´Twixt Art and Nature – English Embroidery from the Metropolitan Museum of Art, 1580-1700

Autor/en: Andrew Morrall, Melinda Watt (Hrsg)
Verlag: Yale University Press
Erschienen: New Haven and London 2008 (2nd edition)
Seiten: XX/308
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 65.–, engl.Pfund 40.–
ISBN: 978-0-300-12967-0
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2009

Besprechung:
Das Metropolitan Museum of Art in New York, gegründet im Jahre 1870, war eines der ersten Museen der Welt, dessen Engagement beim Sammeln, Forschen und Präsentieren nicht allein der Kunst sondern in gleicher Weise dem Kunsthandwerk diente. Gewiss, die schon sehr früh begründeten Sammlungen von Möbeln, Silber, Textilien und anderem Kunsthandwerk waren weniger zum Kunstgenuss als vielmehr, dem Vorbild des South Kensington Museums und anderer zu jener Zeit gegründeten Gewerbemuseen folgend, der Ausbildung von Designern und als Vorlage für industrielle Erzeugnisse bestimmt. Dennoch hat die parallele Ausrichtung des MMA auf Kunst und auf Kunsthandwerk und die weltweite Bedeutung, die dieses Museum dank seines Reichtums, seiner Ausstellungen und seiner Publikationen erlangt hat, mit dazu beigetragen, dass sich die Definition dessen, was man als Kunst bezeichnet im Laufe des 20. Jahrhunderts dramatisch geändert hat. Möglicherweise haben diese Sammlungen des MMA auch den New Yorker Richter Irwin Untermeyer (1886-1973) beeinflusst, der schon als junger Mann ganz gegen den Trend seiner Zeit nicht Bilder und Skulpturen sammelte, sondern sich dem europäischen Kunsthandwerk verschrieb. Irwin Untermeyer wurde zu einem der bedeutendsten amerikanischen Sammler des 20. Jahrhunderts, und seine in großzügigen Schenkungen in das Museum gekommenen Kollektionen von Möbeln, Silber, Keramik und Textilien, darunter eine sehr bedeutende Sammlung englischer Stickereien aus dem 17. Jahrhundert, haben das Metropolitan Museum of Art wesentlich bereichert. „´Twixt Art and Nature – Zwischen Kunst und Natur“, ist eine gemeinschaftliche Publikation des Bard Graduate Center for Studies in the Decorative Arts, Design and Culture und des MMA, die eine Ausstellung (bis April 2009) von etwa 80 herausragenden, bildhaften englischen Stickereien von der späten Tudor- und der Zeit der Stuarts, die meisten davon aus der Sammlung von Irwin Untermeyer, begleitete. Ob diese gestickten Bilder, biblische Szenen zumeist, oft eingebettet in phantastische Landschaften mit reicher Flora und Fauna, nach unserem heutigen Verständnis der Kunst zuzurechnen sind, mag jeder nach seinem Gusto für sich entscheiden; jedenfalls räumen die sorgfältigen wissenschaftlichen Essays mit dem verbreiteten Vorurteil auf, dass es sich hier ausschließlich um Arbeiten weiblichen Hausfleißes handelt, die gelangweilte und von wesentlichen Tätigkeiten in Politik und Wirtschaft ausgeschlossene Mädchen und Frauen in ihren Mußestunden herstellten. Kathleen Staple etwa berichtet in ihrem Beitrag über die Herstellung und den Gebrauch bestickter Kabinettkästchen, Spiegelumrahmungen, Sitzbezüge, Wandbehänge oder Schmuckbehälter, von den vielen Händlern, Handwerkern und Künstlern, die an der Produktion dieser kleinen Meisterwerke beteiligt waren. Da gab es die Lieferanten für Garne, Seide, Perlen und Metallfäden, die Grafikhändler, die die Vorlagen in Form von Stichen lieferten, Zeichner, Polsterer, Lederhandwerker bis hin zum hochprofessionellen Sticker, der im höfischen Auftrag eine repräsentative Wappentasche für das königliche Siegel Georgs I mit plastischen Stickereien versah. Den hohen Stellenwert dieser Fertigkeit mit Nadel und Faden belegen zahlreiche Mustertücher oder Sampler, die in der präsentierten Qualität und sticktechnischen Vielfalt als typisch englische Spezialität gelten können. Während die Urheberinnen diese Sampler meist selbstbewusst mit ihrem Namen versahen, wurden ihre Stickereien fast niemals signiert. Der seltene Glücksfall, dass sich sechs hervorragende Arbeiten über 300 Jahre in einer Familie erhalten haben, überliefert die erstaunliche Tatsache, dass Martha Edlin (1660-1725) diese Kunstwerke im zarten Alter von 8 bis 13 geschaffen hat. Zwei Essays über die bildlichen Inhalte befassen sich mit der sozialen und religiösen Welt Englands und deren Entwicklung vom Ende der Tudors bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert. Szenen aus dem alten Testament, Adam und Eva im Garten Eden, Susanna im Bade oder das Urteil des Salomon, machen im Laufe des Jahrhunderts weltlicheren Darstellungen Platz. Genreszenen und pastorale Landschaften zeigen die Entwicklung von protestantischer Bibeltreue zur weltoffenen Gesellschaft des Commonwealth. Immer aber spielt die Darstellung der Natur eine ganz wesentliche Rolle. Eine reiche florale Dekoration, oft auch bevölkert von Vögeln, Haus-, Wald- und exotischen Tieren, ist Bestandteil fast jeder englischen Stickerei des 17. Jahrhunderts und sie hat eine doppelte Funktion: Die Blumen und Pflanzen sind nicht nur ästhetische Zutat und die mehr oder weniger genaue Wiedergabe beobachteter Natur, sondern Metaphern der Liebe und Ausdruck des protestantischen Verständnisses der Natur als einer Schöpfung Gottes. Die hohe Qualität der wiedergegebenen Stickereien – die Sammlung des MMA dürfte wohl die beste und umfangreichste außerhalb Englands sein – und die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung, machen das Buch über die englische Stickerei des 17. Jahrhunderts zu einem Standardwerk über ein ungemein reizvolles Thema textiler Kunst.

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