Japanese Textiles in the Victoria and Albert Museum

Autor/en: Anna Jackson
Verlag: Victoria & Albert Publications
Erschienen: London 2000
Seiten: 144
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 25.– engl.Pfund
ISBN: 185177-3169
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2000

Besprechung:
Textilien, textiles Handwerk, textile Kunst haben in der Kulturgeschichte Japans eine eminent wichtige Rolle gespielt. Das gilt bis heute: Die zeitgenössischen Textilkünstler Japans sind Schöpfer der erstaunlichsten und aufregendsten Textilien, die wir kennen. Doch zurück zu den Anfängen. Wie in allen Ausdrucksformen von Kunst und Kunsthandwerk sind auch in der Textilkunst Japans die entscheidenden Impulse vom asiatischen Festland gekommen. China und Korea waren die großen Vorbilder. Eine eigene Produktion von Seide begann in Japan nicht vor dem 3. Jahrhundert n.Chr. Sie blieb aber zunächst bescheiden. Importe aus Korea und China im 5. und 6. Jahrhundert, vor allem aber in der Nara-Zeit im 8. Jahrhundert gaben dann Anregung für eine eigene und eigenständige Entwicklung. Es mag symptomatisch sein für Japan, daß in jener Zeit eine staatliche Textilverwaltung eingerichtet wurde, deren erklärte Aufgabe es war – natürlich für den kaiserlichen Hof – fremde textile Techniken zu adaptieren und zu verbessern. Zentrum dieser textilen Luxusindustrie war Kyoto, seit dem Jahre 794 Hauptstadt, und Kyoto sollte diese Stellung 1000 Jahre lang halten. Japanische Textilgeschichte ist ein Spiegel der wechselvollen Historie des Landes, der Machtwechsel zwischen Kaiser und Militär, des Wechsels zwischen totaler Abschottung und fremden Einflüssen. Japanische Textilgeschichte ist ein tiefer Blick in die Edo-Zeit (1603 – 1868), als jahrhundertelanger Friede einen ungeahnten Reichtum und Aufschwung brachte. Der Handel florierte, es entstanden große Städte, ein wohlhabendes Bürgertum und eine Nachfrage nach Luxustextilien wie nie zuvor. Mitte des 19. Jahrhunderts dann die Öffnung nach dem Westen und der Kontakt mit moderner Technik. Die Einführung des Jacquard-Webstuhles und der synthetischen Farben waren in Japan mindestens so revolutionär wie in Europa. Japan nahm seinen Platz auf der Weltbühne ein, beschickte Weltausstellungen in USA und Europa und erschloß sich neue Märkte für seine Textilindustrie. Der Schock des zweiten Weltkrieges bedeutete zunächst einen Niedergang japanischer Textilkunst, schließlich jedoch eine Rückbesinnung auf alte Traditionen und ein Wiederaufleben textiler künstlerischer Techniken. Diese Geschichte japanischer Textilien ist in dem Buch über die Sammlung japanischer Textilien im Victoria & Albert Museum in London nicht nur von Anna Jackson beschrieben sondern mit 150 ausgesuchten Beispielen aus der etwa 1300 Stück umfassenden Sammlung glänzend dokumentiert. Der Schwerpunkt liegt dabei ganz klar auf Arbeiten aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert mit Ausbliken in die textile Vergangenheit und Gegenwart Japans. Dieser Schwerpunkt ist in der Sammlunggeschichte begründet. Die ersten japanischen Textilien gelangten als Schenkung von Queen Victoria 1865 in das Museum. Sie waren Teil einer großen Donation des letzten Shogun, mit der das Handelsabkommen zwischen Japan und England im Jahre 1858 besiegelt wurde. Ein wahrer Japan-Rausch folgte, eine Begeisterung für japanische Waren. Händler und Sammler bemächtigten sich dieses neuen Gebietes, und das V&A profitierte davon. Das war die eine Quelle der Sammlung. Die andere waren Reisende und britische Diplomaten, die im Lande selbst Textilien erwarben, die nicht für den Export bestimmt, die im Westen nicht erhältlich waren, buddhistische Roben und Umhänge etwa. So wuchs im Victoria & Albert Museum eine repräsentative Sammlung japanischer Textilkunst, die in den vergangenen Jahrzehnten noch ergänzt wurde um volkstümliche, indigogefärbte, oft in Reservetechnik verzierte Futon-Decken. Höhepunkt japanischer Textilkunst aber ist und bleibt das spezifische, verfeinerte und höchsten ästhetischen Ansprüchen gerecht werdende Design, geschaffen durch hochkomplizierte Web-, Färbe- und Sticktechniken und zu finden überwiegend auf Stoffen für Bekleidung, für Kosode, Kimono und buddhistische Roben. Was diese „Designer-Mode“ jener Zeit so spektakulär macht ist einmal der Gebrauch zusätzlicher Schußfäden aus Gold oder Silber, vor allem aber das Vorhandensein unterschiedlicher Muster in einem Gewebe, Muster, die sich gleichsam in verschiedenen Ebenen überlagern und durchdringen, die verschwinden und wieder hervorkommen. Die Kosode der Edozeit, aufwendige Kostüme für das No-Theater und die Pracht buddhistischer Gewänder, deren patchwork-Technik die Armut des Mönchs symbolisieren soll, sind Beispiele einer herausragenden, vor allem aber eigenständigen und durch und durch japanischen Kunst. Von den Stickereien mögen noch die fukusa erwähnt werden, Geschenkdeckchen, mit denen ein Geschenk beim Übergeben bedeckt war. Die Auswahl dieses fukusa, seine besondere Beziehung zur Situation, war wichtiger Bestandteil des Geschenk-Rituals. fukusa waren Hinweise auf Reichtum, Geschmack und Bedeutung des Schenkers, sie waren ein ideales Betätigungsfeld für Phantasie, Geschick und Ausdrucksstärke der Stickkünstler. fukusa mußten vom Beschenkten nach hinreichender Bewunderung an den Schenker zurückgegeben werden. Daß dies bei einem der fukusa des V&A, einem Beispiel aus dem Kaiserhaus, aus Unkenntnis dieses Rituals unterblieb, ist doku- mentiert und als diplomatischer Fauxpas Erwerbsgrund für eines der schönsten Stücke der Sammlung. (- mb -)

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