Kaukasische Volkeren – The Caucasian People

Autor/en: Vladimier Dmitriev u.a
Verlag: Hessenhuis/Russisch Etnografisches Museum
Erschienen: Antwerpen/St.Petersburg 2001
Seiten: 328
Ausgabe: broschiert
Preis: BF 1.200
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Nach Ausstellung und Katalog „Music for the Eyes – Textiles from the Peoples of Central Asia“ im Jahre 1997/98 beschert uns die Partnerschaft zwischen Antwerpen und St.Petersburg wiederum eine sehenswerte Ausstellung aus den unerschöpflichen Beständen des Russisch Ethnographischen Museums in St.Petersburg. Bis zum 24. Juni 2001 sind im Antwerpener „Hessenhuis“ etwa 850 nie zuvor gezeigte Objekte zu sehen, die einen tiefen Einblick in die materielle Kultur der Völker des Kaukasus und der Krim gewähren. Es ist ein mutiger Versuch, Wissen und Erkenntnisse über eine Region zu vermitteln, die bisher eher ein Stiefkind wissenschaftlicher Forschung gewesen ist. Und dies mit gutem Grund, denn nirgendwo in der Welt gibt es eine solche rassische und sprachliche Vielfalt auf engem Raum, nirgendwo eine vergleichbar unbeständige Geschichte als in der kleinen Region zwischen Schwarzen und Kaspischen Meer. Seit jeher eine Brücke zwischen Europa und Asien begegneten bekämpften, vermischten und erhielten sich sich hier fremde Kulturen, Überzeugungen und Religionen. Der Versuch einer umfassenden Darstellung der materiellen Kultur des Kaukasus ist nur unvollkommen gelungen, denn die Artefakte stammen weit überwiegend aus dem relativ engen Zeitraum der zweiten Hälfte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie sind daher nur eine Momentaufnahme, gemessen an der langen und wechselvollen Geschichte des Kaukasus. Auch die Beiträge im Katalog können dieses Manko nicht ganz auszugleichen, versuchen jedoch, jeden Aspekt der materiellen Kultur des Kaukasus zu erfassen. Ackerbau und Viehzucht, Metallbearbeitung und Keramik, die Herstellung von Filz und Möbeln, von Schmuck und Waffen, Feste, Hochzeiten und vieles andere mehr werden beschrieben. Da sämtliche Beiträge von Mitarbeitern des REM verfaßt sind, ist die russische Sichtweise unverkennbar aber auch interessant: Wer weiß schon von dem bedeutsamen Einfluß kaukasischer Kultur auf die russische Bourgoisie des ausgehenden 19. Jahrhunderts? Wein und Cognac aus dem Kaukasus, Teppiche und Tabak, Kleidung, Waffen, Pferde – der Kaukasus und seine Produkte waren damals ausgesprochene „hits“. Breiten Raum in Ausstellung und Katalog nehmen die Textilien ein: Kostüme, Kaitag-Stickereien, Filzarbeiten, vor allem aber kaukasische Teppiche und Flachgewebe, eine repräsentative Auswahl aus der ca. 500 Stücke umfassenden Sammlung des REM, für die allerdingss ebenfalls das schon genannte, enge und relativ späte Zeitfenster gilt. Der Essay von Elena Tsareva über die Teppichweberei im Kaukasus ist der mit Abstand umfangreichste Beitrag und ein Kompendium zur kaukasischen Webkunst mit einer Fülle interessanter Informationen. So erklärt Tsareva zum Beispiel den Ursprung der europäischen Rosenmuster in Teppichen aus Karabagh mit der Überlieferung, daß im 16. Jahrhundert Knüpfer aus Karabagh eingeladen waren, für französische Manufakturen zu arbeiten. Die berühmten französischen Savonnerie-Teppiche entstanden also durch die Kunstfertigkeit kaukasischer Knüpfer. Wieder daheim integrierten diese Handwerker die in der Fremde gelernten Muster in ihre traditionellen lokalen Knüpftradititonen. Besonders bemerkenswert sind schließlich etwa 100 historische Fotografien aus dem Kaukasus und von den Tartaren der Krim, Landschaften, Portraits, Szenen von Volksfesten und Hochzeiten, von Kriegern und Handwerkern, von Hirten und Bauern, von Musikanten und Teppichhändlern, wertvolle Zeugnisse einer vergangenen Zeit. (- mb -)

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