The Garden of Pomegranates (Il Giardino del Melograni)

Autor/en: Enzo Danon, Roberto Danon
Verlag: Textilia Editioni d´Arte
Erschienen: Rom 2004/2005
Seiten: 126 Seiten und mehrere Ausklapptafeln
Ausgabe: Leinen mit Goldprägung im Leinenschuber
Preis: ca. € 70.–
ISBN: ohne
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2006

Besprechung:
Teppiche aus Ostturkestan sind ein Stiefkind der Teppichliteratur. Neben der einzigen und zugleich ausgezeichneten Monographie von Hans Bidder gibt es außer einigen wenigen Händlerkatalogen und der kaum bekannt gewordenen Feldstudie von Helena Obendiek (1997) eigentlich so gut wie nichts. Darüber hinaus werden Teppiche aus Ostturkestan unter ganz unterschiedlichen Bezeichnungen mal in Büchern über Teppiche aus China (Lorentz, Eiland, Larsson), ein andermal in solchen über turkmenische Teppiche (Schürmann, Milhofer) am Rande erwähnt und mehr oder weniger kurz abgehandelt. Durchweg handelt es sich dabei um ältere Teppichliteratur, der „Bidder“ ist sogar schon 1964 erschienen. Das lässt vermuten, dass Hans Bidder das Thema erschöpfend behandelt hat und tatsächlich tragen die genannten späteren Autoren nichts Wesentliches an neuem Wissen bei. Nehmen wir das für diese Teppiche typische Granatapfelmuster. Allein Bidder widmet diesem, von ihm „Vasen-Granatapfel-Muster“ genannten Motiv eine kleine kunsthistorische Untersuchung, vermutet dessen Ursprung im Iran, lässt die Frage aber letztlich offen. Andere (Milhofer) sehen die Wurzeln des Motivs in der buddhistischen Gandhara-Kultur (Milhofer) oder im Tarim-Becken, also dort, wo die Teppiche geknüpft wurden (Schürmann). Und genau zu diesem Thema gibt es nun einen neuen diskussionsfähigen Beitrag. Die rührige, in Rom und New York beheimatete Galerie Danon, seit jeher auch zentral- und ostasiatischen Themen verpflichtet, hat eine Ausstellung von knapp 50 ostturkestanischen Teppichen veranstaltet und hierzu in Verbindung mit der Galerie Textilia einen wunderbar gestalteten, noblen Katalog veröffentlicht (allerdings lassen die Abbildungen an Klarheit und Farbwiedergabe zu wünschen übrig). Angesichts der Seltenheit ostturkestanischer Teppiche ist schon die schiere Anzahl bemerkenswert, auch wenn nur ein knappes Dutzend zu den klassischen Stücken, gar solchen aus dem 18. Jahrhundert gezählt werden können. Vor allem aber soll hier der umfangreiche, einleitende Text gewürdigt werden, der ein überraschender Beitrag zur Herkunft des Granatapfelmusters ist. Für die Autoren ist dieses Granatapfelmuster das zentrale Motiv fast aller Teppiche aus Ostturkestan, also aus den Oasen von Kaschgar, Yarkand und Khotan. Sie sehen es nicht nur dort, wo es sich, wie in den Vasen-Granatapfel-Teppichen, quasi aufdrängt, sondern in Form von Blüten, Blättern, einzelnen Früchten und Samen des Granatapfels fast in jedem Design, das wir aus dieser Region kennen. In einer aufwendigen, kenntnisreichen und gut belegten Untersuchung wird nun die Bedeutung des Granatapfels und des Granatapfel-Lebensbaums in der Geistesgeschichte und der kabbalistischen Literatur des sephardischen Judentums im Spanien des 13. bis 15. Jahrhunderts beschrieben und analysiert. Ausgangspunkt ist ein Buch des sephardischen Mystikers Moses de Cordovero (1722-1570) mit dem hebräischen Titel pardes rimonim (Granatapfelgarten). In dem Symbolismus jüdischer Mystiker ist der zum Lebensbaum gewordene Granatapfelbaum ein zentrales Motiv, gleichsam der Bauplan der Welt. Dieses Lebensbaummotiv, das bei Cordovero als ein abstraktes Diagramm der den gesamten Kosmos erfassenden zehn Sphären dargestellt ist, lässt sich nun ohne weiteres in den einen oder anderen Granatapfelteppich aus Ostturkestan hineininterpretieren oder gar hineinzeichnen. Der daraus gezogene Schluss, dass die Motive ostturkestanischer Teppiche ihren Ursprung in der Kabbala haben, dass wir also in fast allen Teppichen aus dieser Region eine spezifisch jüdische Symbolik finden, ist eine neue und interessante These. Dem Rezensenten erscheint sie aber doch ein wenig weit hergeholt. Auch wenn es stimmt, dass sich sephardisch jüdische Händler im 18. Jahrhundert in Khotan und Yarkand niedergelassen haben, wenn sie auch Kenntnisse in der Teppichweberei mitbrachten und Einfluss auf die einheimischen Webereien und Manufakturen nahmen, so scheint das Motiv doch sehr viel älter zu sein. Nicht nur, dass die in fast allen Granatapfel-Lebensbaum-Teppichen dargestellte Vase von den Autoren ohne jede Erklärung bleibt, ist auch ein Zusammenhang mit der fast im ganzen Orient mit dem Grantapfel seit der Antike in Verbindung gebrachten Fruchtbarkeitssymbolik sehr viel nahe liegender. Und nicht nur das. In den muslimischen Oasenstädten Ostturkestans, umgeben von der berüchtigten Taklamakan-Wüste war die Gartensymbolik sicher ein beliebtes und wichtiges Thema. Die Sehnsucht nach dem mythischen Urgarten, dem Paradies, in dem der Mensch, umgeben von Pflanzen, Blüten und Bäumen, im Einklang mit der Natur lebt, ist fest im Islam verankert. Dieser mythische Garten als ein kleiner begrenzter Platz, als ein Garten für die Seele, ist als musterbestimmende Idee gewiss prägend für viele orientalische Teppiche, darunter auch solche aus Ostturkestan, gewesen. Wie dem auch sei, der jüdische Ursprung des Granatapfelmusters in ostturkestanischen Teppichen ist eine intelligent vorgetragene Idee, die die Diskussion um diese Teppiche nur beleben kann.

Print Friendly, PDF & Email