Imperial Silks – Ch’ing Dynasty Textiles in the Minneapolis Institute of Arts

Autor/en: Robert D. Jacobsen
Verlag: The Minneapolis Institute of Arts
Erschienen: Minneapolis 2000
Seiten: 2 Bände mit 1184 Seiten
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag im illustrierten Schuber
Preis: US-$ 195.–
ISBN: 1-878529-72-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die vergangenen zwei Jahrzehnte haben alte chinesische Seiden in den Mittelpunkt des textilen Interesses gerückt. Grund hierfür waren die spektakulären archäologischen Entdeckungen uralter chinesischer Seidenstoffe in Ma-shan, Ma Wang-tui und anderen Ausgrabungsstätten, die einen zuvor kaum erahnten Einblick in die erstaunliche Qualität und Vielfalt früher chinesischer Seidenproduktion ermöglichten. Das Auftauchen außerordentlich gut erhaltener Gewebe, Wirkarbeiten und Stickereien aus der Song-, Yuan- und Mingdynastie auf Auktionen und im westlichen Kunsthandel, überwiegend gefunden in tibetischen Tempeln und Klöstern, hat den Trend verstärkt und die Kenntnis über die Geschichte chinesischer Seide ungemein bereichert. Auf dieser Grundlage erscheinen heute die Textilien aus der letzten, der Ch’ing Dynastie, früher häufig als maniriert, verfeinert und degeneriert abqualifiziert, in einem neuen Licht, nämlich als ein End- aber zugleich Höhepunkt einer jahrhundertelangen Entwicklung. Als im Jahre 1644 der Manchu-Feldherr Dorgon mit seiner Armee das Peking der Ming-Dynastie eroberte und seinen Neffen als ersten Kaiser einer neuen Dynastie inthronisierte, waren der hohe technische Entwicklungsgrad der Seidenindustrie und die ästhetischen Bedürfnisse längst vorhanden. Die Manchu-Kaiser brauchten Technik, Symbolik und Mode nur zu übernehmen und sie haben dies getan wie alle chinesischen Kaiser vor ihnen, mögen sie Han-Chinesen gewesen sein oder fremde Barbaren. Der Sturz der Ch’ing-Dynastie und die Gründung der chinesischen Republik im Jahre 1912 markierte dann das Ende der jahrhundertelangen kaiserlichen Herrschaft, das Ende eines traditionellen Hofrituals und das Ende einer unvergleichlichen textilen Tradition. Zwar erlaubten die siegreichen Revolutionäre dem jugendlichen Kaiser P’u-yi noch weitere 13 Jahre den Aufenthalt im kaiserlichen Palast doch die exquisiten kaiserlichen Roben und Gewänder und all die anderen kostbaren textilen Requisiten galten als politisch überholt und fanden ihren Weg auf den Pekinger Antiqitätenmarkt. Auch die chinesische Aristokratie trennte sich damals, freiwillig und unfreiwillig, von einem unmodern gewordenen Lebensstil und gab Seidenkleidung, Wandbehänge und viele andere Kostbarkeiten in den Handel. Es war dies die Geburtsstunde der bedeutendsten und vollständigsten Sammlung von Textilien der Ch’ing-Dynastie außerhalb Chinas, heute im Minneapolis Institute of Art und in dem zweibändigen Sammlungskatalog perfekt präsentiert. Wie es dazu kam ist eine weitere Geschichte, die in der Einleitung nachzulesen ist: William E. Colby, erfolgreicher Rechtsanwalt in San Francisco, Spezialist für Berg- und Wasserrecht, war nicht nur ein begeisterter Naturfreund – der Status des Yosemite Parks als Nationalpark ist ihm zu danken – sondern auch ein engagierter und geschickter Sammler. Neben seltenen Büchern über den Bergbau – heute in der Universität von Kalifornien – galt sein Sammlerinteresse der chinesischen Kunst und seine Liebe den Textilien. In der Chinatown von San Francisco, auf Auktionen, bei Agenten und Händlern der Westcoast, erwarb Colby in den 20er und 30er Jahren eine exquisite Sammlung von knapp 400 Seidentextilien, deren Schönheit und Perfektion ihm ein hohes Qualitätsbewußtsein und ein unbestechliches Auge attestieren. 1941 zwangen finanzielle Gründe Colby zum Verkauf der Sammlung und es ist wieder dem Engagement von visionär denkenden Kunstfreunden und Museumsdirektoren zu danken, daß die Sammlung komplett in das Minneapolis Institute of Arts gelangte. Die Colby-Textilien sind Grundlage einer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts systematisch ergänzten und wissenschaftlich bearbeiteten Sammlung, die heute mehr als 600 Teile umfaßt. Nahezu alle sind im Sammlungskatalog abgebildet, beschrieben und analysiert. Imperial Silks ist für den Liebhaber, Kenner und Sammler chinesischer Textilien der Ch’ing-Dynastie ein unentbehrliches Kompendium, bei dem der eigentlich unerfüllbare Anspruch auf Vollständigkeit beinahe erfüllt erscheint. Entsprechend dem von Colby gesetzten Schwerpunkt liegt die Stärke der Sammlung in kaiserlichen Textilien – nicht weniger als 108 höfische Roben sind zu bewundern -, doch sind die Bereiche Kirche, Theater, inoffizielle Kleidung und Accessoires wie etwa Hüte, Schuhe und Ohrenschützer, durchweg ebenso prominent vertreten wie die textile Ausstattung von Möbeln, Wohnung, Palast und Tempel. Ein einleitender Essay über die Geschichte der chinesischen Seiden, ein Glossar, eine grafische Darstellung der wichtigsten symbolischen Motive und eine Bibliographie runden Imperial Silks zu einem Standardwerk über chinesische Textilien aus den Ch’in-Dynastie. (- mb -)

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