Power Dressing – Textiles for Rulers and Priests from the Chris Hall Collection

Autor/en: Chris Hall, Zhao Feng, John E. Vollmer u.a.
Verlag: Asian Civilisations Museum Singapore
Erschienen: Singapore 2005
Seiten: 488
Ausgabe: Broschur
Preis: 66.– Singapore Dollar
ISBN: 981-05-42186
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2006

Besprechung:
Den glücklichen Umstand, zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein, teilte Chris Hall mit einigen Millionen Chinesen, hunderttausenden von Europäern und Amerikanern und dem ganzen bunten Bevölkerungsmix Hongkongs. Und doch war er der einzige, der die Gunst der Stunde nutzte und eine Sammlung historischer chinesischer Textilien zusammentrug, die weltweit ihresgleichen sucht. Es ist eine schöne und lesenswerte Geschichte, die Chris Hall in dem Katalog der ersten Präsentation seiner Sammlung von über 150 herausragenden Textilien im Asian Civilisations Museum in Singapur (bis 9. April 2006) erzählt. Die Geschichte beginnt mit seiner Geburt, denn Sammler kann man nicht werden, Sammler werden geboren. Stationen dieses Sammlerlebens waren je nach Lebensalter Plastiktiere, Briefmarken, Bücher natürlich, Miniaturen und schließlich Taschenuhren. Dann kam die Versetzung des britischen Buchhalters Chris Hall nach Hongkong und damit die erste Begegnung mit dem Schätzen des Ostens. Eine Auktion chinesischer Roben wurde zur Liebe auf den ersten Blick. Chris Hall hing die Taschenuhren an den Nagel und sammelte fortan, bis heute, chinesische Textilien. Das war im Jahre 1978 und wäre nicht weiter aufregend, wenn es nicht den Blick des Sammlers für kommende Ereignisse geschärft hätte. Ab Anfang der 80er Jahre – China hatte gerade die Grenzen Tibets nach 30 Jahren totaler Abschottung geöffnet – tauchten vornehmlich am Handelsplatz Hongkong Textilien auf, wie sie nie zuvor gesehen worden waren. Im Gegensatz zu den etablierten Kunstobjekten aus Porzellan oder Jade, gab es jedoch kaum Sammler für diese unbekannten Textilien, die sich in der trockenen, keimfreien und durch Butterlampen und Räucherstäbchen sterilisierten Atmosphäre dunkler tibetischer Klöster und Tempel seit Jahrhunderten erhalten hatten. Es gab da zwar einige, meist amerikanische Museen und Kuratoren, die den Wert und die Sammelwürdigkeit dieser Dinge erkannt hatten, doch die nach oben offenen Ankaufsetats dieser Museen wurden durch die Schwerfälligkeit der Entscheidungsgremien relativiert. So war es Chris Hall – zur rechten Zeit am rechten Ort – der das Recht und die Möglichkeit des ersten Zugriffs hatte und nutzte. Es versteht sich, dass Chris Hall bedauert, nicht immer die nötigen Mittel zum Erwerb wichtiger angebotener Stücke gehabt zu haben, doch die Qualität der teilweise einzigartigen Textilien, Roben, Rangabzeichen, Thangkas, Priestergewänder und anderes mehr, enttarnen diesen Satz als das sammlertypische Klagelied, wonach die verpassten oder nicht wahrgenommenen Gelegenheiten die Lücken der Sammlung prägen und nie vergessen werden. Angesichts der hohen Qualität, des Umfang und des breiten Spektrums dieser Sammlung ist es fast ungerecht und fällt schwer, einige Highlights herauszustellen. Schon in der Gruppe der frühen Textilien, die eine Zeitspanne von der Zeit der Streitenden Reiche bis zur Yuan-Dynastie abdecken, sind neben anderen bedeutenden Grabfunden drei vollständige damastgemusterte Roben aus dem 6./7. Jahrhundert als wahrhaft sensationell zu bezeichnen. Es folgt eine Sammlung von 60 Rangabzeichen, weit überwiegend aus der Ming-Dynastie, wobei hier die seltenen, dekorativen, oft kreisrunden Abzeichen für Feste und Rituale besonders hervorzuheben sind. Unter den buddhistischen Textilien sind neben großartigen Tausend-Buddha-Roben, darunter eine in der seltenen „needleloop“-Technik, vor allem gestickte, gewebte und gewirkte Thangkas aus der Yuan- und Ming-Dynastie zu erwähnen. Die Krone gebührt aber einer kleinen Gruppe mingzeitlicher Roben, die in Tibet, wohl aus kaiserlichen Seidengeschenken zu tibetischen Chubas für hohe Lamas oder Adelige gemacht wurden. Schon die hierfür verwendeten Stoffe, reich gestickt oder in kesi-Technik gewirkt, sind einzigartig, jedoch der freie und im Gegensatz zu ihren chinesischen Kollegen weniger einer strengen Symmetrie verhaftete Umgang tibetischer Schneider mit diesem drachengemusterten Material ließ Kleidungsstücke entstehen, die weit über ihren Gebrauchszweck hinaus Denkmäler der Textilkunst sind. Kaiserliche Roben aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Wolkenkrägen, Altardecken, Wand- und Stuhlbehänge und geometrische patchwork-Arbeiten, wie sie in Tibet Altäre und Tempeldecken zierten, runden die Sammlung zu der gewiss weltweit bedeutendsten Privatsammlung chinesischer Textilkunst. Wäre das schon Grund genug, den Katalog uneingeschränkt zu empfehlen, kommen die Essays aus der Feder namhafter Autoren noch hinzu. Da findet man nicht nur den ganz persönlichen Bericht des Sammlers über das Wie und Warum seiner Sammlung, sondern auch eine Geschichte der Seide in China von Lee Chor Lin, einer durch viele Publikationen ausgewiesenen Textilspezialistin aus dem Asian Civilisations Museum in Singapur. Zhao Feng untersucht die Entwicklung der Motive von Sonne und Mond und von Drachen und Phönix aus der Zeit der Streitenden Reiche bis zur Ming-Dynastie. Die Bedeutung dieser Motive hat sich gewandelt, je nach dem, ob Chinesen oder fremde Machthaber wie etwa die mongolischen Yuan das Reich beherrschten. John Vollmer, einer der besten Kenner chinesischer Textilien aus dem Royal Ontario Museum in Toronto behandelt die kaiserlichen Textilien in der Chris Hall Collection und nimmt dies zum Anlaß, dem Ursprung der Rangabzeichen auf den Grund zu gehen. Auch wenn erst in der Ming-Dynastie ein festes, definiertes System der zivilen und militärischen Ränge und deren Symbolisierung durch fliegende oder erdgebundene Tiere eingeführt wurde, beruht die hierarchische Rangordnung der chinesischen Gesellschaft doch auf dem uralten konfuzianischen Wertesystem, das, ebenso wie die textilen Rangabzeichen, bis zum Ende der Qing-Dynastie im Jahre 1911 Bestand hatte. Ein weiterer Beitrag von Lee Chor Lin befasst sich mit dem bedeutenden Einfluss des Buddhismus auf die Textilkunst in China. Schließlich und endlich kommt mit Diana Collins auch eine Restauratorin und Konservatorin von Textilien zu Wort. Die von ihr aufgezählten, den Textilien drohenden Gefahren und die komplizierten aufwendigen Verfahren und Maßnahmen, diesen Gefahren zu begehen, könnten manchen davon abhalten, diese Dinge zu sammeln. Einen wahren Sammler wie etwa Chris Hall hat dies jedoch noch nie geschreckt. Ein rundum gelungener und wichtiger Katalog, der in keiner Bibliothek über chinesische Textilien fehlen darf.

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