Timbuktu to Tibet – Exotic Rugs and Textiles from New York Collections

Autor/en: Jon Thompson
Verlag: The Hajji Baba Club
Erschienen: New York 2008
Seiten: 308
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: € 35.–
ISBN: 978-1-898113-66-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2008

Besprechung:
Gute neue Bücher über alte Teppiche sind selten geworden. Kaufmännisches, von Auflage und Umsatz geprägtes Verlagsmanagement wie auch die wegen textilferner Einrichtungstrends und fehlendem Sammlernachwuchs zunehmend ausgedünnte Gemeinde von Teppichliebhabern, ließen Teppichbücher zum geschäftlichen Risiko werden. Kunstbuchverlage wie Callwey in Deutschland oder Laurence King in England haben sich längst aus diesem Geschäft zurückgezogen. Gäbe es da nicht die Sponsoren und Mäzene, die prächtige Ausstellungskataloge finanzieren wie etwa „Glanz der Himmelssöhne“, den Band über die 2005 in Köln ausgestellten Teppiche der chinesischen Kaiser, Autoren, die das Wagnis einer Veröffentlichung im Eigenverlag eingehen – James D. Burns mit seinem großartigen Buch über den kurdischen Teppich –, Händler wie Moshe Tabibnia, der mit „Milestones“, seinem Buch über historische Teppiche, wahrlich einen Meilenstein gesetzt hat und schließlich Werner Brüggemann mit dem von ihm und Teppichfreunden finanzierten beispiellosen Buch über die Geschichte und Ästhetik des Orientteppichs, es wäre um die Teppichliteratur schlecht bestellt. Liebhaber- und Sammlerorganisationen – sieht man einmal von der österreichischen TKF-Gesellschaft und der im Drei- oder Vierjahresturnus stattfindenden International Conference on Oriental Carpets (ICOC) und ihren Konferenzkatalogen ab – gehören traditionell auch nicht zu den Herausgebern von Teppichbüchern. Umso mehr ist in dieser teppichbucharmen Zeit der vom nunmehr 75 Jahre alten New Yorker Hajji Baba Club initiierte Jubiläumsband von Jon Thompson zu begrüßen. Der Hajji Baba Club in New York, gewiss die älteste ununterbrochen seit Gründung im Jahre 1932 bestehende Vereinigung von Teppichfreunden, ist eng mit der Geschichte des Sammelns und der Erforschung des Orientteppichs verbunden und damit auch mit bedeutenden Sammlern und ihren Kollektionen. So befasst sich das einleitende Kapitel von Thomas J. Farnham mit der Geschichte dieser Sammlervereinigung von ihren Anfängen bis heute. Die Anfänge lagen in dem durch die Industrialisierung, durch Öl, Eisenbahn und Handel reich gewordenen New York des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, geprägt durch eine Handvoll Magnaten, die ihren New Yorker Stadthäusern das Gepräge europäischer Adelspaläste verliehen. Das Sammeln von Kunst auf höchstem Niveau war unter den Superreichen Mode geworden. Es war die hohe Zeit Klassischer Teppiche des 16. und 17. Jahrhunderts, die noch in beachtlicher Anzahl auf dem Markt waren. New York wurde zum Weltzentrum des Kunsthandels und des Handels mit alten Orientteppichen. Händlernamen wie Duveen, Seligman, Kevorkian oder Kelekian sind ebenso wie die Sammler Frick, Morgan oder Rockefeller unvergessen. Es gab bedeutende Auktionen mit denen die ersten großen Sammlungen, etwa von Henry Marquand, Charles Yerkes oder Elbert Gary aufgelöst wurden und die wegen der horrenden Preise für Klassische Teppiche Aufsehen erregten. Mit dem Crash der Wall Street am Schwarzen Freitag im Oktober 1929, der eine dauerhafte Weltwirtschaftskrise auslöste, war der Spuk zu Ende, nicht aber das Interesse einer kleinen Gruppe New Yorker Sammler am Orientteppich. Man traf sich informell und privat und es war der Händler und Autor Arthur Dilley, der im Juli 1932 den Hajji Baba Club aus der Taufe hob und ihm seinen Namen nach einer Novelle von James Morier gab: Hajji Baba, Pilgervater. Und der Club wuchs und gedieh. Die Zeit des Klassischen Teppichs war vorbei und der Club förderte das Interesse und Verständnis für den authentischen, nicht für den Export, sondern für den eigenen Bedarf von Bauern und Nomaden geknüpften Teppich. Ein Beispiel hierfür ist der Sammler Joseph McMullan, Mitglied des Hajji Baba Clubs seit 1933 und einer der ersten, der den künstlerischen Wert dieser Teppiche erkannte. Er öffnete die Augen dafür, dass es zwischen dem Klassischen Teppichen des 16. und 17. Jahrhunderts und den beliebten Einrichtungsteppichen noch etwas anderes, sehr sammelnswertes gab und dass eine späte Entstehungszeit im 19. Jahrhundert nicht unbedingt Degeneration bedeutet. Es war so etwas wie eine ästhetische Revolution, die McMullan auslöste und die den Charakter von amerikanischen Sammlungen bis heute bestimmt. So wird denn auch der Einblick in den aktuellen Sammlungsbestand der Clubmitglieder – Jon Thompson hat für das Buch und die bis zum 17. August in den Räumen der ehrwürdigen New York Art Society gezeigte Ausstellung 107 Teppiche und Textilien ausgewählt – von authentischen dörflichen und nomadischen Arbeiten von großer Schönheit und hohem künstlerischem Wert geprägt. Die Stücke reichen, wie der Titel verrät, von Nordafrika bis nach Tibet und Südchina und werden in 12 Kapiteln vorgestellt, die von Bekleidung, über die Erzeugnisse der Turkmenen und Beludschen, persischen, kaukasischen und türkischen Teppichen bis hin zu Filzarbeiten, zu häuslichen Stickereien und höfischen Fragmenten reichen. Vielfalt, Seltenheit und der meist perfekte Zustand der Web- und Knüpfarbeiten sind beeindruckend und es können hier nur einige Highlights hervorgehoben werden wie etwa ein gestickter zoroastrischer Seidenschal, wunderschöne geknüpfte Tschowals der Saloren, ungewöhnliche Taschen der Kurden, Shasevan und Qash´qai, ein früher türkischer Doppelnischenteppich aus dörflicher Produktion oder ein Lampas-Gewebe aus dem nasridischen Spanien. Doch es ist nicht nur die spannende Geschichte des ältesten Teppichclubs der Welt und es sind nicht allein die schönen und hervorragend präsentierten Stücke, sondern es sind die Texte und Beschreibungen und vor allem das zum großen Teil frühe und noch nie veröffentlichte Bildmaterial, mit dem es Jon Thompson gelingt, den Stücken ihr ursprüngliches Leben zurückzugeben. Wir sehen die Menschen wie sie lebten und arbeiteten, Nomaden auf ihrer beschwerlichen Wanderung zu den Weidegründen, einen Derwisch im Gebet auf seinem ausgebreiteten Teppich, Ikat-Weber in Samarkand, Landschaften im Kaukasus und immer wieder Teppiche und Textilien in ihrer ursprünglichen Funktion. Es sind diese fast 300 Bilder von Menschen aus einem Zeitraum von über 100 Jahren, die aus dem Jubiläumsband des Hajji Baba Clubs ein ganz außergewöhnliches Buch und – dank seines Preises von € 35 – ein echtes Geschenk an alle Teppich- und Textilfreunde machen.

Print Friendly, PDF & Email