Textile Kunst – Zur Kultursoziologie und Ästhetik gewebter und geknüpfter Bilder

Autor/en: Heinz Meyer
Verlag: Peter Lang Verlag Europäischer Wissenschaften
Erschienen: Frankfurt 2000
Seiten: 632
Ausgabe: broschiert
Preis: DM 138.–
ISBN: 3-631-36141-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2000

Besprechung:
Jeder Liebhaber textiler Kunst kennt die im Westen weitverbreitete Neigung, textile Arbeiten bestenfalls als Produkte des Kunsthandwerks zu verstehen, ihnen den Rang als „Kunst“ zu versagen. Heinz Meyer, Professor für Soziologie an der Universität GH Wuppertal wendet sich mit seiner Darstellung gegen dieses vom europäischen Kunstverständnis und von europäischer Kunstpraxis geprägte Vorurteil. Im Gegensatz zum Orient waren Weben, Wirken und Knüpfen in Europa nie bevorzugte Techniken oder Medien künstlerischen Schaffens. Textile Kunst ist damit die Geschichte der Rezeption und des Einflußes orientalischer Form- und Farbwelten in Europa. Textile Kunst verarbeitet wissenschaftliche Quellen zur Kunstheorie, zur Religions- und Altertumswissenschaft ebenso wie Schrifttum zu Archäologie und Ethnologie und berücksichtigt einhundert Jahre Teppichliteratur. Das Buch ist damit auch ein Kompendium des gegenwärtigen Stands der Tapitologie, eine tiefschürfende Untersuchung über Entstehung, Herkunft und Bedeutung der Teppichkunst, eine Darstellung ihrer Entwicklung, ihrer Höhepunkte und schließlich ihrer Verarmung und Profanierung. Wir finden eine eingehende Auseinandersetzung mit den Theorien von Erdmann, Azadi und Alexander ebenso wie mit den spekulativen und gewagten Überlegungen von Herrmann und Gantzhorn. Der Einfluß orientalischer Textilien auf Maler wie Macke, Kandinsky und Marc, aber auch Matisse, Gauguin und Picasso wird aufgezeigt und wir erfahren, daß die prägende Wirkung textiler Kunstwerke auf die „Klassische Moderne“ und auf die abstrakte Kunst des 20. Jahrhunderts möglichweise bedeutender war als die so häufig zitierte afrikanische Plastik. Textile Kunst ist eine unerschöpfliche Fundgrube von Fakten, Gedanken und Ideen auf 500 engbedruckten Seiten, die durch eine umfassende Bibliographie, vor allem aber durch reiche Personen-, Sach- und Ortsregister erschlossen wird. Textile Kunst ist damit spannende Lektüre und Nachschlagewerk zugleich, ein Buch, das man häufig und mit Gewinn zur Hand nimmt. Den aus Kostengründen erfolgten Verzicht auf jede Illustration mag man bedauern, er ist aber zugleich ein Katalysator für die Phantasie und Anregung, sich vertieft mit der Materie zu befassen. (- mb -)

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