Chinese and Central Asian Textiles, Selected articles from Orientations 1983 -1997

Autor/en:
Verlag: Orientations Magazine Ltd
Erschienen: Hong Kong 1998
Seiten: 230
Ausgabe: Broschiert
Preis: US-$ 60+ 17.50 für Air-Mail-Versand
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1999

Besprechung:
Anders als „Chinese Furniture“ mit einem deutlichen Schwerpunkt, Möbeln aus der Ming-Zeit, deckt der Sammel­band über chinesische Textilien drei ganz unterschiedliche Bereiche ab. Das sind zunächst chinesische Gewänder, Drachenroben, taoistische Priestergewänder, Accessoires, kurz der ganze Bereich chinesischer Textilkunst, dem sich das Interesse westlicher Museen und Sammler schon An­fang dieses Jahrhunderts zugewandt hat, als die Öffnung Chinas, der Boxer-Aufstand und die Revolution einen Markt für diese Dinge schufen. In der Regel nicht sehr alt, vorneh­mlich aus der letzten, der Qing-Dynastie (1644 – 1911), bestechen diese Gewänder durch Erhaltung, kaiserliche Pracht und handwerkliche Perfektion. Die bedeutendsten musealen und privaten Sammlungen dieser Gattung entstanden in den USA – von einigen europäischen highlights, der Sammlung der A.E.D.T.A. oder des V. & A. oder einer bayerischen Privatsammlung mal abgesehen – und so kann man der Überlegung von Valrae Reynolds schon zustimmen, daß reiche amerikanische Industrielle und Sammler zu Beginn dieses Jahrhunderts das vorerst letzte Kapitel des Jahrtausende alten chinesischen Seiden­handels geschrieben haben. In diesen Bereich gehört auch der Beitrag über bemalte chinesische Seidenstoffe, die im 18. und 19. Jahrhundert zur Verwendung als Möbel- und Kleiderstoff in großen Mengen nach Europa exportiert wurden, und die – ebenso wie das ungleich bekanntere Export-Porzellan – ganz und gar im europäischen Geschmack der Zeit gehalten waren. Schließlich finden wir hier einen Beitrag über die Wiederverwendung unmodern gewordener Stoffe und Gewänder in China, ein Beitrag, der zeigt, daß auch die vornehmen Hofdamen und Mandarine im klassischen China dem Diktat wechselnder Moden unterworfen waren. Der nächste Block von Beiträgen widmet sich Ausgrabungsfunden und damit einer Gruppe der frühesten, interessantesten und zugleich schönsten Textilien die wir kennen. Die frühesten Seidenfragmente mit polychromer Webtechnik und Stickerei stammen aus der Shang-Dynastie (16. – 11. Jahrhundert v.Chr) und aus der Zeit der westlichen Zhou (ca 1100 bis 770 v.Chr.), doch erst aus der Zeit der streitenden Reiche (481 bis 221 v.Chr.) haben genug Textilien überlebt, um uns eine sichere Vorstellung über den Dekorations­stil jener Zeit zu vermitteln. Der berühmte Textilfund von Mashan in der Provinz Hubei schenkte uns die frühesten Stoffe in gutem Zustand und ihre außergewöhnlichen Muster gehören zum Aufregend­sten im Bereich des Textil-Design überhaupt. Drachen und Phönix bilden ein kompliziertes, arabeskenhaftes Muster zwischen dem sich naturalistisch gestreifte Tiger bewegen. Im Beitrag von Regina Krahl über die Muster auf frühen chinesischen Textilien, der Funde bis zur Tang-Dynastie (618 – 907) und der südlichen und nördlichen Song beschreibt, ist diese Stickerei aus dem vierten vorchristli­chen Jahrhundert ein Höhepunkt, dem Textilien aus der Han-Dynastie (206 v. bis 220 n.Chr.) nur wenig nachstehen (Beitrag von E.Lubo.Lesnichenko). Die Ausgrabungsfunde leiten über zum dritten und umfangreichsten Komplex von Beiträgen in diesem Sammelband. Hier geht es um Textilien, die in den vergangenen zwanzig Jahren in Tibet entdeckt worden sind und die ein ganz neues Kapitel der Textilgeschichte aufgeschlagen haben, über das vornehmlich in Orientations berichtet wurde. Die erstaunliche Erhaltung früher Textilien aus der Song- (960 – 1279), Yin- (1115 – 1234) Yuan-(1279 -1368) und Ming-Dynastie und ihre überraschendes Auftauchen auf dem Dach der Welt, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und bildet den Gegenstand vieler Beiträge über textile Techniken (Needleloop, K’ossu oder Kesi, Applikationstechnik) und die überwiegend buddhistisch geprägten Muster. Es sind zugleich Beiträge über die hohe textile Kultur, beinahe kann man sogar sagen „textilen Kult“, dem tibetische Fürsten und Lamas über Jahrhunderte hinweg huldigten und von dem nach den Zerstörungen der letzten 50 Jahre nur noch Bruchteile vorhanden sind. Es waren bedeutende Ableger der Seidenstaße, die schon immer nach Tibet führten und auf denen unvorstell­bare Mengen chinesischer Seidenstoffe dorthin gelangten. Ein tibetisch-chinesischer Friedensvertrag aus dem Jahre 760 garantierte Tibet einen jährlichen Tribut des chinesischen Kaisers von 50.000 Ballen Seide. Seit jener Zeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts investierten Prinzen und Könige, Äbte und Lamas in großem Umfang in chinesische Seide um sie für Kleidung und Dekoration von Klöstern, Tempeln, Burgen und Palästen zu verarbeiten. Die geheimnisvollen „Tausend-Buddha-Textilien“, textile Entsprechungen von Wandmalereien, wie man sie aus Ajanta, Dunhuang und Alchi kennt, Stickereien in Needleloop, einer uralten Sticktechnik, die vor 20 Jahren noch nahezu unbekannt war und die doch die europäische Textilkunst beeinflußt hat oder die Kopien früher tibetischer Rollbilder in feinster Stick- und Wirktechnik sind nur einige der Themen von Beiträgen aus der Feder von Patricia Berger, Valrae Reynolds, Michael Henss und anderen. Das hochinter­essante Buch, ein wirkliches Muß für jeden Textilfreund, macht eines klar: Das Wissen über frühe chinesische und zentralasiatische Textlien hat sich in den vergangenen 20 Jahren durch sensatio­nelle Ausgrabungen und durch die Schätze Tibets vervielfacht. Doch neue Funde lassen neue Fragen entstehen und so bleiben auch in diesem Buch viele Rätsel ungelöst.

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