Silk and Leather – Splendid Attire of Nineteenth-Century Central Asia

Autor/en: John T. Wertime
Verlag: The Textile Museum
Erschienen: Washington D.C. 2005
Seiten: 36
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: US-$ 18.–
ISBN: keine
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2005

Besprechung:
Wiederholt hat sich das Textile Museum in Washington als Trendsetter erwiesen. 1969 war hier erstmals eine Ausstellung „From the Bosporus to Samarkand“ ausschließlich Flachgeweben gewidmet. Dazu gehörten auch Kelims aus Anatolien, die dann eine beispiellose Erfolgsstory erleben sollten. 15 Jahre später wagte sich das Museum wieder an ein ungewöhnliches Thema. Die Ausstellung „Temple, Household, Horseback“ war dem damals noch kaum bekannten tibetischen Teppich gewidmet und öffnete den Blick in eine ganz neue Ästhetik geknüpfter Textilien. Mit der aktuellen Ausstellung „Silk & Leather“, Kleidung des 19. Jahrhunderts aus Zentralasien (bis 26. Februar 2006), wird wieder eine nur wenig bekannte, doch ausgesprochen reizvolle und vielseitige textile Tradition vorgestellt. Zwar sind zentralasiatische Textilien seit einigen Jahren durchaus en vogue, doch beschränkt sich das Interesse vorwiegend auf Susani und Ikat, Meisterwerke der Stick- und Webkunst zwar, aber eben doch nur ein kleiner Ausschnitt aus einer ungemein reichen Tradition. Hosen, Tuniken und Kaftans, Gürtel und Schärpen, Hüte, Kappen und Schleier, Schuhe, Stiefel und allerlei Accessoires wie Börsen oder Taschen, das alles für Männer und Frauen, Knaben und Mädchen wurden oft mit derselben Liebe, Kunstfertigkeit und Professionalität hergestellt wie Susanis und Ikatgewebe. Die Nummer eins der Ausstellung, ein Kaftan aus weichem Leder, prachtvoll bestickt mit Motiven wie man sie von Susanis kennt aber auch mit emblematischen Darstellungen, die an den zentralasiatischen Tierstil erinnern, ist ein solches Meisterwerk. Dieses Prachtstück mag der Zeremonialkaftan eines kasachischen Großkhan gewesen sein und er steht hier mit dem Begriff „Silk & Leather“ auch als eine Metapher für das Nebeneinander verschiedener Völker und Kulturen, ihre gegenseitige Beeinflussung und ihre Vermischung, für das also, was den spezifischen Reiz zentralasiatischer Kunst und Kultur ausmacht. Entsprechend vielfältig sind die gezeigten Stücke. Ein seltener, vollflächig bestickter Kaftan aus Sharisabz, Ikat-Mäntel aus Samt und Seide, ein mit komplexen Motiven bestickter Mantel einer Turkmenin vom Stamm der Tschaudoren. Hüte und Kappen der Ersari- und Arabatschi-Nomaden, bunte, mit Lederintarsien und Stickerei verzierte Stiefel und ein Brautschleier der Pamir-Tadschiken geben einen wunderbaren Einblick in die Vielfalt und Schönheit der Kleidung der städtischen, ländlichen und nomadischen Eliten im 19. Jahrhundert, dem letzten Jahrhundert traditionellen Lebens in Zentralasien. Es war, nach einer langen Zeit des Niedergangs und der Bedeutungslosigkeit, eine Zeit der Blüte für Wirtschaft und Handel und damit auch für Kunst und Kultur, bevor die politischen und ideologischen Stürme des 20. Jahrhunderts auch diese Zeit hinwegfegten. John Wertime beschreibt in seinem einführenden Text die Funktionen und Typen der Kleidung in den verschiedenen Gesellschaften und schließt mit dem Hinweis, dass Ausstellung und Katalog nur ein erster Schritt sein können für ein besseres Verständnis und für wachsendes Wissen um die Kostümkunde Zentralasiens. Ein erster Schritt, dem sicher weitere folgen werden. Es bedarf oftmals solcher Anstöße, um schlummerndes Material in Depots und Sammlungen zu wecken.

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