Flowers of Silk and Gold – Four Centuries of Ottoman Embroidery

Autor/en: Sumru Belger Krody
Verlag: Merrell Publishers Ltd, in Association with The Textile Museum Washington DC
Erschienen: London 2000
Seiten: 160
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 25.– engl.Pfund
ISBN: 1-85849-105-9
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Der 75. Geburtstag des Textile Museum in Washington im Frühjahr 2000 wurde mit einer ganz besonderen Ausstellung und Publikation gewürdigt. Die nur wenig bekannte aber in Quantität und Qualität weltweit hochbedeutende Sammlung osmanischer Stickereien des Textile Museum ist dort bis Ende Juli 2000 zu sehen. Sie ist in dem glänzend gemachten, umfang- und inhaltsreichen Katalogbuch auch danach noch zu bewundern. 57 herausragende Exemplare wurden aus dem reichen Bestand ausgewählt. Sie zeigen die Entwicklung der osmanischen Stickerei in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert an höfischen, städtischen und häuslichen Arbeiten. Das ganze Spektrum der in einem türkischen Haushalt überreich vorhandenen und benutzten Textilien breitet sich in dem Band vor uns aus. Es reicht von großen runden Bodentüchern bis zu zierlichen Servietten, es umfaßt Decken, Wandbehänge und Bettüberwürfe, Tücher zum Bedecken des Turbans, Kissen und Handtücher, große und kleine Tücher zum Einwickeln, Aufbewahren und Transportieren all der Dinge, die zum täglichen Leben gehören. Diese Präsentation bestickter osmanischer Textilien gibt damit einen tiefen Einblick in eine orientalische Kultur, in der Textilien seit jeher eine wichtige, wenn nicht sogar dominierende Rolle gespielt haben. Die Funktion von Textilien im osmanischen Haushalt und im täglichen Leben, bei zeremoniellen Anläßen und Festen, bei Hochzeit und Beschneidung, bei der Darreichung von Speisen, Getränken und Süßigkeiten, die Funktion von Textilien bei Hof, im Harem und im Hamam, wird ausführlich beschrieben. Daraus wird deutlich, daß Textilien im osmanischen Reich ein hochbedeutender Wirtschaftfaktor waren, der das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben geprägt hat, und an dem sich die Strukturen und Entwicklungen dieses Weltreichs von einer Orient und Okzident umfassenden Machtfülle bis zu seinem Verfall dokumentieren lassen. Ein wesentlicher Teil der Bevölkerung war mit Herstellung und Handel bestickter Textilien befaßt. Es waren Männer und Frauen aller gesellschaftlichen Schichten, von Angehörigen des Hofes bis zu den Ärmsten. Die osmanische Sticktradition einte damit verschiedenste ethnische und religiöse Gruppen unter handwerklichen und ästhetischen Gesichtspunkten und hatte so eine wichtige soziale Funktion. In den Werkstätten des Topkapi Sarayi und anderer Paläste, sowie in den großen städtischen Manufakturen, arbeiteten Männer und bestickten Leder, Seide und Samt. Es entstanden Zelte, Sättel, Köcher, Stiefel, Sänften, Behänge, Decken und Kleidung. Die kleineren Stücke indessen waren eine Domäne der Frauen, die in der Abgeschiedenheit des kaiserlichen Harems oder im privaten häuslichen Bereich Servietten und Handtücher, Präsentier- und Einschlagdeken zunächst für den eigenen Bedarf aber auch für den Verkauf herstellten. Die Stickerei war damit ein wesentlicher Beitrag der Frau zum Haushaltseinkommen und, wie wir heute sagen würden, zum Bruttosozialprodukt des Osmanischen Reiches. Das Studium der Stickerei erweist sich damit im Ergebnis als eine wichtige und bisher wenig beachtete Quelle zum Verständnis der osmanischen Kultur. Das gilt insbesondere auch für die Motive der Stickereien, für den Stil und für die Farben, an deren Entwicklung sich der Weg vom orientalischen Macht- und Zentralstaat zu einem mehr und mehr von Europa beeinflußten Vasallenstaat ablesen läßt, eine Entwicklung, die letztlich bis heute anhält. Während in den Stickereien des 16. und des 17. Jahrhunderts wenige und kräftige Farben dominieren, ebenso wie ein Formenkanon, der mit Cintamani, Wolkenband und Medaillon den zentralasiatischen Ursprung nicht leugnen kann, verändern sich Farbpalette und Design unter der zunehmenden Hinwendung nach Europa im 18. und vor allem 19. Jahrhundert dramatisch. Naturalistische Motive, Landschaften und Schiffe erscheinen auf den Stickereien, Bögen, Säulen und andere architektonische Details, die Farben werden vielfältig abgestuft, verlieren aber an Kraft und degenerieren zu Pastelltönen. Experimente mit Schatten und Perspektive lösen das klare Design früher Stücke ab und es entsteht das, was oft abwertend als „“türkisches Rokoko““ bezeichnet wird. Die umfassende Klammer der osmanischen Stickerei aber, eine Klammer, die sie einzigartig und von allen anderen Stikereierzeugnissen unterscheidbar macht, ist die Dominanz bestimmter floraler Motive, die Darstellung von Trauerweiden und Zypressen, von Tulpen, Hyazinthen und Nelken, von Rosensträußen und anderen phantasievollen, floralen Gebilden. Die reiche textile Tradition des osmanischen Reiches ist damit in diesem Band umfassend, kenntnisreich und lebendig dokumentiert. Das Buch ist darüber hinaus, wie es sich einem Geburtstagsgeschenk geziemt, eine Hommage an das Textile Museum und an ihren Gründer, George Hewitt Myers, der 1915 die ersten Stücke dieser Sammlung erwarb. Sammlung und Buch sind schließlich ein Zeugnis amerikanischen Mäzenatentums. Es ist guter amerikanischer Brauch, kostbaren und geliebten Stüken eine ständige Bleibe in einem Museum zu geben, und die Museen danken diese großzügigen Gesten durch Präsentation und Publikation. Flowers of Gold & Silver ist hier nur ein Beispiel von vielen, aber ein für den Textilfreund unverzichtbares. (- mb -)

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