Lion-dogs – Hundred Antiques – Classical Chinese Carpets I

Autor/en: Michael Franses, Rupert Waterhouse
Verlag: Textile & Art Publications
Erschienen: London 1999
Seiten: 94
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 48.– engl.Pfund
ISBN: 1-898406-30-8
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Ist von klassischen Teppichen die Rede denkt man zuerst an die persischen Meisterwerke aus der Zeit der Safawiden, an prächtige indische Knüpfkunst aus den Hofwerstätten der indischen Mogul-Kaiser oder an die magische Farbigkeit mamlukischer Teppiche. Der Teppichgürtel indessen, dieser Reigen teppichknüpfender Länder, reichte aber schon sehr früh von Spanien bis nach Japan und auch in der Peripherie dieser riesigen Region entstanden in der klassischen Zeit der Teppichproduktion, in der Zeit bis etwa 1700 bedeutende Teppiche, doch nur wenig ist davon bekannt. Das gilt insbesondere auch für China. Die außerordentliche Schönheit chinesicher Kunst, ihre tiefsinnige Bedeutung und ästhetische Verfeinerung ist aus Malerei, Keramik und Kalligraphie, von Gegenständen aus Bronze, Jade und Elfenbein bekannt, doch wer denkt dabei schon an chinesische Teppiche. Dies spiegelt sich in der Teppichliteratur, in der chinesische Teppiche nie wirklich ernsthafte Beachtung fanden schon gar nicht in einer wissenschaftliche Untersuchung. In den wenigen Monographien über chinesische Teppiche von Ellis (1967), Lorentz (1972), Eiland (1979) oder Larsson (1988) blieb das Wissen bruchstückhaft, die Bewertung und die zeitliche Einordnung unsicher. Das ändert sich nun mit der auf mindestens vier Bände angelegten Reihe Classical Chinese Carpets. Der Herausgeber der Bände und Autor des zentralen Beitrages, Michael Franses, beschäftigt sich seit über 20 Jahren intensiv mit dem frühen chinesischen Teppich, das sind für ihn Teppiche aus der Zeit vor 1735, also aus der Zeit vor der Herrschaft des Ching-Kaisers Kien Lung. Michael Franses hat weltweit etwa 500 Exemplare dieser Spezies aufgespürt und untersucht und ist nun in der Lage, den klassischen chinesischen Teppich in ein zeitliches und ikonographisches Schema einzuordnen. Das Werk ist das Ergebnis einer immensen Arbeit, die Michael Franses um die ganze Welt, vor allem aber in die USA geführt hat und die nicht genug bewundert werden kann. Es gab zwar seit etwa Anfang der achtziger Jahre eine Art Nachschub von antiken chinesischen Teppichen als Peking die von den roten Garden zusammengeraubten Lagerhäuser öffnete, doch war nur wenig wirklich Klassisches dabei. Diese Teppiche waren vielmehr schon Anfang des Jahrhunderts, nach Boxeraufstand (1900) und Niedergang der Ching-Dynastie (1911) und infolge der nachfolgenden Wirren und wegen des dadurch wach gewordenen Interesses des Westens für chinesische Antiquitäten, vorwiegend in die USA gelangt. Einige Teppiche fanden ihren Weg schon damals in die Museen, in das New Yorker Metropolitan oder über die Sammlung von G.H.Myers in das Textile Museum, doch die meisten wanderten in die neu errichteten Ostküsten-Landsitze der amerikanischen Industriebarone, wo sie wegen ihrer Schönheit geschätzt doch über die Jahre verbraucht worden sind. Von den wenigen erhaltenen Teppichen aus der späten Ming- und der frühen Ching-Dynastie werden in Band I von Classical Chinese Carpets zwei Mustertypen vorgestellt, wie sie typisch chinesischer nicht sein können, Teppiche mit dem „lion-dog“-Motiv – auf deutsch ist das der „Fo-Hund“ – und Teppiche mit der Darstellung der „einhundert Antiquitäten“. Die Ursprünge und die Bedeutung dieser Muster werden in fundierten Beiträgen namhafter Experten untersucht. Die Sinologin Hwee Lie Thè verfolgt die Spuren des lion-dog bis in die Grabkeramik der Han Dynastie (206 v.Chr. – 220 n.Chr.) und findet das Fabeltier dann wieder auf gestickten und gewebten Rangabzeichen der späten Ming-Dynastie. Kein Wunder, daß sich die verspielten und durchaus nicht grimmigen lion-dogs im Feld der drei frühesten vorgestellten Teppiche tummeln, im Reigen zu viert auf dem großen prachtvollen Abadjian-Teppich – er war anläßlich der Asian Art in London zu sehen -dessen höfische Herkunft offensichtlich ist. Etwas später aber womöglich noch chinesischer ist die Darstellung der einhundert Antiquitäten auf Teppichen. Das Muster, im Buch vorgestellt von Gary Dickinson, geht auf die transitionale Zeit zwischen Ming und Ching zurück und symbolisiert die Kontinuität chinesischer Kultur auch in einer Zeit des Umbruchs. Die wertvollen Gegenstände, Ritualobjekte, Glückssymbole, Musikinstrumente, vor allem die Utensilien vom Tisch des Gelehrten, wir finden sie in mehr oder minder großer Anzahl wieder auf den Teppichen der frühen Ching Zeit, und besonders in diesen Stüken offenbart sich die Kunstfertigkeit der chinesischen Handwerker, denen es gelungen ist, das schwierige Streumuster der einhundert Antiquitäten zu immer wieder neuen harmonischen Kunstwerken mit vollkommener Ausgewogenheit in Farbe und Form zusammenzustellen. Die Schönheit chinesischer Kunst ist ohne jeden Zweifel auch im klassischen chinesischen Teppich zu finden. Ein engagiertes und kenntnisreiches Vorwort von Hans König, dem Doyen der Liebhaber chinesischer Teppichkunst, verleiht dem großformatigen Buch (35 x 25 cm) zusätzlichen Wert. (- mb -)

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