Dress in Detail – from Around the World

Autor/en: Rosemary Crill, Jennifer Wearden, Verity Wilson
Verlag: V&A Publications
Erschienen: London 2002
Seiten: 224
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 30,– engl. Pfund
ISBN: 1-85177-377-0
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Im täglichen Umgang mit Hemd und Hose, Rock und Jacke, macht sich niemand groß Gedanken über die Komplexität der Architektur und die vielfältigen Bewegungsfunktionen des menschlichen Körpers und seiner Extremitäten und wie sie durch unsere Kleidung mehr oder weniger geschickt verdeckt, ermöglicht, erleichtert oder auch behindert werden. Die ersten Versuche und Lösungen des Menschen, sich zu kleiden, seine Blößen zu bedecken, sich vor Kälte und Regen zu schützen, fallen wohl mit der Menschwerdung überhaupt zusammen und waren Anlass für die ältesten Entdeckungen, Erfindungen und Fertigkeiten der Menschheit. Das Schneiderhandwerk, verstanden im weitesten Sinne, gehört daher sicher zu den allerersten Berufen, so wie Kleidungsstücke sicher zu den ersten Objekten gehören, deren Verzierung und Verschönerung sich der prähistorische Mensch widmete. Hier liegt gewiss der Ursprung aller textiler Kunst, einer Kunst, die dem Menschen schon immer „auf den Leib geschneidert“ war und von deren frühen Ausdrucksformen wir wegen der Vergänglichkeit organischer Materialien so wenig wissen. So war es eine großartige Idee, die herausragende Kostümsammlung des Victoria & Albert Museums in London in Detailansichten darzustellen, in Ansichten, die im Detail und oft in natürlicher Größe vor Augen führen, welche ingeniösen Lösungen sich die Architekten der Kleidung haben einfallen lassen, das komplexe dreidimensionale Gebilde des menschlichen Körpers in möglichst praktischer und dekorativer Art und Weise zu verhüllen. Freilich decken die gezeigten Beispiele aus dem 19. und 20. Jahrhundert nur einen winzigen Abschnitt der jahrtausendealten Kostümgeschichte ab und doch dürfen wir annehmen, dass Knöpfe und Bänder, Falten und Taschen, Stickereien und Applikationen seit jeher zu den Mitteln und Techniken textiler Kunsthandwerker gehört haben. In dem Buch Dress in Detail werden etwa 150 Kostümobjekte des Victoria and Albert jeweils in einer großformatigen Detailaufnahme und in einer informativen, Schnitt und Struktur des jeweiligen Bekleidungsstückes vermittelnden Strichzeichnung gezeigt und nach Machart, Technik, Alter, Herkunft, Material und Verwendungszweck beschrieben. Die Vielfalt von Ausschnitten und Verschlüssen, Säumen, Rändern und Borten, Falten und Plissées, Applikationen und Taschen, Fransen, Troddeln und Quasten und vor allem an kunstvollen Verzierungs- und Dekortechniken, wie Stickerei, Spitzen und weiteren komplizierten Nadel-, Strick-, Wirk- und Knüpftechniken ist schier grenzenlos und zeugt von der Kreativität der mit der Befriedigung eines der Grundbedürfnisse der Menschen nach Kleidung befassten Kunsthandwerker. Es liegt an der Tradition und Geschichte des Victoria & Albert, auch an den Steckenpferden der verantwortlichen Kuratoren, dass Schwerpunkte gesetzt wurden. Indien und Pakistan, China, Japan und Korea und schließlich Osteuropa, der Balkan und die Türkei, sind die wichtigsten Quellen der vorgestellten Kostüme. Das Buch gewährt einen ungemein informativen Einblick in die Kostümgeschichte mit solch seltenen Beispielen wie dem ostsibirischen Hochzeitskleid, genäht aus der Haut von sechzig Lachsen aus dem Polarmeer oder dem prächtigen ungarischen Hirtenmantel aus Leder mit aufwendigster Verzierung mit Applikationen, Patchwork und Seidenstickerei. Dress in Detail ist ein angesichts der immer mehr zur einheitlichen Weltmode werdenden Uniform von T-Shirt und Jeans wichtiges und engagiertes Buch mit dem Appell, im Bereich der Kleidung und des Kostüms den Sinn für Tradition und Vielfalt zu bewahren. (- mb -)

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