Antique Kilims of Anatolia

Autor/en: Peter Davies
Verlag: W.W.Norton & Company
Erschienen: New York – London 2001
Seiten: 192
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 40.– engl.Pfund
ISBN: 0-393-73047-6
Kommentar: Johannes Wolff-Diepenbrock

Besprechung:
Ein neues Kelimbuch? Das 71ste? Nein, etwas viel Selteneres! Es ist die zweite Auflage eines 1993 unter dem Titel „The Tribal Eye“ erschienenen Buches. Hat es das verdient? Buddeberg schrieb damals in seiner Rezension über den Text des Buches, er gehöre bei aller Knappheit zum Besten, was über Kelims geschrieben worden ist. Nun, es gibt sehr solide Bücher über Anatolische Kelims, z.B. von Brüggemann, Rageth und Türck. Auch Davies ist ein sachlicher und gründlicher Berichterstatter, er informiert sehr gut über den Stand des – zu den Mustern immer noch bescheidenen – Wissens und entwickelt vorsichtig eigene Ideen. Zwei neue Kapitel hat die zweite Auflage, zunächst „The Horn and the Hexagon“: Viele, zuletzt Türck, haben sich Gedanken über die Herkunft der Muster auf den Yüncü-Kelims gemacht. Davies greift sie auf und versucht in gediegener Argumentation, die Verwandtschaft des Horn-Musters mit den zentralasiatischen Mustern auf Filzen nachzuweisen. Etwas weniger überzeugend finde ich dagegen seine Überlegungen zur Verbindung zwischen Horn und Sechseck. Davies distanziert sich sodann spöttisch von den esoterischen Interpretationen der westlichen Kelim-Enthusiasten (kind of pop-Jungian-Symbolism). Deren Höhenflügen stellt er im Kapitel „Towards an „Ethno-aesthetics“ for the Anatolian Kilim“ die bescheidenen aber handfesten Ergebnisse neuerer Feldforschung durch Patricia Daugherty und Henry Glassie gegenüber. Zunächst Daughertys Beobachtungen der gebräuchlichen Begriffe im Zusammenhang mit der Herstellung eines Kelims (Gewebes), die sehr auf den Körper bezogen sind – Weben als „embodied experience“. Sodann Glassies Bericht über die Vorstellungen einer Weberin beim Weben der Muster. Und schließlich seine auf die türkischen Begriffe sanat und emek basierende, für alle Arten von gestaltetem Material (Keramik, Holz, Gewebe) geltende Einteilung. Sanat ist das Kunstwerk, ihm ist das zevk eigen, die kreative Entscheidung des Künstlers (matter of principled choice), aber auch das entsprechende Erfassen dessen, was der Künstler sagen will, durch den Betrachter. Emek dagegen ist das Produkt, dem zevk fehlt, es ist gemacht, um Geld zu verdienen, wenngleich ihm iscilek (Geschick, Meisterschaft) nicht fehlen muß. Schließlich die Unterscheidung in sade (einfacher Stil), ciddi (ausgeschmückter Stil) und camli (verspielter – später – Stil). Das Kapitel hat mir gut gefallen, weil es einlädt, den Kelim und andere Arbeiten aus Anatolien einmal nicht nur aus der verfremdenden westlichen Perspektive anzuschauen. Die Abbildungen zeigen in ordentlichen Farben – statt der bisher 50 – 73 Kelims vor allem aus Zentral- und Westanatolien, meist aus dem 19. Jahrh. und in sehr gutem Zustand, etwa 25 im Gebetskelimformat. Antik? Man muß berücksichtigen, daß seit kurzem auch die jüngsten Jahre des 19. Jahrh. mehr als 100 Jahre alt und damit seine Produkte antik geworden sind. Neu hinzu gekommen sind u.a. einige Kelims aus der Sammlung M. & M. Wolf, darunter einer der ganz großen (Pl.43), der sich in dieser Umgebung etwas exotisch ausnimmt. Oder will Davies demonstrieren, daß wir über der Faszination, die von den alten und ältesten Kelims ausgeht, die Schönheit der neueren nicht geringschätzen sollen? Dem kann man nur zustimmen. Ein schön gemachtes Buch, mit einem guten Text, illustriert durch viele Musterzeichnungen von John Batki undn hervorragende Fotos von Josephine Powell, und Fotos, die einen Einblick in die Mustervielfalt anatolischer Kelims geben. Ich empfehle es gerne. (Johannes Wolff)

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