mit nur wenigen Färbedrogen hergestellt, in denen nicht einmal dreißig verschiedene Naturfarbstoffe enthalten sind – ein Nichts im Vergleich zu den etwa 2000 künstlichen Farbstoffen, die seit William Henry Perkins Synthese des Mauvein, dem ersten Anilinfarbstoff im Jahre 1856 in den Laboratorien der Welt entwickelt worden sind. Und doch begann mit dem Mauvein der unaufhaltsame Niedergang der Naturfärberei, der schließlich dazu führte, dass altes Wissen um die Eignung bestimmter Pflanzen zum Färben und das Know How über die zum Teil hochkomplizierten Verfahren des Färbens mehr und mehr verloren gingen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Naturfarbstoffen begonnen ebenso wie mit dem Versuch, altes Wissen durch Feldforschung aufzufinden, zu dokumentieren und wieder zu beleben. Harald Böhmer und Helmut Schweppe sind hier an erster Stelle zu nennen. Ihre einschlägigen Publikationen sind aber entweder sehr wissenschaftlich und teuer (Schweppe, Handbuch der Naturfarbstoffe, 1993) oder längst vergriffen (Böhmer, Die chemische und botanische Untersuchung der Farben in anatolischen Teppichen in „Teppiche der Bauen und Nomaden in Anatolien, 1980). Das vorliegende Buch von Eberhard Prinz über Färberpflanzen fasst dieses Wissen über etwa 10 Dutzend Färberpflanzen zusammen, erläutert Begriffe und Färbeverfahren und vermittelt auch noch die überraschende Information, dass eigentlich alle Färberpflanzen auch Heilwirkungen besitzen. Besonders hervorzuheben ist, dass jede Pflanze in wundervollen Farbfotografien ganzseitig abgebildet ist und dass konkrete Rezepte für eigene Färbeversuche abgedruckt sind. Dass die Informationen über die Chemie der Naturfarbstoffe eher knapp und pauschal ausfallen, wird den Laien nicht stören. Zum Thema ‚Zauber eines alten Teppichs’ ist hier noch die Information wichtig, dass Färberpflanzen immer eine Reihe verschiedener Farbstoffverbindungen enthalten. Im Ergebnis heißt das, dass Naturfarben aus chemischer Sicht niemals „reine“ Farben sind, sondern zumindest Spuren von anderen Farbstoffen enthalten, die das Färbeergebnis beeinflussen. Es sei hier die These vertreten, dass dieser Farbstoffmix der Färberpflanzen eine wesentliche Ursache für die Schönheit von Naturfarben ist und dafür, dass auch ganz unterschiedliche oder in der Theorie für unser Auge schwer verträgliche Farben dennoch miteinander Farbharmonien bilden können. Und dieser Farbstoffmix, das Nebeneinander verschiedener Farbstoffe in einer Färberpflanze ist nun wieder abhängig von der Jahreszeit der Ernte, dem Standort und den Bodenverhältnissen, dem Alter und dem Entwicklungsstadium der Pflanze. Wenn man dann noch die Faktoren berücksichtigt, die beim komplizierten Färbevorgang das Ergebnis beeinflussen können, als da sind das unterschiedliche Beizen und Vorbeizen des zu färbenden Materials, die Wasserqualität und Wasserhärte, die Menge des verwendeten Pflanzenmaterials, Dauer und Temperatur des Färbevorgangs und anderes mehr, wird vollends klar, dass das Färben mit synthetischen Farbstoffen zwar kalkulierbarer ist aber die niemals Vielfalt der Naturfärberei erreichen kann. Da, wie man lesen kann, sogar das Material der für das Färben verwendeten Töpfe und das jeweils herrschende Wetter – und vielleicht sollte man auch noch die Mondphasen hinzufügen – eine Rolle spielen kann, ist der als Warnung gedachte Hinweis des Autors verständlich, dass beim Färben mit Pflanzenfarbstoffen davon auszugehen ist, dass der bei einem bereits erfolgten Färbevorgang erzielte Farbton selbst bei gleicher Rezeptur kaum wieder reproduziert werden kann. Für das naturgefärbte Textil, hier unseren alten Teppich, verbirgt sich hinter diesem Warnhinweis der so genannte Abrasch, den durch die Verwendung von zu unterschiedlichen Zeiten eingefärbter Wollpartien bedingten Farbwechsel, der, wie der Teppichliebhaber weiß, ganz wesentlich für den Zauber ist, der von dem Teppich ausgeht.

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