Merchants, Princes and Painters – Silk Fabrics in Italian and Northern Paintings, 1300-1550

Autor/en: Lisa Monnas
Verlag: Yale University Press
Erschienen: New Haven und London 2008
Seiten: 408
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: GBP 40.–
ISBN: 978-0300-11117-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2009

Besprechung:
Im Ranking der bestangezogenen Männer und Frauen finden wir heute Boris Becker, Claudia Schiffer und Heidi Klum auf den vordersten Rängen. Schauspieler, Models und Größen aus Sport und Showbusiness prägen die Titelei an Zeitschriftenkiosken und sind modisches Vorbild für Millionen. Blickt man zurück ins 20. Jahrhundert findet man immerhin die Herzogin von Windsor und mit Jackie Kennedy Onassis – zu ihrer Zeit unbestritten die Nr. eins in Fragen des modischen Geschmacks – immerhin die Frau des damals mächtigsten Mannes der Welt. Schaut man noch genauer hin, ist die Mode unserer Zeit doch recht beliebig, wenig spektakulär und rasch vergänglich. Twiggy, die den Mini-Rock berühmt machte, Coco Chanel mit ihrer unaufdringlichen zeitlosen Eleganz oder Madonna, die, sei es als Cow-girl, als Vamp oder als japanische Geisha, immer wieder modische Trends setzte, sind hier seltene Ausnahmen in einer zunehmend globalisiert langweilig gewordenen Modewelt. Was waren das dagegen für Zeiten im Mittelalter und in der Renaissance als die VIPs jener Zeit ihre Bedeutung und Macht mit einem Outfit verbanden und verbinden durften, das sie auch modisch zu Ikonen ihres Zeitalters machte. Nehmen wir etwa Heinrich VIII, der sich mehrfach von seinem Hofmaler, Hans Holbein dem Jüngeren, portraitieren ließ. Die verschwenderische Pracht opulenter gemusterter Goldstoffe und reich mit Gold- und Silberfäden bestickter Samte harmonieren auf das prächtigste mit dem schweren Juwelenschmuck und dem repräsentativen Schnitt der königliche Würde signalisierenden Gewänder. Aus den Inventaren Heinrichs VIII weiß man, dass hier nur die kostbarsten Stoffe ihrer Zeit zur Anwendung kamen, deren Gebrauch und Verwendung durch Hof und Adel gar gesetzlich geregelt war. Die Holbein-Portraits Heinrichs VIII und einer seiner Frauen, Jane Seymour, stehen am Ende der Vorherrschaft italienischer Seidenstoffe in Europa, die von etwa 1300 bis 1550 reichte. Diese Blütezeit der italienischen Seidenweberei im späten Mittelalter und in der Renaissance, dargestellt anhand von Gemälden aus der Zeit, ist das Thema eines großartigen Buches von Lisa Monnas. Dieser Ansatz ist allerdings keineswegs neu. Seit dem 19. Jahrhundert gehört die Methode der Bestimmung alter Textilien anhand deren Wiedergabe auf alten Bildern zum Stand der Forschung und Wissenschaft. Für die zahlreichen Autoren, die sich diesem Problem gewidmet haben, sollen hier für viele andere allein Brigitte Klesse und Anne Wardwell genannt werden. Doch noch nie gab es ein Buch mit so vielen vorzüglichen Gemäldereproduktionen, mit Ausschnitten der auf ihnen dargestellten, atemberaubenden Seidenstoffe und Gegenüberstellungen mit erhaltenen Fragmenten und noch nie auch eine vergleichbar tiefgehende Untersuchung der Entwicklung von Mustern und Technik der italienischen Seidenweberei und deren europäischer Akzeptanz in diesen zweieinhalb Jahrhunderten. Die Autorin Lisa Monnas ist in der Textilwissenschaft, der Kunsthistorie aber auch in Kostüm- und Wirtschaftsgeschichte gleichermaßen zu Hause und sie hat in jahrzehntelanger Arbeit eine schier unfassbare Menge und Vielfalt von Quellen verarbeitet, Literatur, Archive, Tagebücher, Aufzeichnungen, Inventare, Berichte, Rechnungsbücher und dergleichen mehr. Lisa Monnas hat mit diesem Buch eine interdisziplinäre Arbeit vorgelegt, die höchste Bewunderung verdient. Wir erfahren über die frühen europäischen Zentren der Seidenweberei, Lucca, Venedig, Genua und Florenz, von der Entwicklung der Muster vom orientalisierenden Tierstil des 14. Jahrhunderts, der noch das Vorbild der so genannten Tartarenstoffe erkennen lässt, bis zu den großflächigen und kraftvollen Stoffdesigns des 16. Jahrhunderts. Wir staunen über die Dimension einer fast schon frühindustriellen Produktion mit großen Maulbeerplantagen, mit großen Fertigungsstättenen mit bis zu 40 Webstühlen und einem nicht minder gut organisierten internationalen Handel mit Märkten, Messen, reisenden Händlern und Niederlassungen in allen großen europäischen Städten. So wird bewusst, was die doch eher spärlich in den Sammlungen von Museen und in Kirchenschätzen erhaltenen Textilfragmente nur unvollkommen vermitteln können, eine unvergleichliche Blüte einer reichen textilen Kultur, getragen von den Mächtigen und Reichen jener Zeit, eine faszinierende Vielfalt, ein bewusst zur Schau getragener Luxus und Textilien als eines der wichtigsten Symbole für Status, Macht und Reichtum. Der Reigen prachtvoller Gemälde beginnt mit der Darstellung von Goldstoffen von Malern aus Siena und Florenz des 14. Jahrhunderts und erreicht einen Höhepunkt mit Bildern Jan van Eycks, der es wie kaum ein zweiter vermochte, den satten Glanz von Samten darzustellen. Rogier van der Weyden und Hans Memling waren Meister in der Darstellung von Textilmustern des 15. und frühen 16. Jahrhunderts und in den Bildern von Paolo Uccello, Fra Angelico, Benozzo Gozzoli oder Carlo Crivelli finden sich immer wieder neue Varianten dekorativer Seiden. Die Brüder Gentile und Giovanni Bellini, vor allem aber Hans Holbein d.J. stehen schließlich für außergewöhnliche Portraits. Alle diese Künstler und viele andere mehr, die mit wundervollen Beispielen ihrer Fertigkeit studiert werden können, waren – und wir dürfen annehmen, dass dies für die Auftraggeber von großer Wichtigkeit war – routinierte Experten für die exakte und repräsentative Darstellung der kostbaren Textilien, weit überlegen selbst dem, was moderne Fotografie vermag. Die Analyse dieser Bilder – und das ist der Zweck dieses Buches – soll die Datierung und Zuschreibung erhaltener Textilien lehren und ermöglichen. Dass das trotz bekannter Bilddaten oft große Schwierigkeiten macht, ist dem alle Grenzen überschreitenden Handel und dem damals schon bekannten und heute mit Produktpiraterie bezeichneten Phänomen der Nachahmung erfolgreicher Produkte zuzuschreiben. Das Buch „Merchants, Princes and Painters“ beleuchtet einen außerordentlich wichtigen Wirtschaftszweig des Mittelalters aus der Sicht der ingeniösen Weber, des europaweiten Handels, des elitären Kreises der hochwohlgeborenen Käufer dieser Seidengewebe und in allererster Linie der malenden Chronisten.

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