Dhurrie – Flatwoven Rugs of India

Autor/en: Shyam Ahuja
Verlag: India Book House Ltd
Erschienen: Mumbai 1999
Seiten: 272
Ausgabe: fester Einband mit Schutzumschlag
Preis: 60.– engl.Pfund
ISBN: 81-7508-111-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
„The Unappreciated Dhurrie“: Das war der Titel, den Steven Cohen seinem 1982 erschienenen Buch über indische Flachgewebe gab. Nicht geschätzt und unbekannt – das ist bis heute so geblieben, und in keinem der vielen Bücher, die die Produktion von Teppichen und Flachgeweben von Marocco bis nach China beschreiben findet sich ein Hinweis auf indische Flachgewebe, auf Dhurries. Um Dhurries zu sehen muß man moderne Einrichtungshäuser aufsuchen, in Zeitschriften für neues Wohnen blättern, Messen für neue Teppiche und Bodenbeläge besuchen. Dort findet man die pastellfarbenen, zart gemusterten, flachgewebten Dhurries, so richtig ein Produkt für helle, freundliche und moderne Wohnungen. Eine Tradition ist nicht zu erkennen, auch kein Zusammenhang mit den kostbaren Knüpfteppichen der Mogulzeit. Wie falsch das ist erfährt man aus dem prächtigen, großformatigen Buch von Shyam Ahuja. Dem Autor kommt das Verdienst zu, eine fast verlorene Tradition wiederbelebt zu haben und er ist heute der führende Designer und Hersteller moderner indischer Dhurries ist. Mit Engagement und Leidenschaft schildert der Autor, der einer alten Wollhändlerfamilie entstammt, die Entdeckung der Dhurries und den Aufbau einer Produktion. Auf Ahuja gehen auch die Pastellfarben zurück, die sich als Markenzeichen dieser Gattung durchgesetzt haben. Ahuja sieht in dieser zarten, ruhigen Farbgebung den Gegensatz zur Kakophonie indischer Städte und sein Erfolg gibt ihm recht. Bedeutend und empfehlenswert aber ist das Buch durch seine gründliche Darstellung der Geschichte der Dhurries und durch die Abbildung von mehr als einhundert alten und antiken Dhurries, oft von eindrucksvoller Schönheit und Kraft. Natürlich sind die Anfänge solch vergänglicher Weberzeugnisse im Dunkel der Geschichte, ja der Vorgeschichte verborgen. Doch kann man erste Dhurries durchaus in der Harappa-Kultur des Indus-Tals im 3. bis 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung vermuten, hatten diese Menschen doch nachweisbar alles war sie für einen Dhurrie benötigten: Baumwolle und Webrahmen. Erste schriftliche Hinweise auf textile Bodenbeläge finden sich dann in frühen buddhistischen Texten und in den Wandmalereien von Ajanta. 1901 entdeckte Marc Aurel Stein in Niya bei Khotan ein Flachgewebefragment, dessen Musterung und Farbgebung eine Herstellung in Nordindien vermuten ließ. Dieser älteste bekannte Dhurrie ist in der Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert n.Chr. entstanden. Spätere Funde von Gewebefragmenten in LouLan stärkten die These, daß schon sehr früh indische Dhurries mit indischen Siedlern und Pilgern nach Zentralasien gelangten. Reiche Quellen für die Existenz und die Verwendung von Dhurries sind dann die Miniaturen aus der Zeit der Sultanate und – noch weit reicher -aus der Mogulzeit. Aus dieser Zeit, etwa aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, stammt der über 10 Meter lange Dhurrie aus dem Calico-Museum in Ahmedabad, leider als einziger im Buch nur in schwarz-weiß abgebildet. Seine Tier- vor allem aber seine Floralmotive zeigen die enge Verwandtschaft zu den Knüpfteppichen der Mogulen. Auch ihre Farbpalette entspricht exakt den höfischen Teppichen jener Zeit und dies legt die Vermutung nahe, daß sie in denselben Werkstätten entstanden sind. Schließlich ergeben sich Parallelen auch in der Verwendung. Es ist belegt, daß diese Dhurries der ursprüngliche und eigentliche Bodenbelag der rajputischen und mogulischen Paläste war, vor allem während der Sommermonate, und daß nur zu besonderen Gelegenheiten und in der kalten Jahreszeit geknüpfte Teppiche darüber gelegt wurden. Nennenswerte Mengen alter Dhurries sind dann erst wieder aus der zweiten Hälfte des 19. und den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts erhalten, und zwar so viele, daß sich Gruppen bilden lassen: Streifendhurries in kräftigen Farben und riesigen Abmessungen als Bodenbelag für Audienzhallen und Höfe, kleine Gebetsdhurries in eigenwilliger Form- und Farbgebung, Reihengebetsdhurries, sogenannte Saphs mit eindeutigen Verwandtschaften zu anatolischen Saphs, geometrische gemusterte Dhurries mit einer breiten, islamischen und volkstümlichen Motiven entlehnten Musterpalette und schließlich figürliche, gegenständliche Dhurries, allen voran Arche Noah Darstellungen mit überaus kunstvollen Tierfiguren. Bedarf und Produktion von Dhurries war sehr groß in jener Zeit und wurde nicht nur von privaten Werkstätten sondern vor allem von den großen Gefängniswebereien von Poona, Jaipur, Bikaner, Ahmedabad und anderen befriedigt. Die weitaus meisten der heute bekannten alten Dhurries stammen aus diesen Gefängnisproduktionen und ihre Schönheit steht mit Sicherheit in keinem Verhältnis zu den harten Bedingungen unter denen sie entstanden. Fotos alter Dhurries in und außerhalb indischer Paläste, zauberhafte Aufnahmen vom Färben und Weben der Dhurries, Glossar und Bibliographie machen Dhurrie zu einem herausragend schönen und wichtigen Buch über ein wenig bekanntes Thema alter Textilkunst. (- mb -)

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