99 Ikat Chapans – The Mehmet Cetinkaya Collection

Autor/en: Koryogdi Jumaev
Verlag: Mehmet Cetinkaya Gallery – Nuans Ajans Ltd.
Erschienen: Istanbul 2007
Seiten: 302
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 150.–
ISBN: 978-975-7336-67-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2007

Besprechung:
Das Buch über die 99 zentralasiatischen Ikat-Roben der Mehmet Cetinkaya Collection ist ein Fest für die Augen, ein Höhepunkt der Ästhetik und Schönheit von Textilien, eine Symphonie von Farben und Mustern und ein Blick in eine faszinierende, fremde und vergangene Welt. Ikat-Stoffe aus Zentralasien gehören zweifellos zu den erstaunlichsten und schönsten Erzeugnissen textiler Kunst. Ihr Reichtum an Farben und Formen, die vibrierenden und irisierenden Konturen der Farbflächen, das Spiel mit Zwischentönen und immer wieder neuen Musterformen, all dies das Ergebnis einer hochkomplizierten und perfekt ausgereiften Färbe- und Webtechnik, ist unübertroffen. Das Wort Ikat, malaisch-indonesischen Ursprungs, steht als Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Textilien, bei denen in einer mehrstufigen Reservetechnik mittels einer ganzen Serie von Abbinde- und Färbevorgängen der Kett-, und gelegentlich auch der Schussfaden vielfarbig eingefärbt wird, bevor daraus dann ein gemusterter Stoff gewebt wird. Diese komplizierte Technik, bei der das Ergebnis, also das gewünschte Muster, während des Färbevorgangs nicht gesehen und nicht kontrolliert werden kann, da es erst beim Weben entsteht, ist in vielen Teilen der Welt bekannt. Ikat-Stoffe wurden und werden in Südostasien, in Indien und Japan, im Yemen und in Süd- und Mittelamerika hergestellt – und in Zentralasien. Und nirgendwo sonst als in den fruchtbaren Oasenstädten des heutigen Usbekistan und Kasakstan hat die Ikat-Technik eine solche Perfektion erreicht; die Seidenikats aus Zentralasien sind in Muster, Farbe und Ausführung einzigartig; es sind textile Kunstwerke allerhöchsten Ranges. Sie lassen auf eine alte Tradition schließen, doch das täuscht. Zentralasiatische Ikats aus dem 18. Jahrhundert oder früher sind kaum bekannt. Ein Fragment aus dem 6. Jahrhundert in Nara, spärliche Funde in Sinkiang, seltene Hinweise auf frühen Wandmalereien – alles deutet darauf hin, dass die Ikat-Weberei in Zentralasien bis zum 19. Jahrhundert wenig Bedeutung hatte. Und plötzlich, Anfang des 19. Jahrhunderts, wurde diese Technik quasi neu entdeckt, entwickelte sich in wenigen Jahrzehnten in rasanter Entwicklung zu ihrem technologischen und künstlerischen Höhepunkt und sank nur hundert Jahre später wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück. Eine Erklärung bietet die Geschichte der Region, vor allem ihres städischen Zentrums Buchara. Dunkle Jahrhunderte liegen zurück, das machtvolle Reich Timurs ist längst Vergangenheit, die Seidenstrasse nur noch Legende, verfallene Basare, Moscheen und Karawansereien zeugen vom vergangenen Reichtum. Und nun kommt überraschend eine Wende, eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse, ein Aufblühen der Khanate von Kira, Kokand und vor allem Buchara. Frieden herrscht und der Handel floriert. Usbeken und Tadschiken bilden den Hauptteil der städtischen Bevölkerung, hinzu kommen arabische und turkmenische Nomaden, Kasaken und Kirgisen, Iraner und Juden, Künstler aus Merv, Geldverleiher aus Indien, Händler aus Afghanistan, ein buntes Gemisch aus Sprachen und Religionen. Zentren des sozialen Lebens sind der Basar, die Moscheen, Medresen, Tee- und Badehäuser. Es gibt Schauspieler, Akrobaten, Musikanten, betende Derwische und überall Musik. Alle ethnischen Gruppen des südlichen Zentralasien, alle handwerklichen Fähigkeiten und vor allem alle Färbe- und Webtechniken konzentrieren sich im Buchara des beginnenden 19. Jahrhunderts. Und Geld ist genug vorhanden, der Bedarf nach Luxusgütern, zu denen traditionell schon immer kostbare Textilien zählen, ist groß. Plötzlich, wie aus dem Nichts, so scheint es, sind diese Stoffe da, und begeistern eine lebensfrohe und repräsentationsbewusste Gesellschaft. Niemand weiß bis heute, wie, wann, wo und warum in Zentralasien begonnen wurde, diese Ikats zu weben, aber das Zusammentreffen aller ethnischen Gruppen des südlichen Zentralasien, aller Techniken des Färbens und Webens, aller benötigten Materialien in einem Umfeld von Prosperität, Lebensfreude und Luxus, wie es in Buchara gegeben war, mag am Anfang dieser rasanten Entwicklung gestanden haben, die mit der Eingliederung der Region in das russische Reich und mit den ideologischen Veränderungen in der UdSSR ihr abruptes Ende fand. Und wieder knapp ein Jahrhundert später ein erneuter Wandel, die UdSSR zerbricht, die Region öffnet sich, neue Staaten entstehen und plötzlich sind sie wieder da, Ikat-Stoffe werden wieder gewebt und beginnen heute schon wieder das Stadtbild zentralasiatischer Oasenstädte zu prägen. Und noch etwas anderes brachte die Wende mit sich. Seit Öffnung der Grenzen, Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts, bildete sich ein Markt für alte Ikats, für Wandbehänge und für die schönen Kleider und Roben. Mehmet Cetinkaya, einer der großen Istanbuler Händler, erlag dem Zauber dieser Stoffe und konnte auf zahlreichen Reisen in die Region und dank seiner Präsenz am wichtigsten Umschlagplatz für dieses Handelsgut eine wohl einzigartige Sammlung aufbauen. Die 99 Chapans, wie diese Kleider, Mäntel, Umhänge und Roben mit einem Sammelbegriff bezeichnet werden, sind in dem aufwendig gestalteten Katalogbuch – die Sammlung ist zur Zeit in Museum für Türkische und Islamische Kunst in Istanbul zu sehen – prachtvoll dargestellt und beschrieben und mit vielen großen Detailabbildungen zu bewundern. Weit besser als bloße Wandbehänge oder Decken – etwa aus der Guido Goldman Collection – vermögen es diese Chapans, den Betrachter in die bunte und lebendige Welt von Buchara, Samarkand, Kokand oder Marghilan des 19. Jahrhunderts zu entführen. Sie vermitteln einen großartigen Eindruck von der Vielfalt, Schönheit und Harmonie der Stoffe und auch davon, dass für diese Kleiderstoffe vielfach andere Muster verwendet wurden, als für die Wandbehänge und Decken. Sie zeigen häufig kleinere und komplexere Motive, die sich in verarbeiteter Form in Verbindung mit dem Schnitt der Chapans und im Spiel mit den gemusterten Futterstoffen, die in der Regel auch die Ränder paspolieren, zu einem Gesamtkunstwerk formen. Ergänzt wird dieser Blick in eine fremde und faszinierende Welt durch den Textteil des Direktors des Sitorai Mohi Hossan Museum in Buchara, der einen vollständigen Überblick über die Kostümgeschichte Usbekistans von ihren Anfängen unter den Sogden und Tochariern bis heute gibt. Vor allem begleitet uns der Autor in das alte Buchara, führt uns in die verwinkelten Viertel der Färber und Weber, erklärt die Bedeutung der Muster und Farben und die Unterschiede und Funktionen der für Männer und Frauen für alle Gelegenheiten und Jahreszeiten unterschiedlichen Chapans. Mit diesem bisher schönsten Buch zum Thema hat sich Mehmet Cetinkaya ein bleibendes Denkmal gesetzt. Bestellungen führt aus: Mehmet Cetinkaya Gallery, Kucukayasofya Caddesi, Tavukhane sokak No.7, Istanbul 34122 oder per E-Mail: mcetinkaya2002@yahoo.com. Zum Preis von USD 150.– kommen für den Versand per DHL USD 40.– und für den Versand per Post USD 20.– hinzu

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