Suzani 2 – Eine textile Kunst aus Zentralasien

Autor/en: Jakob Taube, Ignazio Vok
Verlag: Ignazio Vok Editione
Erschienen: München 2006
Seiten: 94
Ausgabe: Leinen
Preis: € 60.–
ISBN: 3-923185-18-9 (deutsche Ausgabe)
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2006

Besprechung:
Suzani 2 ist die Fortsetzung des 1994 erschienenen Sammlungskataloges.“Suzani“ Die Besprechung zu diesem Buch erschien im Januar 1996 in der Buchbeilage zu den Mitteilungen der Pazyryk-Gesellschaft. Es erscheint notwendig, sie – leicht gekürzt – der Besprechung von Suzani 2 voranzustellen:

Das Buch über die Ignatio Vok Collection Suzani ist eine Edition, die nur mit Superlativen beschrieben werden kann. War schon die Ausstellung der Sammlung im April/Mai 1995 im Castello di Lispida ein Ereignis, so ist das Buch, auch was Gestaltung, Typographie, Druckqualität und Ausstattung anlangt, eine bibliophile Meisterleistung. ……. Jakob Taube, Ethnologe, Kenner der usbekischen und tadschikischen Sprache und Kultur, erläutert in zwei Beiträgen den kulturellen Zusammenhang dieser Textilkunst und ihre soziale Funktion, die angewandten Herstellungs- und Sticktechniken und versucht geographische und zeitliche Zuordnungen. Phantasievoll, ungewöhnlich und dennoch überzeugend ist sein Versuch einer Deutung der Muster und Formen aus der turkmenischen Märchenwelt. Höhepunkt dieser Publikation aber sind selbstverständlich die 48 sowohl im Ganzen wie auch in Details abgebildeten Suzanis von überwiegend höchstem künstlerischem Niveau. Diese großartigen Textilkunstwerke und die buchtechnischen Voraussetzungen, das große quadratische Format, die Aufnahmetechnik von Udo Hirsch und die hervorragende Farb- und Druckqualität reichen bereits aus, diesem Buch einen festen Platz in der Bibliothek eines Textilliebhabers zu sichern. Doch etwas anders kommt noch hinzu, das diese Edition zu einem Lieblingsbuch machen kann: Es ist ein echter Sammlungskatalog, wie er heute selten geworden ist. Es zeigt die in zwanzig Jahren zusammengetragene Kollektion eines Sammlers. Es vermittelt die Begeisterung dieses Sammlers für die Ästhetik und Schönheit dieser Textilkunst, seine wachsende und sich entwickelnde Kennerschaft und seine ganz individuellen Schwerpunkte und Vorlieben. Und es ist ein Sammlungskatalog, in dem vor allem auch der Sammler selbst zu Wort kommt und sehr persönlich und engagiert über seine Sammlung spricht, über ihr Werden und über seine Beziehung zu den einzelnen Stücken. Durch diese persönlichen Beiträge über das Entdecken dieser Kunstform, über das Entstehen und Wachsen der Sammlung bis zur Gestaltung des Kataloges und durch die individuellen Kommentare zu jedem einzelnen Suzani trägt der Katalog die Handschrift des Sammlers Ignazio Vok. Ein überwältigend schönes Buch.

All das gilt auch für den Fortsetzungsband. Wiederum ist es Jakob Taube, der phantasievoll und eigenwillig seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf lässt und aus kleinen Musterdetails große Visionen über deren Ursprung und Bedeutung entwickelt. Besonders haben es Taube die „Groß-Medaillon“-Suzani angetan, in der Sammlung Vok immerhin mit 7 Exemplaren vertreten, zu denen er aus der Diskrepanz zwischen der Kraft und Unbekümmertheit des Musters und der Feinheit des Materials Seide auf eine Begegnung und Verschmelzung nomadischer und städtischer Kulturen schließt, wie sie an der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert stattgefunden haben mag. Für Jakob Taube sind diese „Groß-Medaillon“-Suzani der Endpunkt einer Musterentwicklung, so wie der Suzani Nr. 49, der erste im neuen Band, den Anfang von etwas ganz Neuem markiert. Dieser ganz und gar ungewöhnliche, möglicherweise älteste heute bekannte Suzani – man darf auf die noch bevorstehende C14-Datierung gespannt sein – war es, der Ignazi Vok bewogen hat, seiner Sammlung von 48 Suzanis 31 weitere hinzuzufügen. Die Sammlung – schon damals einzigartig – hat dadurch nicht nur an Umfang, sondern an Qualität und Bedeutung gewonnen. Es kamen Stücke hinzu, die der These Ignazio Voks Rechnung tragen, dass sich Kennerschaft, Geschmack und das Gefühl für das „Charisma“ oder die „Aura“ eines Stückes mit dem Wachsen der Sammlung entwickeln oder vielleicht sogar ändern. Ignazio Vok hat seiner Sammlung einige Stücke hinzugefügt, die Rätsel aufgeben, die vielleicht aber auch der Beginn einer Antwort auf die Frage sind, was vor den Suzanis war oder welche Einflüsse an ihrem Anfang standen. So zeigt die Nr. 50 deutlich einen unverkennbar moghul-indischen Einfluss, während sich andere, z.B. die Nr. 68 durch ihre Ungewöhnlichkeit jeder Deutung entziehen. Solche ausgefallenen, bisher nie geschauten Stickereien sind es, die den zweiten Band prägen und der Sammlung – bildlich gesprochen – die Krone aufsetzen. Und wieder sind es die persönlichen Beiträge und Bemerkungen von Ignatio Vok, die das Besondere und Ungewöhnliche dieses Sammlungskataloges ausmachen. Inzwischen , also seit dem Erscheinen von Suzani 1, weiß die Welt der Sammler um die vielfältigen Sammlungsinteressen von Ignatio Vok. Er konnte, wie er schreibt, „nie nur eine Schönheit sehen und lieben“ und so entstanden Sammlungen chinesischen Porzellans, kaukasischer und persischer Flachgewebe, anatolischer Kelims, japanischer Lackarbeiten, italienischer Renaissance-Bronzen, zeitgenössischer Kunst und, zuletzt, chinesischer Möbel aus der Ming-Dynastie. Bei all diesen Objekten waren es immer die ästhetische Qualität, die handwerkliche Perfektion und das künstlerische Charisma, das Ignatio Vok zum Erwerb bewog. Bei den Suzani kam noch etwas hinzu: Diese textilen Kunstwerke sind für Ignatio Vok eine Verkörperung der „Schönheit“ von Kunst schlechthin und das Sammeln dieser Schönheiten ist für ihn ein ganz besonderer Akt der Lebensfreude. Die in den beiden Bänden in Text und Bild dokumentierte Sammlung ist so eine „Ignazio Vok-Sammlung“. Sie ist ein Dokument, um nochmals Jakob Taube zu Wort kommen zulassen, das einen bedeutenden Sprung innerhalb der menschlichen Bewusstseinsgeschichte in den künstlerischen Werken der Menschen einer bestimmten Zeit und einer bestimmten Gegend anschaulich belegt. Ignatio Vok versteht die Sammlung darüber hinaus als eine Hommage an die Frauen der Völker, die diese Kunst vor langer Zeit zur Blüte gebracht und später durch mancherlei Umstände verloren haben.

Wie Band 1 (für € 38.–) ist auch Band 2 in deutscher und englischer Sprache erschienen. Beide Bände können bezogen werden bei: Maria Vok, Via Cesare Battisti 16, I-35121 Padova, Fax: +39-049-8752890, studiovok@hotmail.com. Zm Buchpreis kommen noch die Versandspesen hinzu.

Print Friendly, PDF & Email