Traditional Textiles of Cambodia – Cultural Threads and Material Heritage

Autor/en: Gillian Green
Verlag: River Books
Erschienen: Bangkok 2003
Seiten: 320
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 30.– engl. Pfund
ISBN: 974-8225-39-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2004

Besprechung:
Schiffe faszinieren. Das war schon immer so und überall, Schiffe brachten Reichtum und Macht, oft aber auch Verderben. Mit Schiffen wurden Gold, Textilien und andere Handelswaren transportiert aber auch Waffen und ganze Armeen. Schiffe brachten machtvolle kulturelle und religiöse Einflüsse in entfernte Regionen. So nimmt es nicht Wunder, daß Schiffe in fast allen Religionen eine symbolische, oft mythische Rolle spielen. In der katholischen Welt etwa ist das Schiff Petri in Wort und Bild die Bezeichnung der Kirche an sich und im Buddhismus werden dessen einzelne Ausprägungen, die „Fahrzeuge“ (jana), vom Bild des Schiffes auf dem Ozean der Existenz abgeleitet. Sehr häufig ist das Schiff mit dem Mythos vom Tod und dem Übergang in eine andere Welt verbunden. So fährt nach der altgriechischen Vorstellung Charon die Verstorbenen mit seinem Kahn über den Unterweltfluß Acheron und die Wikinger bestatteten ihre Könige in Schiffen. In der vom Meer umspülten Inselwelt Südostasiens ist diese symbolische und mythische Bedeutung von Schiffen besonders ausgeprägt und Schiffe finden sich in der Malerei und auf Gegenständen aus Stein Holz und Metall. Schiffsdarstellungen auf Textilien sind auf den schönsten und sorgfältigst hergestellten Webarbeiten zu finden, deren Gebrauch ausschließlich dem religiösen Ritual oder höchsten Festen vorbehalten war. Indonesische Schiffstücher, aus Bali etwa, vor allem aber aus Sumatra, gehören daher zu den schönsten textilen Erzeugnissen Südostasiens und sind von Sammlern seit jeher hochbegehrt. Daß solche Schiffstücher auch auf dem südostasiatischen Festland eine Tradition haben war bislang weniger bekannt. In dem grandiosen Buch von Gillian Green über traditionelle Textilien von Kambodscha ist diesen Schiffstüchern ein ganzes Kapitel gewidmet und wir sehen viele einzigartige, hier meist erstmalig veröffentlichte Stücke, die an Schönheit und künstlerischer Qualität denen aus Sumatra nicht nachstehen. Die Unbekanntheit dieser Textilien mag daran liegen, daß ihre Produktion vor knapp einhundert Jahren aufgrund der politischen Wirren und kulturellen Änderungen im Lande endete und sie heute nur noch in Museen und Sammlungen zu finden sind. Die Symbolik dieser Kettikate, in Kambodsch hol genannt, ist faszinierend und geheimnisvoll. Die Schiffsdarstellungen, entweder archaische, landestypische Schiffsformen mit Drachenbug, andere naturalistisch mit gesetzten Segeln und wieder andere zu Pagoden verfremdet, sind umgeben von Vögeln, Pfauen, Drachen, Dämonen, Lebensbäumen und schwer zu deutenden Gestalten. Welche Rolle diese Textilien im alten Kombodscha gespielt haben, ist heute nicht mehr bekannt und Gegenstand spekulativer Überlegungen des Autors. Die aufwendige Technik und die Meisterschaft in der Verarbeitung lassen vermuten, daß sie, ähnlich wie in Indonesien, bedeutenden Ritualen und Festen vorbehalten waren, wobei das Schiff wohl immer als ein Symbol für einen Wandel stand. Solche Übergangsrituale waren etwa der Wandel vom Kind zum erwachsenen Menschen im Hochzeitsritual, vom Leben zum Tod im Begräbnisritual und – ein wichtiger Abschnitt im kombodschanischen Jahr – das Ende der Regenzeit, der Übergang der von Regen, Mond und Dunkelheit bestimmten Jahreszeit in die Zeit von Sonne und Licht. Im Gegensatz zu den verschwundenen Schiffstüchern Kambodschas werden die pidan, die ebenfalls in hol-Technik hergestellten buddhistischen Textilien, Wandbehänge mit Szenen aus den vielen Leben Buddhas, bis heute als sogenannte „Elefanten-„ oder „Tempeltücher“ vor allem für den Tourismus hergestellt. In dem Buch finden wir Dutzende dieser pidams aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eines von Buddha Shakyamunis früheren Leben, das Leben des Prinzen Vessantara, eine Parabel vom der Belohnung für ein selbstloses Leben, ist das beliebteste und vielfach dargestellte Motiv. Prinz Vessantara auf einem weißen Pferd, ein Pavillon mit Vessantaras Frau und Kindern, Brahmanen, meditierende Buddhas und große weiße Elefanten formen sich zu dekorativen, narrativen Bildern. Diese Höhepunkte kombodschanischer Textilkunst bilden das Finale eines Buches, das sich detailliert mit allen Aspekten traditioneller Textilien befaßt. Und nicht nur das: Bevor sich ausführliche Kapitel den Rohstoffen zuwenden, der Seide, der Baumwolle und den Naturfarben, deren Herstellung jeweils eingehend mit den nationalen Besonderheiten beschrieben werden, oder den verwendeten Webstühlen, Webtechniken und Mustern, werden wir in die geographischen und klimatischen Verhältnisse Kambodschas ebenso eingeführt wie in die Geschichte, die mit der großartigen Khmer-Kultur ihren Anfang nahm. Skulpturen in Stein und Bronze aus jener fernen Zeit vermitteln einen Eindruck von dem, was Feuchtigkeit, Klima und Insekten vernichtet haben. Schon damals waren Hüfttücher, der sampot für die Frauen und der sarong für die Männer, das wichtigste Kleidungsstück und das ist bis heute so geblieben. Diesen, in aufwendigen Stücken ebenfalls in hol-Technik hergestellten Kleidungsstücken für den täglichen Gebrauch und ihrer unglaublichen Mustervielfalt, gilt der zentrale Teil des Buches mit zahllosen Beispielen vom 19. Jahrhundert bis heute. Sogenannte kiet, bunte Kopftücher in Plangi- und Tritik-Technik bilden ein fröhliches Highlight. Das Buch vermittelt anschaulich den Stellenwert der Weberei in der traditionellen Kultur Kambodschas. Baumwoll- und Seidentextilien waren – und sind es heute teilweise wieder – der wichtigste Bestandteil der dörflichen Wirtschaft entlang der großen Flüsse. Wunderbar belegt wird dies durch die zahlreich wiedergegebenen, liebevoll gearbeiteten und geschnitzten Details von Webstühlen und Webwerkzeugen, wie man sie selten sieht. Das Buch ist ein unentbehrliches Standardwerk für den Sammler und Liebhaber südostasiatischer Textilien.

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