Asian Costumes and Textiles – from the Bosphoros to Fujiyama,The Zaira and Marcel Mis Collection

Autor/en: Mary Hunt Kahlenberg
Verlag: Skira Editore
Erschienen: Mailand 2001
Seiten: 292
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: EURO –.–
ISBN: 88-8118-971-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Der Zeitpunkt als der Mensch begann, aus tierischen oder pflanzlichen Fasern Stoffe herzustellen, verliert sich in der Frühgeschichte der Menschheit. Die Domestikation des Schafes vor mehr als 10.000 Jahren könnte dieser Anfang gewesen sein, aber auch der Beginn der Nutzung von Flachs oder Baumwolle mag in jene prähistorische Zeit datiert werden können. Der älteste bekannte Textilfund, Gewebe aus Wolle und Flachs aus der Zeit um ca. 6000 v.Chr., von James Mellaart 1963 in der neolithischen Stadt Catal Hüyük südöstlich von Konya freigelegt, war damit nur der erste Beleg für eine damals schon alte und etablierte Textilkultur. Von allem Anfang an dienten diese Stoffe in erster Linie dazu, das Grundbedürfnis des Menschen nach Bekleidung, nach Schutz und Wärme, zu befriedigen. So gesehen sollte die Kostümgeschichte und die Kostümwissenschaft wohl einer der wichtigsten Zweige der Kulturgeschichte der Menschheit sein – gäbe es nur genug Material. Doch Kostüme sind vergänglich. Natürlicher Verschleiß, modische Überalterung, vor allem aber die Vergänglichkeit des organischen Ausgangsmaterials, begrenzen das Alter von Bekleidung auf Zeitspannen, die nur in Jahren, seltener in Jahrzehnten und in seltenen Ausnahmefällen in Jahrhunderten gemessen werden können. So ist es kein Wunder, daß die Kostümkunde als Teilgebiet der Kultur- und Geschichtswissenschaft ein noch junges Wissensgebiet ist, daß Literatur nur begrenzt verfügbar und Sammlungen selten und noch seltener zu sehen sind. Das Germanische Nationalmuseum oder das Metropolitan Museum in New York, beide Besitzer bedeutender Kostümsammlungen, haben mit der Konservierung und Bewahrung dieser Schätze so viel zu tun, daß nur weniges auf Ausstellungen zu sehen ist. Das vielleicht interessanteste, jedenfalls vielseitigste, aber dennoch im Vergleich zur europäischen Trachtenkunde vernachlässigte Terrain für das Studium von Kostümen ist Asien, mit dessen kultureller und ethnischer Vielfalt kein anderer Kontinent konkurrieren kann. Ein Buch über Asiatische Kostüme und Textilien stößt daher auf großes Interesse und füllt eine Lücke, liegt doch die Veröffentlichung einer vergleichbaren Studie (Max Tilke, „Orientalische Kostüme“, Berlin 1923) knapp 80 Jahre zurück. Hunderte von Röken, Hosen und Hemden, von Kleidern, Mänteln und Roben, von Kaftanen und Tuniken, aber auch von Mützen, Schuhen, Gürteln, Schals und Schärpen, zusammengetragen aus fünf Regionen Asiens, zeigen ein kaleidoskopartiges Bild, wie es bunter und vielfältiger nicht sein kann. Naher und Mittlerer Osten, Zentralasien, Indien, Südostasien und Ferner Osten sind die fünf Schwerpunktregionen, die alle mit typischen, in ihrer Qualität herausragenden und durchweg vorzüglich erhaltenen Stüken, überwiegend aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vertreten. sind. Syrische Tuniken in feinster Schlitzkelimtechnik, ein osmanischer Samtmantel mit goldenen Borten und goldener Stickerei, ein mit Tieren und Blumen bestickter zoroastrischer Schal aus dem Iran, turkmenische Tschirpis auf schwarzem und auf gelbem Grund, usbekische Ikat-Mäntel aus Samt und Seide, Phulkaris aus dem Punjab und Patolas aus Gujarat, die ganze Vielfalt indischer Saris in verschiedenen Reservetechniken bis zu kostbarsten Gold- und Silberfadenwebereien, Seidenschals aus Laos als Meisterwerke der Färbe- und Webkunst, gebietstypische Webarbeiten aus Sumatra, Java, Bali, Sumba, Timor und Sulawesi, Perlstickereien aus Kambodja und von den Philippinen, Drachenroben aus China und mit kalligraphischem Dekor verzierte Feuerwehrmäntel aus Japan – dieser bunte Reigen kann nur einen unvollkommenen Eindruck von der Fülle des Gebotenen vermitteln. Und es sind nicht nur Pracht- und Festtagsgewänder, häufig sorgfältiger verwahrt und daher bevorzugt erhalten, sondern wir sehen auch Alltagstrachten wie etwa das Palmfasergewand eines chinesischen Reisbauern oder die schlichten Hemden japanischer Pilger. Dieses einzigartige Kompendium asiatischer Kostümkunde ist die private Sammlung von Zaira und Marcel Mis, und das Buch ist ein Zeugnis dafür, was Sammlerfleiß und Sammlerglück, vor allem aber die Liebe zu einem bestimmten Sammelobjekt bewirken können. Das Buch ist zugleich die Geschichte der Liebe zwischen Marcel und Zaira, einem türkischen Textilingenieur und einer italienischen Galeristin für moderne Kunst, ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Reisen in exotische Länder und wie aus dem Kauf von gelegentlichen Souvenirs zunächst eine Passion und schließlich eine grandiose Sammlung wird. Die einleitenden Kapitel von Marcel und Zaira Mis und der langjährigen Kuratorin des Textile Museum, Mary Hunt Kahlenberg, sind denn auch eine Hommage auf das Sammeln, ein Bekenntnis zu dem Reichtum an Wissen, Kenntnis und Glück, die gezieltes Sammeln auf hohem Niveau vermitteln kann. Asian Costumes and Textiles ist ein großartiger Katalog einer einzigartigen Textilsammlung. (- mb -)

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