Medieval Life and Leisure in the Devonshire Tapestries

Autor/en: Linda Woolley
Verlag: V&A Publications
Erschienen: London 2002
Seiten: 120 mit vier großen Falttafeln
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 30,– engl. Pfund
ISBN: 1-85177-3746
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die vier Jagd-Teppiche von Devonshire, Tapissierien aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, vereinen eine stattliche Anzahl von Superlativen: Sie gehören zu den größten erhaltenen Bildkompositionen aus dem 15. Jahrhundert, sind mit Abstand die sorgfältigsten Darstellungen des Lebens jener Zeit und sind die einzigen vollständig erhalten gebliebenen Jagd-Tapisserien aus der Zeit der Wende von der Gotik zur Renaissance. Es war eine Zeit, in der die Jagd auf Bären und Wildschweine, auf Rehwild, auf Ottern und wilde Schwäne, vor allem aber die Jagd mit Falken die Lieblingsbeschäftigung des Hofes und des Adels, der „High Society“ jener Zeit war, Sport und gesellschaftliches Geschehen zugleich. Wir wissen aus alten Berichten und Inventaren, dass die Jagd eines der bevorzugten Motive auf Bildteppichen war, die den spartanischen und kaum beheizbaren Wohn-, Aufenthalts- und Repräsentationsräumen jener Zeit einen Hauch von Wärme und Behaglichkeit verliehen. So soll etwa König Heinrich VIII mehr als 200 Bildteppiche über die Jagd und Falknerei besessen haben. Auch den vier Jagdteppichen von Devonshire lag wird wohl ein königlicher Auftrag, hier Heinrichs IV von England zugrunde gelegen haben. John Talbot, Angehöriger einer der bedeutenden Familien jener Zeit und Vorfahr des späteren Besitzers dieser Kostbarkeiten war in die Staats- und Privataffären dieses Königs, vor allem in dessen Liaison und Eheschließung mit Margaret von Anjou im Jahre 1445 eingebunden und verstrickt. Die Teppiche mögen ein königliches Geschenk für seine Dienste gewesen sein. George Talbot, Earl von Shrewsbury, war der vierte und letzte Ehegatte der bewunderten und sagenhaft reichen Countess von Shrewsbury, besser bekannt als Bess von Hardwick, die 1590 Hardwick Hall erbaute. Hier finden wir diese königlichen Geschenke an John Talbot erstmals erwähnt, allerdings bereits zerschnitten in kleinere, der Architektur von Hardwick Hall angepasste Teile. Der Familiensitz Hardwick Hall gelangte schließlich in den Besitz des Duke von Devonshire, wo die Bildteppiche Ende des 19 Jahrhunderts „entdeckt“ wurden. Im Jahre 1900 wurden die Fragmente vom Victoria & Albert restauriert und zusammengefügt, um dann im Jahre 1957 der „Krone übereignet“ zu werden – die englische Variante, hohe Erbschaftsteuern zu bezahlen -, und ihre endgültige Heimat im V&A zu finden. Die Publikation dieser einzigartigen Kunstwerke ist eines der schönsten Bücher zum Thema Tapisserien. Nicht nur, dass jeder der Bildteppiche auf mehrfach ausklappbaren Tafeln vollständig abgebildet ist, wird der begleitende Text und die vielen Detailabbildungen allen sachrelevanten Themen, etwa der Bedeutung der Jagd oder der höfischen Mode sowie den dargestellten Textilien und ihren vielfältigen Mustern mehr als gerecht. Die auf den über 4 Meter hohen und bis 11 Meter breiten Tapisserien dargestellte Welt des Mittelalters ist lebendig und farbenfroh, oft humorvoll und immer faszinierend dargestellt. Die Details der Jagd werden dokumentarisch und detailgetreu wiedergegeben, etwa das Freigeben der Falken zum Anflug auf die Beutetiere, das Speeren von Ottern, die gefährliche Jagd auf Bären oder Wildschweine, die beim Jagen verwendeten Waffen und die nach Rassen unterscheidbaren Hunde. Wir erleben, wie das Plündern eines Schwanennestes – junge Schwäne galten damals als Delikatesse – für den jugendlichen Dieb zum schmerzhaften Abenteuer wird oder wie mutige Hunde trotz ihrer Schutzkleidung zum Opfer zorniger Bären werden. Nicht weniger interessant sind die die Jagdszenen begleitenden adeligen Beobachter, die in prächtigen Roben mit phantasievollen Kopfbedeckungen auf schabrackengeschmückten Pferden des Geschehen beobachten, die idyllischen Szenen am Rande, eine Wassermühle mit rustikaler Staffage, ein Fischer mit einem Fisch am Haken oder schließlich die sehr menschlichen Szenen minnehafter Werbung um die Angebetete gleichen Standes oder handgreiflicher Eroberung der Frau des Müllers. Eingebettet ist das Geschehen in große Landschaften mit bunten Blumenwiesen, kleinen Flussläufen, lichtem Wald in einiger Entfernung sowie mit Zinnen und Türmchen bewehrten Burgen im Hintergrund. Die Devonshire Jagd-Teppiche geben uns einen fesselnden Einblick in eine sehr realistisch dargestellte und zugleich idealisierte Welt höfischer und adeliger Lebenswelten des späten Mittelalters. Die in den Tapisserien dargestellten Männer und Frauen, vital, reich und elegant, demonstrieren ihre Beherrschung der Natur und erfreuen sich an den verfeinerten Vergnügungen der Gesellschaft in einer zauberhaften Landschaft ständigen Frühlings. Es versteht sich, dass technische Fragen zu Struktur und Farben ebenso eingehend untersucht werden wie Alter und Herkunft der Tapisserien. Sie dürften danach wahrscheinlich zwischen 1425 und 1450 in Arras nahe der Stadt Calais in Nordfrankreich entstanden sein, was die schöne Geschichte vom königlichen Geschenk an John Talbot glaubhaft erscheinen lässt. Ein sehr empfehlenswertes Buch für Jäger, Kostümwissenschaftler, Textilfreunde, Geschichtsinteressierte, Hundeliebhaber, Gobelinsammler und alle diejenigen, die Freude an sorgfältig gestalteten, kompetent geschriebenen und liebevoll illustrierten Büchern haben. (- mb –)

Print Friendly, PDF & Email