The Art of Indonesian Textiles – The E.M.Bakwin Collection at the Art Institute of Chicago

Autor/en: Brigitte Khan Majlis
Verlag: The Art Institute of Chicago – Yale University Press
Erschienen: Chicago – New Haven – London 2007
Seiten: 108
Ausgabe: broschiert
Preis: 16.95 US-$
ISBN: 978-0-300-11946-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2008

Besprechung:
Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen hat sich der Westen für exotische Textilien aus dem nahen und fernen Osten lange Zeit nur wenig interessiert. Das gilt auch für indonesische Textilien. Erst in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts begeisterten sich einige holländische Händler und ihre Kunden für die farbenfrohen Tücher von der kleinen indonesischen Insel Sumba, wovon eine ganze Anzahl dieser Textilien in holländischen Haushalten heute noch erzählen. Geschätzt wurden sie damals aber allein ihrer ästhetischen Qualität wegen; ihre traditionelle Bedeutung und ihr ursprünglicher Gebrauch blieben unbekannt. Und dabei blieb es für ein weiteres halbes Jahrhundert. Erst in den Siebzigern, als viele junge Reisende auf der Suche nach Abenteuern und Erleuchtung auch die Inselwelt Indonesiens erreichten, kamen diese Textilien, vorwiegend Behang-, Zeremonial- und Schultertücher aus Sumatra, vermehrt in den Westen. Und der Zeitgeist hatte sich gewandelt, neben der Schönheit und Kunstfertigkeit dieser Textilien wurde ihre Bedeutung erkannt und es begann eine ernsthafte Sammeltätigkeit und Forschung. Gewissermaßen Blatt um Blatt wurden die Botschaften, Bedeutungen und Funktionen dieser rätselhaften Textilien entschlüsselt und heute sind wir in der Lage, fast jedes traditionelle indonesische Textil gleichsam als einen Informationsträger derjenigen Kultur zu lesen, die es geschaffen hat. Jedes Stück ist voller Information über politische Verbindungen, kosmische Überzeugungen und tradierte Bräuche und erzählt über technisches Know-How, soziale Strukturen und Hierarchien, Handelsverbindungen, geschichtliche Ereignisse und über die Einflüsse anderer Kulturen. Diese Textilien sind Ausdruck ethnischer Identität und Herkunft, sie vermitteln spirituellen Schutz, dienen als Mittler zu den Gottheiten, zeugen vom Reichtum und Status des Besitzers und sind Zeugnis sozialer Verbindungen. Die in den vergangenen Dekaden umfangreich erschienene und oft einzelne Regionen oder bestimmte ethnische Gruppen behandelnde Literatur wurde nun um einen schmalen aber dennoch sehr empfehlenswerten Band bereichert. Der Sammler E.M.Bakwin hat seine mit großer Kennerschaft seit 1991 zusammengetragene Sammlung indonesischer Textilien im Jahre 2002 dem Art Institute of Chicago übereignet, das dieses Ereignis nun mit einer Ausstellung (bis zum 02.03.2008) und einem Katalog der Öffentlichkeit präsentiert. Die knapp 70 Textilien vorwiegend aus Bali, Sumatra und Java aber auch mit typischen Beispielen aus Babar, Flores, Lembata, Saru, Sumba, Timor, Borneo und Sulawesi, überwiegend aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, manche davon wohl auch noch älter, vermitteln einen repräsentativen Überblick über die Vielfalt, Bedeutung und Funktion indonesischer Textilkunst. Es ist eine unglaublich vielfältige textile Welt, die sich hier ausbreitet und die man zu verstehen beginnt, wenn man einen Blick auf die Karte wirft. Aus mehr als 17.000 Inseln besteht der indonesische Archipel, 6000 davon sind von nicht weniger als 300 verschiedenen ethnischen Gruppen bewohnt, die mehr als 700 unterschiedliche Sprachen und Dialekte sprechen. Allen gemein aber ist eine hohe Sorgfalt und Fertigkeit in der Kunst des Webens und der Textildekoration, die Überzeugung, dass das Weben in grauer Vorzeit ein Geschenk der Götter an die Menschen war und die wichtige Funktion dieser Textilien im religiösen Ritual und in der Ahnenverehrung. Kostbare Seiden-Patolas, Doppel-Ikat-Gewebe mit Metallfäden aus dem indischen Gujarat, einer sogar mit der Darstellung einer königlichen Jagd, mit Elefanten, Jägern und vielen verschiedenen jagdbaren Tieren, Zeremonialtücher mit Schiffsdarstellungen, die die Reise über den Ozean in die ferne Welt der verstorbenen Ahnen symbolisieren, schwere Goldfadengewebe aus Bali, Batik aus Java, farbenfrohe Ikat-Schultertücher mit der Darstellung von Menschen und Tieren aus Sumba, ein zauberhaftes, plangi-gefärbtes Festbanner aus Sulawesi und alles immer wieder unterbrochen von Fotografien aus alter und neuer Zeit, bilden einen bunten Reigen traditioneller Textilkunst. Zwei einführende Essays der Autorin – sie ist Kuratorin für Textilien im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln – geben eine Einführung in die wichtigsten Web-, Dekorations- und Färbetechniken, breiten aber vor allem die Geschichte und Hintergründe der Webkunst Indonesiens aus, erläutern Funktionen und Bedeutung der unterschiedlichen Textilien und decken die Einflüsse Chinas, des Islam, vor allem aber Indiens auf. Ein Ausblick in die von Globalisierung und Tourismus geprägte Gegenwart, deren negative und positive Auswirkungen auf die textile Tradition und neue Produktionen bis hin zur Fälschungsproblematik, beschließen den empfehlenswerten kleinen Katalog der Bakwin Collection indonesischer Textilien.

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