Ikats from Turkestan – The Tair F. Tairov Collection

Autor/en: Ekaterina Ermakova, Soyara Mahkamova
Verlag: State Pushkin Museum of Fine Arts
Erschienen: Moskau 2002
Seiten: 132
Ausgabe: broschiert
Preis: 120.– US-$
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2002

Besprechung:
Ikats aus Zentralasien gehören zweifellos zu den erstaunlichsten und schönsten Erzeugnissen textiler Kunst. Ihr Reichtum an Farben und Mustern, die vibrierenden, irisierenden Konturen der Farbflächen, das Spiel mit Zwischentönen und immer wieder neuen Musterfor-men, all dies das Ergebnis einer hochkomplizierten und perfekt aus-gereiften Färbe- und Webtechnik, wird durch nichts übertroffen. Und sie verbergen ein Geheimnis, das Geheinis nämlich, wie und wann diese faszinierende Kunstform entstanden ist. Alle heute be-kannten zentralasiatischen Ikats, gleichgültig ob sie als gewebte Stoffbahnen, als Wandbehang oder als Kleidungsstücke, meist in Form prachtvoller Prunkroben, erhalten sind, stammen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, einige wenige vielleicht aus dem 18. Jahrhundert. Alle sind sie Zeugnisse des Höhepunkts einer Entwicklung, Zeugnisse einer perfekten und eingespielten Zusammenarbeit zwischen Färbern, Künstlern und Webern. Doch was war vorher? Wie sahen die Vorläufer dieser Ikats aus, von wo aus nahmen sie ihren Ursprung, wie sind diese hochkomplizierten Muster und ihre perfekte arbeitsteilige, technische Umsetzung entstanden? Fragen über Fragen die auch Ekaterina Ermakova in ihrem einleitenden Bei-trag nicht beantworten kann. Der Umstand, daß die Technik des Ikat von China über Südostasien bis zum Yemen seit Jahrhunderten bekannt war, in Indien etwa dokumentiert durch Wandmalerei in den Höhlentempeln von Ajanta, erklärt nicht die erstaunliche und einzigartige Fertigkeit zentralasiatischer Künstler und Handwerker im 19. Jahrhundert. Auch das Phänomen Seidenstraße und der über diesen wichtigen Handelsweg erfolgte Transport von Gütern, Techniken, Religionen und künstlerischen Fertigkeiten gibt keine Erklärung, denn zur Blütezeit der Seidenstraße gab es nirgendwo etwas Ähnliches zu sehen. Als dann die wundervollen Iktas im Ferghana Tal, in Buchara, Khira oder in Sharisyabz entstanden, war die Seidenstraße seit Jahrhunderten verwaist, und Fremde wurden in den genannten Orten nicht mehr wie früher als willkommene Botschafter fremder Länder, sondern als feindliche Spione angesehen und verfolgt. Auch die Suche in literarischen Quellen oder nach diplomatischen Geschenken in Staatsschätzen blieb bis heute erfolglos, und so gibt es nichts als Thesen über eine quasi plötzli-che, genuine Entwicklung im 18. Jahrhundert einerseits oder über eine lange Zeit zurückreichende aber bis heute unbekannte Tradition. Geheimnisvolle Fragmente des 6. und 7. Jahrhunderts aus dem Tempel von Harudzi in Nara zeigen zwar eine Verwandtschaft mit den Ikats aus Zentralasien, doch was war in der Zeit dazwischen? Auch die Autorinnen der Texte in dem Katalog der Tairov Kollektion lösen das Rätsel nicht. Dennoch sind diese Beiträge von erheblicher Bedeutung da sie bisher kaum zugängliche, nicht in Übersetzung vorliegende Quellen aus russischer Fachliteratur verwerten und eine Fülle neuer Informationen über Herstellung und Gebrauch von Ikats, über die aus den Stoffen gefertigten Roben, ihren Schnitt, ihre Verwendung und vieles andere mehr enthal-ten. Besonders wichtig aber ist der Katalog natürlich durch die in Druck und Farbe vorzügliche Wiedergabe von 86 bisher unveröffentlichen Ikat-Roben, drei Kleidern und 10 Wandbehängen und Fragmenten, die einen Ein-druck vermitteln von der Vielfalt und Schönheit der Ikats, von der Phantasie und dem Erfindungsgabe ihrer Schöpfer und von der Pracht und dem Farbenreichtum zentralasiatischer Basare und Fürstenhöfe. Der Katalog einer Ausstellung vom Herbst 2002 im Moskauer Puschkin Museum ist der erste Band einer geplanten Reihe von Katalogen über zentralasiatische Textilien aus der Sammlung Tairov, eines ehemaligen Politikers und seit Jahren sehr aktiven Händlers aus Taschkent. „Cloudes Captured in Silk“ war der Titel dieser Ausstellung, und er geht auf die im Katalog erzählte Legende zurück, wonach sich ein Weber, seiner alten Muster überdrüssig, von der Spiegelung der Wolken im Wasser inspirieren ließ. Nach der Qualität dieses ersten Bandes und der mit ihm offenbarten Qualität der Kollektion eines Sammlers, der aufgrund seiner Herkunft der textilen Tradition Zentral-asiens persönlich verhaftet ist, kann man den weiteren Bänden, die auch Susanis und Teppiche umfassen sollen, mit Spannung und Erwartung entgegensehen. (Bestelladresse: tair@rambler.ru)

Print Friendly, PDF & Email