Caucasian Prayer Rugs

Autor/en: Ralph Kaffel
Verlag: Laurence Publishing – HALI Publications Ltd
Erschienen: London 1998
Seiten: 192
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 45.00 englische Pfund
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1998

Besprechung:
Um den kaukasischen Teppich war es in den vergangenen Jahrzehnten recht ruhig geworden. Sicher haben überraschende Auktionsergebnisse immer wieder aufhorchen lassen und die Vermutung bestätigt, daß es eine eingeschworene Sammlergemeinde dieser schönen Teppiche gibt. Doch die Sensationen lagen anderswo: der Siegeszug des Kelim, die Entdeckung früher anatolischer Dorfteppiche mit bislang gänzlich unbekannten Gruppen, etwa der gelbgrundigen Dorfteppiche aus Konya, das Auftauchen neuer turkmenischer Stämme – das waren die Stoffe für Schlagzeilen in der Teppichwelt. Das Sammlerinteresse fokussierte sich auf immer frühere Stücke, klassische Fragmente, geheimnisvolle Kaitag-Stickereien oder uralte Gewebe aus Tibet. Da konnten aus dem Kaukasus allein die Drachenteppiche mithalten, frühe Manufakturarbeiten aus Armenien, Karabagh und Aserbeidschan. Die dörflichen Arbeiten aus dem Kaukasus, bestenfalls Teppiche aus dem 19. Jahrhundert, schön zwar und gefällig, standen lange im Abseits. Mit dem Buch über kaukasische Gebetsteppiche wird nun eine Gruppe von Dorfteppichen in den Mittelpunkt gerückt, die an Charme und Schönheit, an farbenfroher Volkskunst und religiöser Mystik zugleich, kaum ihresgleichen haben. Für das Gebet bestimmt, haben die Knüpferinnen mit besonderer Sorgfalt gearbeitet, nur bestes Material verwendet und eine reiche, tradierte Symbolik in diese Teppiche hineingewebt. Nur für den eigenen Gebrauch geknüpft und für das rituelle Gebet benutzt – und das fünf mal am Tage – ist es kein Wunder, daß diese Teppiche keine zweihundert Jahre alt wurden; 30 Jahre schätzt Kaffel die durchschnittliche Lebensdauer eines solchen Gebetstepppichs. Vielfalt und ausgeprägter Stil der Muster lassen aber vermuten, daß die vorgestellten Stücke aus dem 19. Jahrhundert das Ende und vielleicht auch den Höhepunkt einer langen Entwicklung markieren, deren Ursprünge im Dunkel liegen und über die daher nur spekuliert werden kann. Der Kaukasus, Land der Berge, jahrhundertelang eine Zufluchtsregion vertriebener und verjagter Stämme, die dort Freiheit und Unabhängigkeit suchten, ein Schmelztiegel vieler Ethnien, eine Heimat von Mythen und Legenden und ein Hort uralter Musterschätze von Arabern, Mongolen, Seldschuken und von vielen unbekannten Stämmen aus Nord und Süd. Die Geschichte des kaukasischen Teppichs, des Gebetsteppichs vor allem, ist noch nicht geschrieben und die Gedanken von Kaffel können nur Anregung sein, Anstoß, sich mit einem wichtigen und vernachlässigten Kapitel der Teppichgeschichte zu beschäftigen. Kaffel, Sammler und Amateur im besten Sinne des Wortes, unternimmt dies auf zeitgemäße Art und Weise: Über einen Zeitraum von 20 Jahren hat er sich eine Datenbank von über 2000 kaukasischen Gebetsteppichen aufgebaut, die es ihm nicht nur ermöglichte, die 97 schönsten aus amerikanischen und europäischen Privatsammlungen für dieses Buch auszuwählen und abzubilden sondern die dem Leser statistisches Material an Hand gibt, mit dem sich Herkunft, Alter und Seltenheit dieser Teppiche annähernd bestimmen lassen. Natürlich bleibt die Datierung auch mit diesem reichhaltigen Material eine unexakte Wissenschaft, erschwert durch den Umstand, daß der kaukasische Dorfteppich nicht vor dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts in das europäische Bewußtsein trat und somit in der früheren Malerei nicht vorkommt. Oder etwa doch? Kamen all die frühen Teppiche, die wir aus der Malerei kennen wirklich immer nur aus Anatolien? Könnte nicht der Marby-Teppich oder der Berliner Drachen/Phönix-Teppich auch im Kaukasus geknüpft worden sein, wie in der Literatur schon vermutet worden ist (Schlosser, The Book of Rugs, New York 1963). Das erste Buch, das sich dem kaukasischen Gebetsteppich widmet wirft damit eine Fülle interessanter Fragen auf und schwelgt geradezu in einzigartigen, zum größten Teil unveröffentlichten Teppichen, die für den Autor vielleicht nicht die wichtigsten und wertvollsten, wohl aber die schönsten und liebenswertesten sind.

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