Of Wool and Loom – The Tradition of Tibetan Rugs

Autor/en: Trinley Chodrak, Kesang Tashi
Verlag: Orchid Press
Erschienen: Bangkok 2000
Seiten: 160
Ausgabe: flexibler illustrierter Einband
ISBN: 974-8304-15-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2000

Besprechung:
Bücher und Beiträge über tibetische Teppiche sind rar und durchweg ziemlich jung. Erst 1967 erschien in der Hauszeitschrift eines schweizerischen Pharmakonzerns ein erster kleiner Aufsatz über diese exotischen Textilien, die von tibetischen Flüchtlingen seit 1959 über den Himalaya ins indische oder nepalische Exil gerettet worden waren. Das erste Buch zum Thema von Philip Denwood erschien dann 1974 und war das Ergebnis eines Forschungsprojektes, das der norwegische Diplomaten Kuloy angestoßen hatte – heute der Klassiker der Literatur über Tibets Teppiche. 10 Jahre später dann die erste Ausstellung im Textile Museum in Washington die von einem sorgfältig gemachten Katalog von Dyana Myers begleitet war. 1987 folgte in deutscher Sprache „Tibeter Teppiche“ von Peter Mauch. Ein paar Händler- und Ausstellungskataloge aus USA, Deutschland und Italien, Mimi Liptons Buch über Tigerteppiche und Hallvard Kuloys nun schon in 6. Auflage vorliegendes Kompendium über diese Teppichgattung machen dann zusammen wenig mehr als ein Dutzend Veröffentlichungen. Umso größer ist die Spannung auf dieses erste Buch über die tibetische Teppich-Tradition aus der Feder tibetischer Fachleute, denn ein schon 1984 in Lhasa nur in tibetischer und chinesischer Sprache erschienenes Buch ist im Westen so gut wie unbekannt geblieben. Der Titel verheißt neue Erkenntnisse über die Herkunft und das Alter einer der wichtigsten tibetischen Handwerkstraditionen. Doch die hochgespannten Erwartungen werden nicht erfüllt: Nichts Neues, muß man feststellen, keine sensationellen Entdekungen in alten Klöstern, keine Enthüllungen hundertjähriger Knüpfer, keine geheimnisvollen Fragmente aus archäologischen Grabfunden. Es bleibt die nüchterne Feststellung, daß der Teppich in Tibet ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand gewesen ist, etwas Praktisches und Unentbehrliches, aber nichts, das aufzubewahren sich lohnte, ein Konsumartikel für Kloster und Tempel ebenso wie für Haushalt und Nomadenzelt. Da er im Westen bis vor wenigen Jahrzehnten so gut wie unbekannt war, können auch alte Sammlungen oder Darstellungen auf Bildern nicht weiterhelfen. Das Geheimnis um den tibetischen Teppich wird daher wohl immer ungelöst bleiben. Das Buch ist gleichwohl eine glänzende und vollständige Darstellung des aktuellen Wissens, der vielen Vermutungen und der wenigen schriftlichen tibetischen Belege über die Tradition des tibetischen Teppichs. Danach werden wohl schon die historischen Könige der Yarlung-Dynastie, deren mächtige Grabhügel in Chonggye bis heute unversehrt geblieben sind, ihre Throne und Sättel mit Teppichen verziert haben, haben Lamas wie etwa der berühmte Milarepa (1040 – 1123) schon auf Teppichen meditiert, und in tibetischen buddhistischen Klöstern werden Teppiche seit jeher zur Grundausstattung gehört haben. Wie diese frühen tibetischen Teppiche ausgesehen haben, wissen wir nicht, jedoch liegt es nahe, anzunehmen, daß zentralasiatische Einflüsse die Muster geprägt haben. Noch in den wenigen erhaltenen Exemplaren aus dem 19. Jahrhundert oder früher, selbst bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts sind diese zentralasiatischen Wurzeln deutlich erkennbar. Daneben haben seit der Yuan-Dynastie chinesisches Muster- und Designgut, vor allem aber auch die eigenständige künstlerische Entwicklung Tibets ein so breites Spektrum unterschiedlichster Gestaltungen, Muster, Symbole und Verzierungen hervorgebracht, wie in keinem anderen teppichknüpfenden Land der Welt. So sind denn die etwa 150 Farbillustrationen von tibetischen Teppichen, von Sitz- und Schlafteppichen, von Sattel- und Pferdedecken, von Tierschmuck und Tigerdesign, von geknüpfter Ausstattung für Tempel, Haushalt und Pferd eine eminent wichtige Bereicherung der vorhandenen Literatur. Das vorgestellte Material, überwiegend aus dem frühen 20. Jahrhundert, weniges nur davor, bestätigt eine Erfahrung: Je mehr tibetische Teppiche man sieht, umso größer wird das Erstaunen über die nahezu unendliche Vielfalt von Mustern und Dekor, von Strukturen und Farbkombinationen, ein Erstaunen über eine Freiheit der Gestaltung, eine Phantasie des Schöpferischen, wie sie aus den klassisschen Teppichländern nicht bekannt ist. Diese Vielfalt steht in einem deutlichen Gegensatz zur religiösen Kunst Tibets, zur Malerei und Skulptur, die stets einer strengen ikonographischen Ordnung folgt. Der weltliche Status des Teppichs in Tibet, seine Geringschätzung kann man beinahe sagen, die ihn heute auch so selten macht, hat ihn zugleich vor der nivellierenden Zuordnung zur religiösen Kunst bewahrt. Tibetische Teppiche sind bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Volkskunst im besten Sinne, Volkskunst, die eine entfesselte künstlerische Kreativität offenbart. Fotos von der bis heute lebendigen Teppich-Tradition Tibets, vom Spinnen, Färben und Knüpfen, eine kleine Bibliographie, die auch tibetische Quellen enthält, und ein umfangreicher Index runden den Band ab. (- mb -)

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