Dream Weavers – Textile Art from the Tibetan Plateau

Autor/en: Thomas Cole
Verlag: Times Edition – Marshall Cavendish
Erschienen: Singapore 2004
Seiten: 188
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 52.–
ISBN: 981-232-941-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2004

Besprechung:
Die meisten Kriterien für die Beurteilung der Schönheit und Qualität von Teppichen versagen bei Teppichen aus Tibet. Muster, Ästhetik, Knoten, Wolle, Farben, alles ist anders und ungewohnt und so reichen die Empfindungen von vollkommener Ablehnung bis zu spontaner Begeisterung. Und bei all dem ist nur sicher, dass man vom tibetischen Teppich fast nichts weiß. Reinhard Hubel, einer der ersten Kenner und Sammler von Bauern- und Nomadenteppichen schrieb noch 1965 in seinem bei Ullstein erschienenen Teppichklassiker, dass von tibetischen Teppichen nichts bekannt ist. Erst die von Heinrich Jacoby überarbeitete Auflage 1972 enthält im Kontext mit der Vorstellung so exotischer Teppichländer wie Polen oder Italien ein Kapitel über tibetische Teppiche. Zu sehen sind dort Teppiche mit großen Blumen, mit Wolkenmotiven und mit fliegenden Drachen und Fledermäusen. Es waren dies die Teppiche, wie sie Tibeter auf der Flucht vor dem kommunistischen China seit 1959 in ihr Exil mitgebracht haben und wie sie dann in Kathmandu auf den Markt kamen. Das Vorurteil über den aus China entliehenen Musterkanon und über die problematischen, oft synthetischen Farben tibetischer Teppiche wurde in jenen Jahren geprägt, und es hält sich bis heute. Erst nach der Öffnung Tibets für westliche Reisende zu Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts kamen dann sukzessive offenbar ältere Stücke auf den Markt, Teppiche mit Medaillons, mit buddhistischer Symbolik, mit geometrischen Mustern und mit harmonischen, satten Farben. In einer Ausstellung des Textile Museum, begleitet von einem noch heute aktuellen Katalog, waren einige dieser ganz anderen tibetischen Teppiche 1984 erstmals zu sehen. Seither stellt sich die Frage nicht nur nach dem Alter solch genuin tibetischer Teppiche und nach der Herkunft ihrer Muster, sondern vor allem nach den Ursprüngen tibetischer Teppichweberei. Wie kam das Teppichknüpfen nach Tibet, von woher, wie haben sich die Muster entwickelt und was haben sie zu bedeuten? Zu keiner anderen Teppichprovenienz sind so viele Fragen ohne Antwort. Feldforschung zum tibetischen Teppich hat es kaum gegeben und wenn, dann kam sie zu spät. Auch Thomas Cole, ein intimer Kenner tibetischer Geschichte und seit langem Connoisseur tibetischer Teppiche weiß in seinem Buch zum Thema nichts wirklich Neues zu berichten, aber seine Überlegungen und Schlussfolgerungen sind ein wertvoller Beitrag zur knappen Literatur über tibetische Teppiche. Seine These, daß die Tradition und Ästhetik tibetischer Teppiche nomadischen Ursprungs ist, deckt sich mit der verhältnismäßig jungen Erkenntnis, dass manche Nomaden Tibets noch heute und nur für ihren eigenen Bedarf Teppiche knüpfen und sie deckt sich mit der Überlegung, dass die Wurzeln Tibets in der nomadischen Vergangenheit dieses Landes liegen und eng mit Zentralasien verbunden sind. Natürlich ist es reine Spekulation, die geheimnisvolle Zhang Zhung Kultur oder die Präsenz der Tocharier in Zentralasien mit tibetischer Teppichkultur in Verbindung zu bringen und doch darf man die wechselseitigen Einflüsse zwischen Zentralasien und Tibet bei der Frage nach den Ursprüngen textiler Tradition in Tibet nicht außer Acht lassen. Es ist ein neuer aber ein überzeugender Ansatz, wenn Thomas Cole in der textilen Kultur Tibets nicht, wie das meist vermutet wird, in erster Linie eine buddhistisch inspirierte Kunstform sieht, sondern die Teppichproduktion in Tibet für eine sehr alte, überwiegend weltliche Handwerkskunst hält. Belege dafür gibt es bis heute nicht, auch nicht in der Sammlung von Shirin und Giuseppe De Giosa, von der in diesem Buch 68 ausgewählte Stücke gezeigt und beschrieben werden. Das Spektrum dieser Teppiche ist weit gespannt und reicht von den Drachen-Phönix- oder Blumenmustern, wie sie das tibetische Großbürgertum vor der chinesischen Invasion so liebte, bis zu den urwüchsigen kettgesichtigen Bauernteppichen aus Wangden Dromtse, vom Schachbrett- und Rautendesign bis zum typisch tibetischen Kreuzchen- oder tigma-Muster, vom chinesischen Brokatmedaillon im unendlichen Rapport bis hin zu Medaillons, die ihre Herkunft aus dem zentralasiatischen Musterschatz kaum verleugnen können. Aus schmalen Streifen zusammengesetzte Nomadenteppiche, sogenannte tsudruks finden sich ebenso wie eine ganze Anzahl der seltenen trapezförmigen Pferdedecken. Thomas Cole bestätigt mit diesem Buch einmal mehr den immer wieder überraschenden Musterreichtum tibetischer Teppiche. Die erstaunliche Vielfalt und der freie Umgang tibetischer Teppichkünstler mit Form und Farbe hat auf dem Dach der Welt eine einzigartige, unvergleichliche Teppichkultur entstehen lassen. Es bleibt zu hoffen, dass künftige Archäologie ebenso wie die systematische Erschließung tibetischer Bibliotheken weitere Erkenntnisse über die Entstehung tibetischer Teppichkunst bringt, die die bisherige Feldforschung nicht zu leisten vermag.

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