Die Welt der Quilts – Patchwork- und Quilttraditionen aus verschiedenen Kulturen und Epochen

Autor/en: Celia Eddy
Verlag: Haupt Verlag
Erschienen: Bern Stuttgart Wien 2006
Seiten: 224
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 39.90
ISBN: 3-258-07037-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2006

Besprechung:
Das englische Wort „quilt“ ist fast schon zu einem Synonym für den amerikanischen Patchworkquilt geworden. Aus hunderten kleinen Stoffresten phantasievoll und in mühevoller Handarbeit zu einem raumfüllenden, dekorativen Muster zusammengesetzt („patchen“) und dann, eventuell zusammen mit einer Füllung oder Wattierung, mit einer tragenden textilen Unterlage vernäht („quilten“), scheint der Quilt einer uramerikanischen Tradition zu entstammen. Dieser Vorstellung entspricht das Bild von der Ausstattung früher amerikanischer Siedlerhäuser mit wunderschönen Patchworkquilts, die von Siedlerfrauen bei nachbarschaftlichen Zusammenkünften entstanden, während die Männer mit den Indianern kämpften. Doch dieses Bild ist bloß ein Mythos und zeigt die Romantisierung, die der Quilt auf seinem Weg zum Sammelobjekt erfahren hat. Nach ihrer Ankunft in den USA waren die frühen Siedler angesichts des Überlebenskampfes, den sie zu bestehen hatten, kaum in der Lage, etwas dem Patchworkquilt Vergleichbares herzustellen. Richtig ist allerdings, dass der Quilt in den USA auf eine bis heute ungebrochene, lebendige und kontinuierliche Tradition zurückblicken kann, allerdings eine Tradition, die kaum älter ist als zweihundert Jahre. Erst nach der amerikanischen Revolution sorgte der wirtschaftliche Aufschwung, vor allem das schnelle Wachstum der amerikanischen Textilindustrie für die billigen Baumwollstoffe, die Grundlage des Patchwork wurden. Was dann allerdings von amerikanischen Frauen, allen voran denen der Amish-people, daraus geschaffen wurde, ist nicht nur handwerklich meisterhaft, sondern textile Kunst schlechthin. Aber die Wurzeln des Quilt liegen nicht in Amerika und auch nicht in Europa, sondern wohl in fernen Osten. Das Buch der englischen Quilt-Expertin Celia Eddy beginnt demgemäß in Asien, zeigt hier vor allem die ungemein vielschichtigen Patchwork- und Quilttraditionen Japans und schließlich den Export indischer Chintzquilts im 17. und 18. Jahrhundert nach Europa. England mit Schottland, Wales und Irland, Frankreich, die Niederlande und Skandinavien sind die europäischen Länder, deren Stepp-, Quilt- und Patchworktraditionen von der Autorin untersucht und beschrieben werden, bevor sie sich, dem Weg europäischer Auswanderer folgend, Amerika zuwendet. Sonderformen des Quilts in Mittelamerika, Australien, Neuseeland und schließlich in Afrika beschließen den Band. Es ist gut möglich, dass das Flickengewand Buddhas, dargestellt auf vielen frühen Malereien und Skulpturen, der erste Quilt gewesen ist. Ursprünglich gedacht als Symbol für das Prinzip Armut und Anspruchslosigkeit entwickelte sich in der buddhistischen Gesellschaft im Laufe der Jahrhunderte aus diesem einfachen Flickengewand ein Patchworkdesign, das mittels edler Seide und aufwendigster Web- und Stickarbeiten zu kostbaren Textilien, den „kesa“, aufgewertet wurde. Diese Verwandlung von einem Symbol für Armut zum Ausdruck von Pracht und Macht, von einer Not und Sparsamkeit gehorchenden textilen Technik zur reinen Kunstform ist fast bei allen der dargestellten Traditionen zu erkennen. Die Wiederverwertung alter Stoffe als Gebot der Sparsamkeit stand wohl meist am Anfang von „patchen“ und „quilten“ und ist Quelle der landläufigen Vorstellung, dass die Patchworkdecke eine Bettdecke der Armen sei. Die prachtvollen historischen Arbeiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert, sorgfältig aus kostbaren Stoffen zusammengenäht, zeigen aber, dass Stepp- und Flickentechniken – zu denen im weitesten Sinne auch Applikations- und Einlegetechniken gehören – bis in die höchsten Gesellschaftsschichten verbreitet und beliebt waren. Das Nebeneinander solcher historischer Stücke von musealer Qualität, von handwerklich meisterhaften Quilts aus dem 19. und 20. Jahrhundert und aktueller Arbeiten von Textilkünstlern aus aller Welt machen den Reiz und Wert dieses Buches aus. Etwa 200 abgebildete Quilts vermitteln neben den kenntnisreichen Texten die charakteristischen Stilformen, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte in den verschiedenen Ecken der Welt herausgebildet haben. „Die Welt der Quilts“ ist ein Buch, das ein Lücke schließt, ein sehens- und lesenswerter Rundgang durch Patchwork- und Quilttraditionen aus verschiedenen Kulturen und Epochen.

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