Trade, Temple and Court – Indian Textiles from the Tapi Collection

Autor/en: Ruth Barnes, Steven Cohen, Rosemary Crill
Verlag: India Book House
Erschienen: Mumbai/Surat 2002
Seiten: 238
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 50.– englische Pfund
ISBN: 81-7508-354-9
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2002

Besprechung:
Kaschmir-Schals sind für viele Sammler das non plus ultra der vielfältigen Textilkunst des Subkontinents. Ihre komplizierte Webtechnik, die ungewöhn-liche Struktur, das feine und seltene Wollmaterial und die Beschränkung auf eine eng definierte geographische Region machten sie schon früh zu einem bevorzugten Sammelgebiet. So wurde auch schon sehr früh sehr vieles über Kaschmir Schals geschrieben und vieles davon ist falsch und verwirrend und zieht sich gleichwohl wie ein roter Faden durch die Fachliteratur der vergan-genen 150 Jahre. So berichtete Baron Karl von Hügel in seinem 1845 er-schienenen Buch über eine Reise durch Kaschmir und Punjab, wann genau die Kaschmiris damit begonnen haben Teppiche zu knüpfen und Schals zu weben: Der spätere Sultan von Kaschmir, Zain ul´Abidin, soll als Gefangener des turk-mongolischen Eroberers Timur an dessen Hof in Samarkand erst-mals diese feinen Textilien und die Kunst, wie man sie herstellt, kennen- und schätzen gelernt haben. Während seiner späteren langen Regierungszeit im 15. Jahrhundert habe er dann Hand-werker aus Turkestan geholt, die seinem Volk das Knüpfen von Teppichen und das Weben der feinen Schals gelehrt haben. Diese seither immer wieder kolportierte Legende hört sich schön an aber sie ist falsch. Als Timur im Jahre 1398 Indien eroberte war Zain ul´Abidin noch gar nicht geboren und die hohe Kunst des Schalwebens – letztlich eine recht einfache Wirktechnik – war sicher schon Jahrhunderte, wenn nicht sogar ein bis zwei Jahrtau-sende früher aus Zentralasien nach Indien gelangt. Steven Cohen räumt in seinem einführenden Essay zu den 15 bedeutenden und frühen Kaschmir Schals der Sammlung Tapi mit diesen alten Vorurteilen auf und beschreibt exakt die Technik und die verwendeten Materialien. Es ist vor allem das Material, Pashmina, die versponnene feine Unterwolle der im Hochland von Ladakh domestizierten Ziegen, das den Reiz und Zauber dieser Schals ausmacht. Die Fäden für Kette und Schuß sind unvorstellbar dünn, 0.1 mm und weniger sind keine Seltenheit, und so entsteht ein Hauch von einem Gewebe mit feinster Zeichnung. Die Tapi Kollektion beschränkt sich aber nicht auf Kaschmir Schals sondern bietet einen Überblick über das breite Spektrum historischer indischer Textil-kunst während eines Zeitraums von 700 Jahren, dargestellt an 93 herausragenden Exemplaren und eingeteilt in fünf Kapitel. Neben den Schals sind hier besonders die in Indien vorwiegend für den südostasiatischen Raum hergestellten Textilien bemerkenswert, von denen 36 vorgestellt und detailliert beschrieben werden. Noch vor kurzem galt ein angenommenes Alter dieser Stücke aus dem 18. oder gar 17. Jahrhundert als gewagte Spekulati-on, doch aus Radiocarbon-Untersuchungen – 16 Stücke der Sammlung wurden C14-datiert – weiß man, daß die ältesten Exemplare aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert stammen, Zeugnisse eines intensiven panasiatischen Handels lange bevor europäische Kaufleute erstmals Indien erreichten. Es ist ein Wunder, daß sich diese Texti-len unter den klimatischen Bedingungen Südostasiens erhalten haben und nur erklärbar mit der kultischen Be-deutung dieser großen mit Blockdruck und in Reservetechniken gemusterten und dekorierten Baumwolltücher. Sorgfältig aufbewahrt und nur zu besonderen zeremonialen Zwecken gezeigt, konnten sie in Sulawesi, Sumatra, Indonesien, Timor, Thailand und auf den Philippinen Jahrhunderte überdauern und sind heute ein Beleg für den hohen Standard, den indisches Textilhandwerk bereits im Mittelalter inne hatte. Die drei weiteren Kapitel be-handeln Textilien für den europäischen Markt, etwa prachtvolle in floraler Mogul-Manier dekorierte Vorhänge und Decken für britische und holländische Betten, höfische und städtische Textilien für den indischen Markt als da sind Saris, Schals, Bodenbeläge und Wandbehänge, und schließlich eine Gruppe religiös-hinduistischer Schreinbilder, meist sogenannte pichhwais, große, mit dekorativen Darstellungen bedruckte, bestickte und oft auch mit Gold und Silber bemalte Baumwollbilder für Krishna-Schreine. Alle Textilien der Sammlung des indi-schen Textil-Industriellen-Ehepaars Praful und Shapi Shah zeichnen sich durch herausragende künstlerische und handwerkliche Qualität und durch perfekte Erhaltung aus. Das Buch mit seinem großen Format, den vorzügli-chen Wiedergaben, teils in instruktiven Detailausschnitten oder auf großen Klapptafeln, mit seinen fünf Essays der besten Kenner der Materie, die auch die sorgfältigen Beschreibungen der einzelnen Textilien verfassten, und mit Glossar und Bibliographie, ist ein besonders empfehlenswertes Werk zur indischen Textilkunst. (Vertrieb in Europa: Antique Collectors Club, Woodbridge, Suffolk IP12 4SD)

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