The Influence of Turcic Culture on Mamluk Carpets

Autor/en: Sumiyo Okumura
Verlag: Research Centre for Islamic History Art and Culture (IRCICA)
Erschienen: Istanbul 2007
Seiten: 278
Ausgabe: Hardbound
Preis: US-$ 80.–
ISBN: 978-92-9063-164-4
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2007

Besprechung:
Zu den Höhepunkten der IX. International Conference on Oriental Carpets (ICOC) in Italien im Jahre 1999 gehörten zweifellos drei große, zum Teil nie zuvor ausgestellte Mamluken-Teppiche, allesamt Teppiche von denen man annimmt, dass sie im Kairo des 15./16. Jahrhunderts in höfischen Manufakturen geknüpft worden waren. Da war zunächst die Ausstellung der legendären Teppichsammlung des Florentiner Antiquitätenhändlers Stefano Bardini (geb. 1836) mit dem aus 17 Fragmenten zusammengesetzten, fast 10 Meter langen Teppich mit dem Wappen des mamlukischen Sultans Qa´it Bay (1468 bis 1496). Nicht weniger sensationell war der erst 1983 von Alberto Boralevi im Teppich-Lager des Palazzo Pitti entdeckte, mit einer Länge von fast 11 Metern größte bekannte Mamluken-Teppich, der in der Einganghalle des Palastes zu bewundern war. Nach den Inventaren war dieser Teppich zwischen 1557 und 1571 als „Tappeto Cairino“ in den Palast gekommen und dort stets als „Reserveteppich“ geführt worden, was seinen exzeptionell guten Zustand erklärt. Das Finale der Konferenz fand in Venedig statt und wurde gekrönt durch die Präsentation des seit jeher in der Scuola Grande di San Rocco aufbewahrten Teppichs, umgeben von dem einzigartigen Gemäldezyklus von Tintoretto. Auch dieser ein Mamluken-Teppich mit drei Medaillons, fast 10 Metern Länge und ungewöhnlich guter Erhaltung. Für die internationale Teppichwelt war es eine Offenbarung, an diesen drei Originalen die komplizierten geometrischen Muster der Mamluken-Teppiche zu studieren und deren unvergleichliches, durch das Nebeneinander von mehreren Blau- und Grüntönen vor einem satten Rot hervorgerufene, fast irisierende Farbspiel auf sich wirken zu lassen. Die von der japanischen Kunsthistorikerin Sumiyo Okumura vorgelegte Dissertation über den Einfluss türkischer Kultur auf mamlukische Teppiche bedeutet ein Wiedersehen mit diesen großartigen Teppichen zusammen mit 74 weiteren Mamluken aus Museen und Sammlungen der ganzen Welt – einschließlich einer ganzen Anzahl heute verschollener Exemplare. Okumura versucht eine Antwort auf die sich aufdrängende und daher oft gestellte Frage zu finden, warum gegen 1450 ziemlich unvermittelt diese Teppiche in Ägypten erschienen, an einem Ort, wo es zuvor wegen des warmen Klimas keine Knüpftradition gegeben hatte. Die Antwort, auf einen einfachen Nenner gebracht mag richtig sein: Unter dem Eroberungsdruck der Mongolen, begonnen unter Dschingis Khan und verstärkt fortgesetzt unter seinen Nachfolgern, setzte eine Fluchtbewegung zentralasiatischer Turkvölker nach Westen und nach Südwesten ein. Teppiche gehörten seit jeher zur materiellen Kultur dieser nomadisch geprägten Steppenvölker und sie nahmen mit ihren Teppichen auch das Wissen und die Fertigkeit ihrer Herstellung mit auf den Weg nach Westen. Viele dieser turkstämmigen Reiterkrieger und Bogenschützen fanden sich als gekaufte Sklaven (Mamluken) in den islamischen Heeren der Ilkhaniden. Weil sie tüchtig, tapfer und zuverlässig waren, kamen diese vormaligen Sklaven zu Macht und Ehren und gründeten das Mamlukenreich (1250 bis 1517), das sich als islamisches Bollwerk gegen die Mongolengefahr bewähren sollte. Kairo war das Machtzentrum dieses sich vom Maghreb bis nach Südostanatolien erstreckenden Reiches, und es liegt durchaus nahe, dass die mamlukischen Sultane türkischer Herkunft in Kairo Manufakturen zur Herstellung von Teppichen einrichteten. Okumuras Verdienst ist es, die komplexe politische Situation des Nahen und Mittleren Orients jener Zeit, die Geschichte der Westwanderung von Turkvölkern und, in diese eingebettet, die Wanderung von Handwerkern und Künstlern und von künstlerischen Techniken, umfassend und kenntnisreich darzulegen und daraus den türkischen Einfluss auf mamlukische Teppiche zu begründen. Diesen Einfluss wird man kaum bestreiten können, wenn auch der Ausgangspunkt der Untersuchung, nämlich die Herstellung dieser Teppiche in Kairo, keineswegs bewiesen ist. Bis zum Jahre 1939, als Erdmann die Bezeichnung „Mamluken-Teppiche“ prägte, nannte man diese Teppiche „Damaskus-Teppiche“, aber auch Mossul und sogar Bagdad wurden schon als Knüpfort genannt. Nicht minder geheimnisvoll ist die Herkunft ihrer Muster, welche neben vielen weiteren Besonderheiten vor allem durch die zentralen oktogonalen Medaillons geprägt sind. Hier greift Okumura eine erstmals von Charles Grant Ellis im Jahre 1974 festgestellte Ähnlichkeit mit buddhistischen Mandalas auf und versucht, diese Hypothese mit den zentralasiatischen religiösen Wurzeln jener westwärts gewanderten Turkvölker zu begründen. Auch wenn die Überlegung, die kosmische Bedeutung des Mandala, mit dem zentralen Medaillon der Mamluken-Teppiche in eine bedeutungsvolle Verbindung zu bringen reizvoll sein mag, so bleibt die Beweisführung doch eher zufällig und für mich nicht überzeugend. Interessanter ist da schon die naturwissenschaftliche Untersuchung der typischerweise gelben Ketten dieser Teppiche auf die hierfür verwendete Färbedroge. Die Farbexperten Böhmer und Karadag der Marmara-Universität haben die Gelbfärbungen von 5 Mamlukenteppiche untersucht und kamen zu einem erstaunlichen Ergebnis: Neben – was zu erwarten war – der Verwendung von dem im ganzen Mittelmeerraum heimischen Färbersumach fand man auch das Gelb des Persischen Rittersporns, der nur im Iran, in Afghanistan und im Norden Indiens vorkommt, zum Teil sogar beide Färbungen in einem Teppich. Die Antwort auf das Warum ist spekulativ. Haben die Knüpfer(innen) in Kairo die für sie gewohnte Färbedroge von weither importiert oder muss man doch andere Knüpforte in Betracht ziehen? Und noch ein interessantes Detail: Im Bargello Museum in Florenz befindet sich ein osmanischer Kompositbogen des 16. Jahrhunderts, dessen Handhabe zur Bequemlichkeit des Schützen mit einem Stück eines mamlukischen Teppichs umwickelt ist. Okumura stellt strukturelle Übereinstimmungen mit dem Bardini-Teppich fest und hält eine (südost?)anatolische Herkunft beider durchaus für möglich. Auch das ist Spekulation, aber die Tapitologie ist seit jeher eine weitgehend auf Spekulation gegründete Wissenschaft und das wird wohl auch so bleiben. Wer das weniger schätzt, wird seine Freude daran haben, dass in dem Buch nicht weniger als 77 Mamluken-Teppiche abgebildet sind und damit Vergleiche ermöglichen, wie man sie bisher ohne Berge von Literatur nicht anstellen konnte. Auch die oft unbefriedigende Qualität der Abbildungen darf man der Autorin nachsehen. In vielen Fällen dürfte besseres Bildmaterial einfach nicht zu haben sein – etwa bei den verschollenen Stücken – und wer je versucht hat, die faszinierende und einzigartige Farbwirkung von Mamluken-Teppichen fotografisch einzufangen, weiß, dass hier die Aufnahmetechnik an Grenzen stößt. Ein ungewöhnlich interessantes und anregendes Teppichbuch. (Zu beziehen über IRCICA, ircica@ircica.org, Fax: (90) 212 258 43 65).

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