Ottoman Embroidery

Autor/en: Marianne Ellis, Jennifer Wearden
Verlag: V&A Publications
Erschienen: London 2001
Seiten: 144
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 30.– engl.Pfund
ISBN: 1-85177-347-9
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Im Abstand von einem Jahr wurden zwei der weltweit bedeutendsten Sammlungen osmanischer Stickerei in schönen, reich illustrierten Publikationen vorgestellt. Dem Sammlungskatalog des Textile Museum in Washington, dem an dieser Stelle (Juli 2000) bereits besprochenen Band Flowers of Silk and Gold, folgt nun das Buch über den bedeutenden Bestand des Victoria and Albert Museum in London. Es liegt daher nahe, die beiden Sammlungen und die beiden Bücher miteinander zu vergleichen. Was die Textilien anlangt so hat das V&A eindeutig die Nase vorn. Auch wenn das Textile Museum einige der ganz großen highlights osmanischer Stikerei besitzt, so ist die vom Victoria & Albert für die Veröffentlichung getroffene Auswahl von 155 Stickereien aus einem Gesamtbestand von 680 Stück von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis etwa 1900 ungleich repräsentativer und im qualitativen Niveau der Sammlung des TM deutlich überlegen. Das gilt vor allem für die frühen Stickereien bis etwa 1720, die mit 37 Exemplaren einen guten Teil des Buches beanspruchen. Es sind meist Decken und Wandbehänge, überwiegend größeren Formats mit einem kräftigen, an den gewebten Stoffen jener Zeit orientierten Design und einer limitierten aber ungemein harmonischen Farbpalette der vier Grundfarben. Aber auch bei den mehr und mehr europäisch beeinflußten und zunehmend bunteren Stickereien des 18. und des 19. Jahrhunderts, Hand- und Turbantüchern, Servietten und Stickmustertüchern, bietet das V&A-Buch das deutlich reichere Material auf hohem kunsthandwerklichem Niveau. Ganz anders indessen fällt der Vergleich der Texte aus. Während sich hier das V&A-Buch auf eine knappe Darstellung der historischen Entwicklung des osmanischen Reiches mit nur gelegentlichen Randbemerkungen zur textilen Thematik beschränkt, finden wir in der TM-Publikation eine gründliche und gut recherchierte Darstellung zur wirtschaftlichen Bedeutung der Stickerei im osmanischen Reich, zur Organisation und sozialen Stellung der Handwerker und zur Entwicklung von Techniken, Motiven und Materialien im Verlauf der Jahrhunderte. So ist als Ergebnis festzustellen, daß diese beiden wichtigen Bücher über osmanische Stickereien nicht miteinander konkurrieren, sondern sich wegen ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte sinnvoll ergänzen. Da hier jedoch weniger ein Vergleich als vielmehr eine Rezension des V&A-Buches im Vordergrund stehen soll noch ein paar Hinweise: Eine didaktisch hervorragende Darstellung der verschiedenen, bei osmanischer Stickerei verwendeten Stickstiche und Techniken in Wort und Bild ist nicht nur eine vorzügliche Anleitung für das Nacharbeiten, sondern ein unschätzbar wichtiges Mittel für die Analyse und Einschätzung antiker osmanischer Stickereien sowie zur Bestimmung von Gebrauch und Herkunft bestimmter Stücke. Und – trotz der Knappheit des Textes – finden wir eine überraschende Feststellung: In der Zeit bis etwa 1720, als die heute so begehrten und bewunderten Decken und Wandbehänge entstanden, wurde die Stickerei im osmanischen Reich durchaus nicht als eine Kunstform angesehen. Es war vielmehr eine rein handwerklich betriebene und deutlich billigere Alternative zu den kostbaren und meist unerschwinglichen Geweben aus den höfischen Manufakturen. Das änderte sich erst unter dem zunehmenden Einfluß Europas im 18. Jahrhundert. Motive, Farben, Material und Techniken wurden vielfältiger, und es entwickelte sich eine spezifische Stickkunst, die heute oft abwertend als „“ürkisches Rokoko“ bezeichnet wird. Die Beispiele in Ottoman Embroidery zeigen, daß dieses abschätzige Urteil der Schönheit, Vielfalt und der hohen ästhetischen und handwerklichen Qualität dieser trotz ihres europäischen Einflusses eigenständigen Arbeiten nicht gerecht wird. Für den Sammler und Liebhaber osmanischer Stickereien ist der Katalog des Victoria & Albert unverzichtbar. (- mb -)

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