Straps and Bands – Textilien aus der Sammlung Foitl

Autor/en: Gerhard Foitl
Verlag: Museum für Völkerkunde
Erschienen: Wien 2008
Seiten: 256
Ausgabe: Broschur (auch gebundene Ausgabe)
Preis: nicht mitgeteilt
ISBN: 978-3-85497-145-0
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2009

Besprechung:
Folgt man den bibliographischen Angaben im Impressum des Ausstellungskataloges, so ist die dieser Besprechung vorangestellte Titelei falsch. Korrekt zeichnet der Kurator der Ausstellung, Axel Steinmann, Kustos der Abteilung Nordafrika, Vorder- und Zentralasien und Sibirien als Herausgeber des Kataloges. Von Axel Steinmann stammt auch das Vorwort über das private Sammeln im Allgemeinen und eine kurze Vorstellung des Sammlers. Doch dann kommt nur noch dieser selbst, Gerhard Foitl, zu Wort. Er hat den Text des Kataloges, über den Beginn, den Aufbau und die Struktur seiner Sammlung, von der Abgrenzung und Besonderheiten einzelner Gruppen der Sammlung bis hin zur Analyse und Beschreibung einzelner Stücke geschrieben und gleich auch noch die Farbabbildungen geliefert. Es sei daher dem Rezensenten gestattet, den Autor voranzustellen und künftig auch nicht von einem Katalog, sondern von seinem Buch zu sprechen, zumal die Ausstellung am 1.März dieses Jahres zu Ende ging. Gerhard Foitl, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Graz hielt im Jahre 1979 zum ersten Mal ein geknüpftes turkmenisches Zeltband in seinen Händen und es war, wie er selbst sagt, das von der Wolle ausgehende, taktile und durchaus sinnliche Vergnügen, das seine Sammelleidenschaft entfachte und bis heute auf höchstem Niveau unterhielt. Dass Foitl den Sammlungsgegenständen die gleiche Sorgfalt und Gründlichkeit zukommen ließ wie seinen Patienten zeigt die für jedes Stück angelegte Karteikarte, die nicht nur alle web- und textiltechnischen Daten, Fotos und Altersangaben enthält, sondern alle weiteren Erkenntnisse aus der jahrzehntelangen Beschäftigung mit einem ungewöhnlichen Sammelgebiet. 737 Karteikarten, damit also 737 „Straps & Bands“ sind es bis heute, konkret 633 Bänder und 104 Teile Tierschmuck, die, da oft aus Bändern bestehend, von Foitl als eng verwandtes Sammelgebiet verstanden werden. Man muss es als einen Glücksfall bezeichnen, dass hier ein leidenschaftlicher Sammler und Perfektionist und ein exotisches und – von einigen Ausnahmebereichen, wie etwa den seltenen und gesuchten turkmenischen Zeltbändern oder den Schlitzkelimgürteln der marokkanischen Ait Ouaouzguite abgesehen – von anderen Sammlern meist unbeachtetes Spezialgebiet zueinander gefunden haben. So konnte eine gewiss weltweit einzigartige Sammlung entstehen, die mit dem Buch von Gerhard Foitl nun auch entsprechend dokumentiert ist. Und niemand anders als Gerhard Foitl hätte dieses weltweit erste Fachbuch zum Thema, in dem sich profundes Fachwissen, jahrzehntelange Forschung und die Liebe zum Objekt miteinander verbinden, schreiben können. Der Schwerpunkt von Sammlung und Buch liegt ganz klar bei den Bändern aus Persien von den südlichen Konföderationen bis zu den Shasavan im Norden. Es sind funktionale Gebrauchsgegenstände, Bänder zum Befestigen von Lasten beim Kameltransport und zur statischen Stabilisierung der Jurten, die von den Nomaden mit dekorativen geometrischen, oft auch bildhaften Mustern versehen wurden. Foitl ordnet sie primär nach der Gewebestruktur und hier im Besonderen offenbart sich sein textiltechnisches Detailwissen, seine Neugier und die eingehende Beschäftigung mit jedem einzelnen Band, das Eingang in die Sammlung gefunden hat. Weitere wichtige Gruppen sind Bänder aus Afghanistan sowie Zeltbänder der Turkmenen, darunter ein knappes Dutzend geknüpfte. Ein eigener Abschnitt des Buches gilt brettchengewebten Bändern. Der Autor hat diese Webtechnik selbst erlernt und angewandt und so sind seine einführenden Anmerkungen zu dieser Bandwebetechnik fast so etwas wie eine Anleitung zum Selbermachen. Auch hier bei dieser Technik stammen die meisten Exemplare aus Persien und Anatolien und auch die ebenso raren wie schönen doppelseitigen Samtbrettchengewebe aus den mittelasiatischen Khanaten belegen das primäre Interesse des Sammlers an Regionen der Welt, aus denen auch Teppiche stammen. Darüber hinaus aber war und ist die Neugier von Gerhard Foitl buchstäblich grenzenlos, und es sind die oft nur mit wenigen Bandexemplaren besetzten Herkunftsorte aus der ganzen Welt, die immer wieder Bewunderswertes, Erstaunliches und Überraschendes zeigen. Das sind etwa die präkolumbianischen Bänder, manche in einer sonst auf der Welt nicht bekannten Technik gewebt, eine indische Perlenstickerei, Bänder nicht nur aus Nord- sondern auch aus dem Afrika südlich der Sahara und ein buntes Allerlei, das der Autor unter der Sammelbezeichnung Unikate zusammenfasst. Wir finden hier unter anderem eine safawidische Brokatschärpe, einen gestickten Wandbehang der Shasavan und einen Frauengürtel aus Bhutan. Dass es sich bei letzterem tatsächlich um eine „Rhachu“ genannte Zeremonialschärpe handelt, die noch heute von jeder Frau in Bhutan zu offiziellen Anlässen getragen wird, zeigt wie schwer eine Abgrenzung der Bänder von anderen Textilien ist und dass für ein lückenloses Erfassen aller „Bands & Straps“ ein Sammlerleben nicht ausreicht. Das soll nun beileibe keine Kritik sein, denn Gerhard Foitl ist, was die Ordnung und Dokumentation seiner Sammlung anlangt, seine Neugier und sein Forscherdrang, die ihn, soweit möglich, bei jedem Stück den Weg zurück bis zu seiner Herstellung verfolgen ließen, der jeden Händler und Verkäufer mit Fragen über die Herkunft überhäufte, der sich mit einer von Helmut Schweppe beschriebenen und auch dem Laien möglichen Farbanalyse aller seiner Stücke beschäftigte, der ideale Sammler schlechthin. Foitls schon früh offenbarter Wunsch, dass diese Sammlung mit allen in den Karteitaschen gesammelten Erkenntnissen nur in einem Museum verwahrt und so ihre Fortwirkung erleben kann, gehört zu diesem Bild des perfekten Sammlers. Es ist erstaunlich, dass die einzige, an die Schenkung der Sammlung geknüpfte Bedingung, eine Ausstellung und ein Katalog, fast ein Jahrzehnt lang kein Gehör fand bis schließlich das Wiener Museum für Völkerkunde im zweiten Anlauf zugegriffen hat. Hieran hat Axel Steinmann einen ganz wesentlichen und von Gerhard Foitl in seinem Buch auch gewürdigten Anteil, sodass der Rezensent Axel Steinmann den zu Anfang aberkannten Titel des Herausgebers ihm zuguterletzt dann doch wieder vergibt. Das Buch selbst sei – weit über sein spezielles Thema hinaus – jedem Sammler dringend empfohlen, zeigt es doch beispielhaft, wie aus einer privaten Sammlung mit Liebe, Kennerschaft und Gründlichkeit eine wissenschaftliche Leistung werden kann.

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