Ruling from the Dragon Throne – Costume of the Qing Dynasty (1644 – 1911)

Autor/en: John E. Vollmer
Verlag: Ten Speed Press
Erschienen: Berkeley Kalifornien 2002
Seiten: 162
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 30.– US-$
ISBN: 1-58008-307-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die Geschichte des kaiserlichen China ist zu einem wesentlichen Teil die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen der sesshaften, Ackerbau treibenden Bevölkerung von Tiefland, Ebenen und Flusstälern und den immer wieder anstürmenden Reiterstämmen aus dem Osten und Norden, eine Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Han-Chinesen und ihren nomadischen Nachbarn. Sichtbares Zeugnis dieser Auseinandersetzung ist die Große Mauer oder besser das System von Schutzwällen und Mauern, mit deren Errichtung schon im 7. Jahrhundert v.Chr. begonnen wurde und dessen Krönung die machtvolle Mauer der Ming ist, ein 2000 Kilometer langes Bauwerk, in kurzen Abständen bewehrt mit Bastionen und Wachtürmen, unterbrochen von Festungsanlagen, die sich auf dem Kamm endloser Hügel- und Bergketten hinzieht und im Dunst der Ferne verliert. Doch letztlich war die Große Mauer mehr ein Symbol der Macht als ein wirklich wirksames Mittel, Einfälle und Invasionen nomadischer Krieger zu unterbinden. Die Mauer konnte es nicht verhindern, dass das kaiserliche China immer wieder fremdbestimmt war, dass nomadische Dynastien die Macht über ganz China erlangten. Die mongolischen Kaiser der Yuan-Dynastie (1279-1368) sind hierfür ein Beispiel, vor allem aber die letzte kaiserliche Dynastie der Qing (1644-1911). Wieder waren es Stämme nomadischen Ursprungs, die im 16. und 17. Jahrhundert unter der Führung Nurhacis (1559-1626) nach zahlreichen Einigungskriegen und durch geschickte Allianzen mit den Mongolen einen mächtigen Staat im Nordosten Chinas geschaffen und sich den Namen Mandschuren gegeben hatten. Im Juli 1644 überrannten sie das durch Mißwirtschaft, Korruption und Hungerkatastrophen geschwächte Reich der Ming, marschierten in Peking ein und machten einen Enkel des Nurhaci, den erst sechsjährigen Fulin zum ersten Qing-Kaiser. Es gelang den Mandschuren, ihre Macht auf ganz China auszudehnen und sich zu den legitimen Nachfolgern der Ming zu erklären. Doch wie konnte es geschehen, dass die kleine Minderheit der ethnisch und kulturell ganz anders geprägten Mandschuren ihre Herrschaft über das ungleich größere Volk der Han länger als drei Jahrhunderte aufrecht erhalten konnte, bis dann 1911 der letzte der Manchu, der Kindkaiser Puyi, zum Abdanken gezwungen wurde? Die Übernahme der chinesischen Bürokratie unter mandschurischer Beteiligung und der Aufbau einer straffen militärischen Organisation waren eines der Rezepte und ganz bewusst betriebene Sinisierung ein weiteres. Mittel dieser Sinisierung waren die Übernahme von Sprache und Schrift und die Übernahme von Bekleidungsgebräuchen als sichtbare Legitimation von Macht und als Symbol kaiserlicher Würde. John Vollmer untersucht in „Ruling from the Dragon Throne“ die Geschichte und Entwicklung vor allem höfischer Kleidung der Qing-Dynastie von der zunächst noch funktional geprägten nomadischen Tracht bis zu ihrem Höhepunkt als verschwenderisch gestaltetes und durchdachtes Symbol kaiserlicher Machtausübung. Das ist ein keineswegs wichtiges Unterfangen, denn etwa 80% der erhaltenen Roben stammen aus den letzten 25 Jahren der Dynastie, aus dem Ausverkauf chinesischer Luxusartikel nach dem Sturz des Kaiserhauses und dem Beginn des bürgerlichen Zeitalters. Dass die Untersuchung dann doch nicht zu einem Bilderbuch der Spätzeit dieser Dynastie geriet, ist dem Zugriff des Autors auf die bedeutendsten Sammlungen chinesischer Kostüme zu danken, allen voran der erstaunlich reichen Sammlung des Royal Ontario Museum in Toronto. Bedeutende Exponate aus dem Musée Guimet in Paris, dem Museum für ostasiatische Kunst in Köln, dem National Museum in Taiwan, der ehemaligen A.E.D.T.A., um nur einige der Quellen zu nennen, und nicht zuletzt aus zahlreichen privaten Sammlungen lassen ein komplettes Panorama formeller in informeller höfischer Roben, Jacken, Röcke und Accessoires aus über drei Jahrhunderten entstehen, bei dem auch Hüte, Krägen und Schuhe nicht zu kurz kommen. Der fundierte begleitende Text beschreibt zunächst den historischen Hintergrund der letzten kaiserlichen Dynastie, untersucht Wurzeln und Bedeutung ostasiatischer Kostümtraditionen, um dann in den beiden zentralen Kapiteln den Bogen von der noch nach den praktischen Bedürfnissen eines Reitervolkes ausgerichteten Kleidung der Manchu-Fürsten zu den Herrscherroben des Drachenthrones zu schlagen. Einfluss und Wandlung nomadischer Roben im Prozess der Sinisierung wird dabei auch an Zeichnungen und Schnitten dargestellt, die die in der Kostümkunde nur selten berücksichtigte Machart und Konstruktion erläutern. Dass in einem solchen Buch Rangabzeichen und die Erläuterung ihrer Bedeutung und Symbolik ebenso wie deren Platzierung auf der Kleidung nicht fehlen, ist selbstverständlich, dass aber auch die zwölf Symbole der Kaiserlichen Autorität zu finden sind, die nur selten und nicht leicht erkennbar auf kaiserlichen Roben erscheinen, ist ein Beleg für die hohe Qualität dieses Buches, dessen Benutzung durch Glossar, Bibliographie und Index noch erleichtert wird. (- mb -)

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