Embroidery of the Greek Islands and Epirus

Autor/en: Roderick Taylor
Verlag: Marston House
Erschienen: Yeovil 1998
Seiten: 192
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 50.– englische Pfund
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 1998

Besprechung:
Es ist ein spannendes Vergnügen, zusammen mit Roderick Taylor der Frage nachzugehen, warum sich gerade auf den griechischen Inseln eine Hochblüte der Stickereikunst entwickelt hat, die heute als eine der spektakulärsten und bedeutendsten ihrer Art erkannt worden ist. Ein paar Dutzend Inseln nur, am Rande Europas gelegen, am Rande des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehens, so meint man, nur als Touristenziel bekannt und von Bedeutung. Doch das war einmal ganz anders. Im klassischen Griechenland etwa wurde die Ägaeis als das Zentrum von Hellas angesehen. Und seit jener fernen Zeit bis ins 19. Jahrhundert gibt es wohl kaum eine Region in Europa, die eine ähnlich wechselvolle Geschichte vorzuweisen hat, die so viel verschiedenen Einflüssen aus Ost und West ausgesetzt gewesen ist wie die griechische Inselwelt. Hellas, Rom, Byzanz, Mamluken und Kreuzfahrer, schließlich Teil des Osmanischen Reiches – das sind nur die großen Stationen auf dem wechselvollen Weg durch die Geschichte. Sephardische Juden, türkische und arabische Piraten, slawische und albanische Einwanderer, Kaufherren aus Venedig und Genua, Mönche und Pilger auf dem Weg ins Heilige Land, Handelsposten der Briten, denen die Holländer und Franzosen folgten. Und doch, durch die Insellage begünstigt, überdauerten traditionelle bäuerliche Strukturen alle Eroberungen und Machtwechsel. Die großartigen Stickereien der griechischen Inseln sind das Produkt des Zusammentreffens einer alten bodenständigen, bäuerlichen Tradition mit den Kulturen all der Nationen, die dort eroberten, siedelten oder nur vorüberzogen. In 15 Kapiteln, beginnend mit den historischen Grundlagen bis zu den ersten, Anfang dieses Jahrhunderts entstandenen Sammlungen wird ein Kaleidoskop einer unglaublich reichen und vielfältigen Textilkunst vor uns ausgebreitet. Taylor behandelt Stickereien von den Zykladen, von den Inseln des Dodekanes, den Sporaden und den Inseln der nördlichen Agaeis, Stickereien aus Kreta, den Ionischen Inseln und aus Epirus, der einzigen Festlandregion. Er ist sich natürlich bewußt, daß es kein sicheres Rezept gibt, mit dem sich eine Stickerei einer bestimmten Insel zuordnen läßt, daß Muster und Techniken wanderten und daß Handelsnamen und die Konzentration auf bestimmte Handelsorte die Lokalisierung weiter erschweren. Die Sozialgeschichte, Besonderheiten des Gebrauchs und sorgfältige Musterstudien erlauben gleichwohl eine Eingrenzung und vorsichtige Zuschreibungen und man ist erstaunt, festzustellen, welche Unterschiede in Technik, Farben und Mustern es von Insel zu Insel gibt oder gegeben hat. Der Sorgfalt und Tiefe des Textes entspricht die Qualität der etwa 120 abgebildeten Stickereien. Es sind die schönsten Stücke aus den wichtigsten Museen und aus bedeutenden Privatsammlungen, überwiegend aus dem 18. Jahrhundert, einige noch älter, wenige nur aus späterer Zeit. Auch wenn man kaum damit rechnen kann, solchen Raritäten heute noch im Handel zu begegnen ist es ein Genuß, die prachtvollen Bettzelte aus Rhodos, Tilos und Kos, ein Kissen des 17. Jahrhunderts mit mamlukischen Muster aus Naxos oder die opulent bestickten Hemden aus Kreta und vieles andere mehr als Zeugnisse einer Volkskunst von ganz besonderem Rang betrachten zu können. Wie schon das Buch von Roderick Taylor über osmanische Stickereien ist auch dieses neue Werk über Stickereien von den griechischen Inseln mit seinem Erscheinen zur Standardliteratur zu rechnen. Auf den in Vorbereitung befindlichen dritten Band, der die Stickereien aus dem Maghreb unter die Lupe nimmt, darf man gespannt sein.

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