The Coptic Tapestry Albums and the Archeologist of Antinoé, Albert Gayet

Autor/en: Nancy Arthur Hoskins
Verlag: University of Washingtom Press
Erschienen: Seattle and London 2004
Seiten: XXIV, 160
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: 55.– US-$
ISBN: 0-295-98374-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2005

Besprechung:
Antinoopolis oder, wie es die Franzosen später nannten, Antinoé, war eine lebendige, blühende Stadt im mittlerern Ägypten, auf halbem Wege zwischen Kairo und Theben. Im Jahre 130 n.Chr. vom römischen Kaiser Hadrian an der Stelle gegründet, an der der junge Antinous im Nil ertrunken war, muss diese am Reißbrett entstandene Stadt, mit breiten gepflasterten Straßen, gesäumt von Tempeln, Bädern und weltlichen Bauten, errichtet aus importiertem Marmor, einen prächtigen Anblick geboten haben. Die Bewohner griechischer Herkunft waren weltoffen und tolerant. Osiris, Apoll, Dionys und Jesus Christus wurden gleichermaßen verehrt. Mit dem Niedergang des römischen Kaiserreichs endete die nur wenige Jahrhunderte anhaltende Blüte von Antinoé. Schließlich wurde die Stadt im 6. Jahrhundert von einer verheerenden Beulenpestepidemie heimgesucht, von der sie sich nie wieder erholt hat. Antinoopolis verschwand allmählich aus Landkarten, Geschichtsbüchern und aus der Erinnerung. In der nach Napoleons Ägyptenfeldzug einsetzenden Ägyptenbegeisterung des 19. Jahrhunderts galten die Reste von Antinoé als malerische aber letztlich wenig interessante Ruinen, auch wenn der eine oder andere unter dem Sand Spuren einstigen Lebens vermutete. Einer dieser Visionäre, Emile Etienne Guimet, Gründer des berühmten Pariser Museums, schickte 1896 eine Expedition zur Erkundung von Antinoé nach Ägypten und beauftragte mit ihrer Leitung den bereits ägyptenerfahrenen Archäologen Albert Gayet. Die Ausgrabung von Antinoé wurde dessen großes Lebenswerk. Er entdeckte die ausgedehnten Gräberfelder ebenso wie seine Liebe zu den farbenfrohen Textilien und Gewändern mit denen die Menschen in Antinoé ihre Angehörigen im trockenen Sand der Wüste bestattet hatten. Man schätzt, dass Gayet bis zu seinem Tode 1916 mehr als 150.000 Fragmente von Textilien aller Art aus dem Sand geborgen hat. Und hier setzt die Kritik ein. Bereits seine erste Publikation der in Antinoe gefundenen Textilien enthielt keine Maße, keine Zeichnungen oder Photos, keine präzisen Beschreibungen der Muster und Motive, nichts über Material und Struktur, keine Fundorte und keine Nummerierung. Auch im Nachlass von Gayet wurden keine Aufzeichnungen gefunden. Kuratoren und Sammler haben damit bis heute ihre liebe Not. So ist es Glücksfall und Sensation, dass nach einer offenbar Jahrzehnte währenden Irrfahrt ein Paar repräsentativer Alben auftauchte, ein Band mit Textilien und ein Band mit Texten aus der Feder von Albert Gayet, versehen mit seiner Signatur. Das gründlich recherchierte und kenntnisreich geschriebene Buch von Nancy Hopkins versteht sich gewissermaßen als ein dritter Band, der erzählt, was wir heute über die Textilien von Antinoé wissen, über ihren charismatischen und fanatischen Entdecker und über das Schicksal dieser Textilfragmente, die über die gesamte Welt in ungezählten öffentlichen und privaten Sammlungen zerstreut sind. The Coptic Tapestry Albums ist eine aufregende archäologische Detektivgeschichte und die Autorin versäumt es nicht, eine Anzahl von Legenden und Geschichten einzustreuen. Da ist etwa die Geschichte der Kurtisane Thais, die von dem christlichen Mönch Sérapion zum wahren Glauben und einem gottgefälligen Lebenswandel bekehrt wurde. Beide Gräber hat Gayet gefunden und konnte sie identifizieren. Oder wir erfahren, wie sich der junge Matisse im Jahre 1900 bei der Ausmalung des Grand Palais für die Pariser Weltausstellung für die ausdrucksvollen Darstellungen auf den Fragmenten begeistert hat, und in der Tat kann eine Verwandtschaft zwischen dionysischen Szenen auf koptischen Wirkarbeiten und den Bildern mit bukolischen Tanzfesten von Matisse nicht geleugnet werden. Auch von Andre Derain, Georges Roualt, Auguste Rodin oder Mark Tobey ist bekannt, dass sie koptische Textilien sammelten und sich von ihnen immer wieder Anregungen holten. Im Mittelpunkt aber stehen die liebevoll in den Alben zusammengestellten Textilfragmente. Vögel in Wirktechnik, juwelengeschmückte Kreuze, zechende Centauren, glückbringende Putti und dionysische Tänzer teilen sich das Album mit Hasen, Löwen, Leoparden und mit Portraits aus einer vergessenen Welt. Einst schmückten diese Fragmente die Kleidung sowie häusliche und kirchliche Textilien. Die Figuren und Ornamente, Flora und Fauna, bunt oder monochrom, pulsieren von Lebendigkeit und lassen vergessen, dass sie Gräbern und in der Wüste gefunden wurden.

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