Antique Rugs of Kurdistan – A Historical Legacy of Woven Art

Autor/en: James D. Burns
Verlag: James D. Burns
Erschienen: Seattle 2002
Seiten: 320
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 265.– US-$
ISBN: 1.898406-40-5
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2002

Besprechung:
„Durchs Wilde Kurdistan“ heißt ein Abenteuer-Roman von Karl May. Eine rechte Vorstellung, wo dieses von Schurken und edlen Helden bevölkerte Bergland liegen könnte, wird dem jugendlichen Leser nicht vermittelt. Daran konnte dann auch der Geographie- und Sozialkunde-Unterricht wenig ändern, denn Kurdistan als einen realen geographischen oder politischen Begriff hat es nie gegeben. So läßt sich Kurdistan allein als die Region bestimmen und identifizieren, wo Kurden leben, eine etwa 600.000 qkm große Region der Länder Iran, Irak, Türkei und Syrien. Viel ist mit dieser Definition noch nicht gewonnen, denn die Kurden als Volk sind kaum weniger schwer zu begreifen als das Land, in dem sie leben. Sie gelten zwar als ein einheitliches Volk, einheit-lich vor allem durch eine gemeinsame, dem Persischen nahestehende, wenn auch in zahlreiche Dialekte zerfalle-ne Sprache. Kennzeichnend für die Kurden, und das macht es für uns, aber auch für sie selbst so schwierig, ist ihre Tendenz zur Stammesgliederung. Es sind viele hundert kurdische Stämme und Unterstämme bekannt, die bis ins zwanzigste Jahrhundert immer wieder in unversöhnlicher Fehde lagen und heute noch liegen. So sind die Kurden heute eine der am wenigsten bekannten ethnischen Gruppierungen der Welt, eine zerissene und verfein-dete Nation ohne eigenen Staat und ohne eine sichtbare und beständige Geschichte. Das Land, in dem sie leben, ein unwirtliches, winterkaltes Gebirgs- und Hochland, zwingt die meisten Kurden zu einer nomadischen Le-bensweise, zur halbjährlichen Migration zwischen den wenigen fruchtbaren Tälern und den sommerlichen Bergweiden, wo sie in Zelten leben und ihre Ziegen und Schafe hüten. Womit wir beim Thema wären: Wie alle asiatischen Nomaden knüpfen die Kurden Teppiche. Doch mit ihren Teppichen ist es wie mit ihnen selbst: Nur wenig ist von ihnen bekannt, Literatur über kurdische Teppiche gibt es so gut wie keine, eine Zuordnung der Teppiche zu bestimmten Regionen oder gar einzelnenStämmen schon gar nicht. „Kurdisch“ wird vielmehr häu-fig als eine Sammel- und oft Verlegenheitszuweisung für all jene Teppiche gebraucht, die nicht eindeutig anato-lisch oder persisch oder kaukasisch sind. Der Versuch von James D. Burns, einem der großen zeitgenössischen amerikanischen Sammler, Kurdistan in 7 verschiedene Knüpfregionen aufzuteilen und einhundert antike Teppi-che diesen Regionen, oft sogar bestimmten Stämmen zuzuschreiben, ist ein vielversprechender Anfang, eine Anregung und vom Autor dazu gedacht, eine fachlich wissenschaftliche Diskusssion über kurdische Teppiche zu eröffnen. Die Beschränkung auf antike Teppiche, „antik“ dabei imklassischen Sinne verstanden, also unter Ausschluß aller Teppiche nach 1860, als synthetische Farbstoffe ihren Weg auch auf kurdische Webstühle fan-den, bewirkt hier zweierlei: Einmal liegt wegen der Kurzlebigkeit nomadischer Teppiche ein deutlicher Schwer-punkt auf eher größeren Teppichen aus städtischen Knüpfzentren und wir geraten andererseits gerade in die Zeit einer offensichtlicher Blüte kurdischer Webkunst in den Jahren zwischen 1725 und 1850. Wegen der Lage Kur-distans zwischen den beiden damaligen Supermächten des Vorderen Orients, den Osmanen im Westen und den Persern im Osten, haben Krieg oder Frieden zwischen diesen beiden Machtblöcken das Leben und damit die Weberei der Kurden immer maßgeblich beeinflußt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, vor der Macht-übernahme der Qajaren, regierte nun tatsächlich ein Kurde in dieser Region. Karim Khan Zand hatte Macht über Persien und so war es eine Zeit der Unabhängigkeit, eine Zeit von Frieden, Reichtum und wirtschaftlicher Stabi-lität. In dieser Zeit, bis hinein ins frühe 19. Jahrhundert – der klassische persische Teppich war damals nahezu vergessen und wartete auf seine Wiederbelebung durch Impulse aus dem Westen –, entstanden in den städtischen Knüpfzentren Kurdistans vornehmlich im Auftrage mächtiger Stammesfürsten, prachtvolle, ungemein starke, ausdrucksvolle Teppiche. In feiner Knüpfung, in großen Formaten, mit glutvollen Farben und mit der besten Wolle von Hochlandschafen wurden in Senneh oder Garrus (Bidjar) oder in anderen, heute meist unbekannten Orten Produkte von ethnographischer Bedeutung und vollendeter Ästhetik und großer Schönheit geknüpft. Die Muster lassen osmanische, persische, kaukasische und indische Einflüsse zwar erkennen und sind doch geprägt von einer durchaus eigenen Tradition und von einem ausgeprägten Gefühl für Farben und Formen. Ob es das „Mina Khani“- Muster ist oder ein Feldmuster mit Memling-Güls, das bekannte Harschang-Muster, das Lebens-baum-Motiv oder eine Millefiori-Darstellung, ob Garten- oder Fliesen-Teppiche, immer besitzen die Teppiche eine Eigenständigkeit, eine Qualität in der Transformation fremder Musterelemente in einen genuin eigenen Musterschatz, die als spezifisch kurdisch bezeichnet werden kann. Dem Autor, James D. Burns, ist es zu danken, daß er bereits vor 40 Jahren, als kurdische Teppiche weder allgemein bekannt noch von Händlern und Sammlern geschätzt wurden, die ästhetischen und handwerklichen Qualitäten kurdischer Teppiche und Flachgewebe er-kannte und eine Sammlung aufbaute, die dieses Buch wesentlich prägt. Ein paar weltberühmte, aus der Literatur bekannte Stücke fügt Burns hinzu, etwa de Teppichs, den Julius Lessing 1888 für das Berliner Museum erwarb – ein ungewöhnlich schmales Innenfeld ist von einer mächtigen Bordüre mit Vogeldarstellungen eingefaßt – oder den geheimnisvollen in Tibet gefundenen Gesichterteppichs, der heute eines der Glanzstücke der Orient Star Sammlung ist. Deren Zuordnung zu kurdischen Knüpfregionen – bisher galt eine anatolische Herkunft als un-bestritten – ist eine These, die zu vertiefter wissenschaftlicher Diskussion anregen soll und wird. Sorgfältige Strukturanalysen von allen Teppichen, Detailaufnahmen, eine ausführliche Bibliographie, ein Essay über Ur-sprung und Geschichte der Kurden, werden dieser Diskussion nützen, ebenso wie die hervorragende Qualität der Wiedergaben. Antique Rugs of Kurdistan gehört zu den herausragenden Teppich-Monographien, für die sich immer wieder mal ein engagierter und kenntnisreicher Autor findet, für die aber heute offenbar kein Verlag mehr zu gewinnen ist. So nahm Burns das Projekt selbst in die Hand, gewann für Gestaltung und Herstellung erfahre-ne Experten wie Rupert Waterhouse oder Robert Marcuson. Das Ergebnis ist ein Buch, das in Inhalt, Form und Qualität allen Ansprüchen gerecht wird und seinen hohen Preis wert ist. (Bestelladresse: James D: Burns, 2200 Fourth Avenue, Seattle, WA 98121-2087, USA) (- mb -)

Print Friendly, PDF & Email