Keshte – Central Asian Embroideries – The Marshall and Marilyn Wolf Collection

Autor/en: Ernst J. Grube
Verlag: M. & M. Wolf
Erschienen: New York 2003
Seiten: 144
Ausgabe: Hardcover illustriert
Preis: 60.– US-$
ISBN: 0-9728533-0-8
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2003

Besprechung:
Die Ausstellung der Sammlung zentralasiatischer Stickereien des New Yorker Sammlerehe-paars Marilyn und Marshall Wolf in den großzügigen Präsentationsräumen von Sotheby´s an der York Avenue war ein glanzvoller Höhepunkt der New York Extension Tour im Anschluß an die X. Internationale Konferenz für Orientteppiche (ICOC) in Washington. Dies nicht nur für die Gäste sondern auch für die Gastgeber, die selbst zum ersten Mal ihre in 10 Jahren zu-sammengetragenen Schätze vollständig, museal präsentiert und exzellent beleuchtet betrachten konnten. Die Sammler – Marilyn Wolf hatte darüber hinaus die mit textilen und kulinarischen Leckerbissen vollgepackte New York Tour glänzend organisiert – wurden denn auch reich mit Komplimenten und Dank bedacht, die der Rezensent hier herzlich wiederholen darf. Dank und Gratulation auch für die zur Konferenz erschienene Publikation dieser Sammlung, die höchs-ten Ansprüchen gerecht wird und die, soweit dies ein Buch überhaupt zu leisten vermag, fast die Präsentation der Originale ersetzt. 35 Susani, 35 dieser großformatigen und großartigen zentralasiatischen Stickereien, Prunkstücke des Brautschatzes junger Mädchen aus Buchara, Samarkand und anderen Oasenstädten und ein Dutzend weiterer hochrangiger Stickarbeiten, Gürtel, Bänder, Taschen und Tier-schmuck, vermitteln einen Überblick über eine textile Kunst, die im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahr-hunderts einen großartigen Höhepunkt erreicht hatte. Das große Format des Buches (25 x 35 cm), ein perfektes Layout und Design, detailgenaue und farbgerechte Wiedergaben aller Stücke, ein Dutzend seitenfüllender, zum Teil doppellblattgroßer Ausschnittvergrößerungen, die sogar Einblick in die verschiedenen Sticktechniken zu geben vermögen, lassen keine Wünsche offen. Gleiches gilt für die Texte, für den einführenden Essay, mit dem Ernst J. Grube nach einem historischen Überblick eine an den Mustern orientierte Klassifizierung der Susani versucht, vor allem aber für die sorgfältige Beschreibung der einzelnen Stücke unter Angabe aller technischen und Strukturmerkmale nebst zahllosen Hinweisen auf Literatur und Vergleichsmaterial. Die fünfseitige Biblio-graphie am Ende des Buches könnte nun zu der Annahme verleiten, daß die Herkunft und das Alter dieser zent-ralasiatischen Stickarbeiten weitgehend erforscht und aufgeklärt sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die beispiellose Karriere, die Susanis in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Sammlerkreisen erlebt haben, hat in ihrer wissen-schaftlichen Erforschung leider keine Parallele. Da der Niedergang dieser Kunstform bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit den ersten zarten Anfängen einer „Globalisierung“ in Zentralasien begann und spätestens mit der Sowjetisierung dieser Region besiegelt war, kann aktuelle Feldforschung heute kaum noch Erkenntnisse bringen. Das in russischen Quellen des frühen 20. Jahrhunderts möglicherweise vorhandene, reiche Material ist bisher kaum bzw. unzureichend zugänglich und nur in vereinzelten Übersetzungen bekannt. So bleiben nur die Stücke selbst, die durch das lebhafte Sammlerinteresse aus alten westlichen Sammlungen und – nach Öffnung der Grenzen – auch aus den Herkunftsländern selbst in beträchtlicher Menge auf den Markt kamen, die aber über ihren Ursprung nur wenig aussagen. So sind bis heute sind nur drei Susani bekannt geworden, die Datierungen tragen und auch das bei Teppichen bewährte Mittel der Datierung anhand von alten Bildern versagt hier voll-kommen. Vom Autor werden daher konsequent weder Altersbestimmungen noch geographische Herkunftsanga-ben angeboten und das ist gut so. Die Vielfalt der Menschen, Ethnien und Sprachen in Zentralasien, die kaum erforschte Migration von Völkern und Familien, sowie eine über Landes- und ethnische Grenzen hinausgehende Kriegs- und Heiratspolitik lassen jede exakte geographische Zuordnung zentralasiatischer Stickereien bis heute problematisch erscheinen. Dem Buch Keshte – „Keshte“ ist eine der vielen lokalen Bezeichnungen für diese Arbeiten – tut dies keinen Abbruch, denn die Schönheit und Vielfalt der Susani aus der Sammlung Wolf bedarf keiner Datierung. Wann und wo immer sie entstanden sein mögen – sie gehören zu den schönsten und bedeu-tendsten ihrer Art, und viele der in diesem Buch vorgestellten Stücke sind tatsächlich einzigartig und ohne Ver-gleichsexemplare. Keshte ist ein außerordentlich schönes und wichtiges Buch zur textilen Kunst Zentralasiens. (- mb -)

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