Sari to Sarong – Five Hundred Years of Indian and Indonesian Textile Exchange

Autor/en: Robyn Maxwell
Verlag: National Gallery of Australia
Erschienen: Canberra 2003
Seiten: 216
Ausgabe: Softcover
Preis: –.– engl. Pfund
ISBN: 0-642-54113-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Hätte Kolumbus 1492 nicht zufällig Amerika entdeckt, sondern wie eigentlich geplant die Gewürzinseln erreicht, er wäre überrascht und enttäuscht gewesen, dass ihm der wesentliche Grundstoff für den Erwerb kostbarer Gewürze fehlte: indische Textilien. Doch der von Kolumbus beabsichtigte schwungvolle Gewürzhandel ließ dann aber nicht mehr lange auf sich warten. Bereits im November.1497 umsegelte der Portugiese Vasco da Gama ostwärts das Kap der Guten Hoffnung und Fernand Magellan erreichte auf der Westpassage den Stillen Ozean zwei Dutzend Jahre später. Aber die diesen Entdeckern rasch folgenden Kaufleute kamen relativ spät. Sie fanden ein seit mehr als tausend Jahren eingespieltes und funktionierenden Tauschhandelssystem vor, in dem Textilien aus Indien quasi die Rolle einer Währung spielten. Die Portugiesen und Spanier, wenig später vor allem die Holländer und Briten lernten diese Spielregeln sehr rasch, übernahmen den Handel von ihren asiatischen Vorgängern und kontrollierten den Tauschhandel mit Gewürzen und Textilien vom 16. bis ins 18. Jahrhundert. Die Vorherrschaft des indischen Textilhandwerks in Material, Technologie und künstlerischer Verarbeitung blieb in all dieser Zeit ungebrochen, ist aber nur ein Aspekt des bestimmenden Einflusses, den der Subkontinent schon immer auf den ganzen südostasiatischen Raum hatte. Der frühe Einfluss der großen Philosophien und Religionen Indiens auf die Inselreiche Südostasiens ist in Architektur und Skulptur unübersehbar. Die grandiosen budd-histischen Ruinen in Java und die Spuren hinduistischer Kunst in Bali sind faszinierende Zeugen dieser uralten kulturellen Verbindungen. Frühe Textilien, soweit sie nicht Spuren in Bildwerken aus Stein und Metall hinterlassen haben, waren bis vor wenigen Jahren nur in Fragmenten, etwa aus den Fostat-Funden, bekannt. Das hat sich dramatisch geändert. Ausgerechnet im tropischen Südostasien wurden nun im ausgehenden 20. Jahrhundert frühe indische Textilien aus dem 14. bis zum 16. Jahrhundert in verhältnismäßig großer Anzahl und teilweise perfekter Erhaltung gefunden. Diesem erstaunlichen Sachverhalt und dem Einfluss indischer Textilkunst auf die lokalen textilen Traditionen Südostasiens ist ein Katalogbuch der australischen Nationalgalerie in Canberra gewidmet. Das Museum hat eine überraschend reiche Sammlung, die in den vergangenen Jahren durch die bedeutende Privatsammlung indonesischer Textilien von Robert J. Holmgren und Anita A. Spertus bereichert wurde. Über 200 Textilien vom 14. bis zum 20 Jahrhundert werden in schönen Farbabbildungen, teilweise in instruktiven Ausschnittvergrößerungen und mit begleitenden Texten vorgestellt. Ausgangpunkt und zentrales Thema sind die großartigen, dekorativen indischen Stoffe aus der Zeit vor der Kontrolle und Ausweitung des Handels durch europäische Kaufleute. Wie konnten diese farbenfrohen, floral oder mit phantastischen Figuren bemalten oder bedruckten Baumwollstoffe oder auch seidene Doppelikat-Gewebe, die so genannten patolas, die tropischen Bedingungen Äquatorial-Asiens, das feuchtheiße Klima, die Angriffe von Insekten und die Perioden von Armut und Krieg überstehen? Zu erklären ist dies nur mit der Bewunderung, Wertschätzung und Verehrung, die eine Gesellschaft, in der textiles Handwerk und textile Kunst schon immer einen ganz hohen Stellenwert einnimmt, den unerreicht schönen und exotischen Produkten aus dem fernen Indien entgegenbrachte. Die großen, oft bis zu 6 Meter langen Stoffe aus Indien waren von Anfang an besonderen Anlässen und Ritualen vorbehalten, wurden als Schätze sorgfältig verwahrt und behütet und niemals verbraucht. Sie haben – und das ist das zweite wichtige Thema dieses Buches – natürlich eine Vorbildfunktion entfaltet und waren in Design und Technik prägend für die eigene Textilkunst Indonesiens. Einheimische Weberinnen – im Gegensatz zu Indien, wo das Weben noch heute Männersache ist, ist die Herstellung von Textilien in Indonesien eine Domäne der Frauen – ließen sich beeinflussen und übernahmen das Vorbild. Doch waren es keine Kopien, das ließen die anderen Materialien und die viel einfachere technische Ausstattung nicht zu. Es entstanden vielmehr durchaus eigenständige, auch von Ort zu Ort oder von Insel zu Insel wechselnde und vom indischen Vorbild verschiedene textile Traditionen. Ein Beispiel dafür sind etwa die Schiffsdarstellungen auf Textilien des südlichen Sumatra oder die Abbildung von Dämonen und geflügelten Ungeheuern auf Tüchern aus Bali. All diese heimischen Textilien waren im Gegensatz zu den kostbaren indischen Schätzen aus Gujarat oder von der Koromandelküste für den täglichen Gebrauch und Verbrauch bestimmt, und so datieren diese indonesischen Stoffe frühestens aus dem späten 19. oder dem frühen 20. Jahrhundert. Ein weiteres Kapitel indonesischer Textilkunst ist schließlich das vom Glanz der goldenen Textilien an indonesischen Königs- und Fürstenhöfen. Wie überall auf der Welt war auch hier Gold das wichtigste Symbol für Macht und Reichtum, dokumentiert hier vor allem durch den Luxus und Dekor der Kleidung. Bereits frühe europäische Reisende waren beeindruckt von der Pracht und Vielfalt der Goldstickerei an Hoftrachten indonesischer Prinzen und Könige. Im Umgang mit Gold- und Silberfaden entwickelten die indonesischen Kunsthandwerker im Laufe der Jahrhunderte eigene Technologien, vor allem zahlreiche unterschiedliche und komplizierte Brokattechniken, Schwere, kostbare Gewebe mit prachtvollen goldenen Mustern, manchmal überladen, oft von erlesenem Geschmack sind Zeugnisse dieser höfischen Pracht. Am anderen Ende des breiten Spektrums indonesischer Textilien stehen die reservegefärbten Baumwollstoffe, farbenglühende Plangistoffe aus Sulawesi und narrative Batikarbeiten aus Java. Sari to Sarong ist ein überraschend vielfältiger und reichhaltiger Überblick über die südostasiatische Textilkunst und ihre faszinierende Geschichte.

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