Welt der Kelims

Autor/en: Karl-Michael Plötze
Verlag: im Eigenverlag: -M.Plötze, Uhlandstr.6, D-30890 Barsinghausen
Erschienen: Barsinghausen 2001
Seiten: 190
Ausgabe: broschiert
Preis: DM 133.–
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die Beschäftigung mit der Welt der Kelims läßt die Frage nach der Begriffsbestimmung des Wortes Kelim aufkommen. Der türkische (oder persische?) Ursprung „gilim“ kann als gesichert gelten doch was verbirgt sich dahinter? Im Brockhaus/Wahrig (1982) liest man etwa: Kelim: gewebter orientalischer (Wand)teppich mit gleicher Vorder- und Rückseite und großen geometrischen Mustern. Für eine Neuauflage dieses großen Deutschen Wörterbuches sollte wohl ein Experte hinzugezogen werden. Doch wird er es besser machen? Sicher ist schließlich auch, daß das Wort Kelim dem deutschen Sprachschatz schon sehr lange angehört. Bereits Alois Riegl (Stilfragen, Wien 1897) verwendete den Begriff Kelim synonym für orientalische Flachgewebe. Am ehesten wird man noch Persopoulos (Der Kelim, München 1980) zustimmen können, wenn er feststellt, daß das Wort Kelim allgemein und unterschiedslos für Gewebe im weitesten technischen Umfang gebraucht wird. Im engsten Wortsinn, so Petsopoulos, steht Kelim für wollene, in Schußbindung, also mit verdeckten Kettfäden gewebte Stücke. Was auch immer die richtige Definition ist, mit dem Titel Welt der Kelims hat Karl-Michael Plötze sein Thema verfehlt. Auch unter Zugrundelegung der umfassendsten Definition geht der Inhalt dieses Buches weit über sie hinaus. Dieser Themaverfehlung ist sich der Autor aber durchaus bewußt, wenn er richtig und nüchtern feststellt, daß hier keines der üblichen Kelim-Bücher vorliegt, die sich nur mit Kelims (Wirkereien) aus einem eng umrissenen geographischen Gebiet befassen. Vielmehr werden Gemeinsamkeiten in Technik und Motivik aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen und weit voneinander entfernten Gebieten aufgezeigt. Dieser Blick über die Kelimgrenzen hinaus ist die Besonderheit dieses Buches und Grund für die unbedingte Kaufempfehlung des Rezensenten. Auch wenn die anatolischen, persischen und kaukasischen Kelims mit etwa 2/3 der vorgestellten Exemplare im Vordergrund stehen, finden wir hier auch Flachgewebe der Araber, Turkmenen und Beduinen, solche der Indianer aus den USA, Kelims aus Aegypten, Indien und den Balkanländern, aus dem präkolumbianischen Peru und schließlich Kesi oder K’o-ssu aus China. Und noch etwas ist hervorzuheben: Die 118 „Kelims“ wurden nicht, was nahegelegen hätte, nach den Herkunftsgebieten geordnet, sondern nach Übereinstimmungen in den Mustern. So stehen sich Arbeiten der Nazca-Kultur aus Peru und solche persischer Nomaden gegenüber, „blankets“ der Navajo und Kelims der Luri und Gaschgai, Flachgewebe nordafrikanischer Beduinen denjenigen der Schahsavan aus Nordpersien. Mustergemeinsamkeiten bei Turkmenen und Anatoliern mögen naheliegend und vielfältig sein, sie aber auch bei Makedonen und Usbeken oder gar bei Stücken aus Peru und Persien festzustellen ist zumindest aufregend und regt zum Nachdenken an. Ähnliches gilt für den Zeitvergleich. Was haben ähnliche Muster auf koptischen und persischen Kelims, deren Herstellungszeit mehr als ein Jahrtausend auseinander liegt, zu bedeuten? So eröffnet Welt der Kelims einen neuen, umfassenderen, ungemein interessanten Blick auf die Web- und Mustertraditionen dieser Welt und man ist versucht, den Titel zu berichtigen in Kelims der Welt. Bleibt noch nachzutragen, daß die verschiedenen Techniken von Kelims mit äußerst instruktiven Fotobeispielen vorgeführt, und daß der Zusammenhang zwischen Technik und Muster erläutert wird. Bestimmte Grundmuster und deren Entwicklung werden vorgestellt und schließlich leistet Karl-Michael Plötze auch einen ernsthaften Versuch zur Erklärung des Elibelindemotivs, dessen Ursprung er dem minoisch-mykenischen Kulturkreis zuschreibt. Die mit vielen Beispielen belegte Argumentationskette bedeutet eine Abkehr von der Muttergöttintheorie und erklärt das Elibelindemotiv mehr bodenständig als Palmette mit Voluten oder schlicht als Akanthusblatt. Das Ende eines Mythos? (Bestellungen beim Autor: KMP, Uhlandstr.6, 30890 Barsinghausen). (- mb -)

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